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Streit über Atomstromimport

Schon beim ersten Energiegipfel vor sieben Monaten hat die Regierung beschlossen, dass in Österreich kein „grauer Strom“ unbekannter Herkunft mehr fließen soll. Dadurch soll Atomstrom eingedämmt werden. Beim zweiten Energiegipfel am Montag trafen sich nun Vertreter aus Regierung, E-Wirtschaft und Umweltorganisationen erneut. Diesmal ging es darum, wie der Atomstromimport eingedämmt werden kann.

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„Wir wollen einen Herkunftsnachweis darüber, woher der Strom ist“, forderte Kanzler Werner Faymann (SPÖ) noch im Juli. Umweltschutzorganisationen wie Global 2000 zeigten sich im Sommer optimistisch und sprachen sogar von einem „großen Erfolg“, den „jahrelangen Stillstand in der Anti-Atom-Politik zu durchbrechen“. Mittlerweile hat der Stillstand offenbar wieder Einzug gehalten. Das Gipfeltreffen am Montag brachte wieder keine Einigung, der Weg, wie Österreich frei von Atomstrom gemacht werden soll, bleibt unklar.

Vier Prozent Atomstrom in Österreich

Mittlerweile fordern Greenpeace und Global 2000 aber mehr als die Kennzeichnung von „grauem Strom“. Sie würden am liebsten die Einfuhr von Atomstrom per Gesetz verbieten, da ein freiwilliger Verzicht nicht funktioniere. Trotz eines Rückgangs betrage den NGOs zufolge der Anteil von Atomstrom in Österreich nach wie vor vier Prozent.

Nach Angaben der beiden NGOs würden nach wie vor zwei Energieversorger, der Verbund und die Kärntner KELAG, „Graustrom“ importieren. Bei dieser über Strombörsen im Ausland zugekauften elektrischen Energie sei die Erzeugungsquelle nicht nachweisbar. Ein Teil dieses Stroms stamme aus Atomkraftwerken. Der Verbund lässt diesen Vorwurf nicht gelten. Man habe keine bilateralen Verträge mit AKW-Betreibern und importiere zudem kaum Strom nach Österreich. Detaillierte Zahlen nannte das Unternehmen aber nicht.

EU: Importverbot verstößt gegen EU-Recht

Die Regierung ist sich nicht einig, wie mit Energie ohne Atomstrom umgegangen werden soll. Das Bundeskanzleramt wollte Maßnahmen finden, „die Atomstromimporte über ‚grauen Strom‘ nach Österreich vermeiden und die den Ausbau nicht nuklearer Stromproduktion europaweit unterstützen“. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) kann einem Importverbot von Atomenergie wenig abgewinnen.

Um die rechtlichen Effekte zu klären, hatte er den Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt um Stellungnahme ersucht. Dieser habe sich der Problematik aber nicht angenommen. Ein Nachfragen bei der EU-Kommission in Brüssel hingegen habe gezeigt, dass ein Verbot der Abgabe von „Graustrom“ an Endkunden in Österreich grundsätzlich gegen Unionsrecht verstoßen würde.

Für Global 2000 irritierend

Für Global-2000-Geschäftsführer Klaus Kastenhofer war die Anfrage bei der EU-Kommission ein irritierender Schritt: Es sei „höchst ungewöhnlich, die EU-Kommission vorab zu fragen“. Schließlich gelte EU-Energiekommissar Günther Oettinger nicht als Feind von Atomkonzernen, so Kastenhofer über das mögliche Motiv Mitterlehners.

Das Wirtschaftsministerium hingegen wollte ein Vertragsverletzungsverfahren vermeiden. Die Umweltschutzorganisationen sind hingegen überzeugt, dass ein Importverbot rechtlich haltbar wäre. „Wenn man eine atomfreundliche EU-Kommission nach ihrer Meinung fragt, darf man sich nicht wundern, dass eine ablehnende Antwort kommt“, so die beiden Organisationen.

Bilanzielle Unabhängigkeit von Atomstrom

Die von den NGOs geforderte Zertifizierung von „Graustrom“ liefe laut Mitterlehner „auf indirektem Weg“ auf ein Importverbot hinaus. Auch die Industriellenvereinigung zeigte sich mehr als skeptisch, für „Graustrom“ Zertifikate zu vergeben, und warnte vor einem „Schnellschuss“ und vor Mehrbelastungen für die Stromkunden. Durh die verpflichtende Kennzeichnung von „Graustrom“ in Österreich würde „in Europa keine Kilowattstunde weniger Atomstrom erzeugt“. Vielmehr würden laut IV die Länder profitieren, die die Zertifikate teuer an Österreich verkaufen und gegen einen höheren Atomstromanteil „umtauschen“.

Mitterlehner will nun den Anteil erneuerbarer Energien ausbauen und die Energieeffizienz steigern. Österreich soll dadurch bis 2014 bilanziell unabhängig von Atomstrom werden. Ein Importverbot weist der Wirtschaftsminister aber zurück. Der Prozess dürfe „kein Rechts- und Finanzabenteuer für den Standort Österreich werden“, so Mitterlehner. Für die Umweltorganisationen ist die bilanzielle Unabhängigkeit von Atomstrom „Augenauswischerei“.

Warnung vor Alleingang

Die Stromfirmen wollen den Kunden Wahlfreiheit lassen und zweifeln ebenfalls daran, dass ein Importverbot rechtlich und technisch durchführbar sei. Energieregulator E-Control und die Industriellenvereinigung wehren sich gegen einen Alleingang in Österreich, schließlich sei das Land auf einem integrierten europäischen Energiemarkt.

„Für eine komplette, transparente und verlässliche Stromkennzeichnung ist eine europäische Initiative notwendig, damit in ähnlicher Qualität wie in Österreich die Herkunft des Stroms europaweit nachvollziehbar gestaltet wird“, so E-Control-Vorstand Martin Graf.

Freiwillige Beschränkung?

Was bleibt, ist die Möglichkeit, dass sich die Energieversorger freiwillig dazu verpflichten, auf Atomstrom zu verzichten. „Dieser Vorschlag ist in Diskussion“, sagte Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP). Den Umweltorganisationen ist das aber zu wenig.

Global 2000 und Greenpeace zeigten sich nach dem Energiegipfel „einigermaßan frustriert“ und „schwer enttäuscht“. Kastenhofer kritisierte vor allem, dass Mitterlehner das Gutachten der EU-Kommission „in letzter Minute aus dem Hut gezaubert“ und bei dem Treffen „zu allem Njet gesagt“ habe. In einigen Wochen soll es jedenfalls einen weiteren Energiegipfel geben.

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