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„Das Elend muss ein Ende haben“

Zwei Jahre nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti kommt der Wiederaufbau nur schleppend voran. Alle Hoffnung, dass sich die Zustände verbessern, konzentriert sich nun auf den neuen Präsidenten Michel Martelly. Der populäre Musiker ist seit dem Sommer im Amt. Er steht vor der herausfordernden Aufgabe, aus dem Inselstaat in der Karibik ein funktionierendes Land zu schaffen.

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Haitis Präsident Michael Martelly steht vor keiner leichten Aufgabe. Schon vor dem verheerenden Erdbeben war Haiti eines der ärmsten Länder der Welt. Nun soll der 50-Jährige das von Naturkatastrophen und einer Cholera-Epidemie durchgebeutelte Land aus der Armut herausführen. Der Wiederaufbau des vom Erdbeben zerstörten Karibikstaats Haiti kommt jedoch nur schleppend in Schwung. So lautet dieser Tage das Urteil internationaler Hilfsorganisationen, die wegen des zweiten Jahrestages ihre Arbeit im Armenhaus Amerikas bilanzieren.

Haitis Präsident Martelly

Eduardo Munoz/Reuters

Vor seiner Kandidatur war Martelly als Schlagerstar bekannt. Nun soll er Haiti aus der Armut herausführen.

„Enorme Aufgaben“

„Wir erkennen die Realität der Fortschritte“, sagte der UNO-Koordinator für Humanitäre Hilfe, Nigel Fisher, „aber wir dürfen uns nicht von den enormen Aufgaben ablenken lassen, vor denen Haiti steht.“ Dazu zählen vor allem die Auflösung der überfüllten Zeltstädte, in der noch immer eine halbe Million Haitianer lebt. Zwei dieser Camps in der Stadt Petion Ville oberhalb von Port-au-Prince wurden in den vergangenen Tagen geräumt. Weitere sollen bald folgen.

Das ist jedenfalls das vorrangige Ziel der Regierung von Präsident Michel Martelly. Als dieser im Sommer 2011 sein Amt antrat, hatte er, wie er auf seiner Website erklärt, „keine Regierung, keinen Etat, keine Institutionen“, mit denen er das Land hätte regieren können. Jetzt trat er zum ersten Mal mit einer Rede vor das Parlament, das zuvor mehrmals die Bildung einer Regierung und damit auch den Beginn des geordneten Wiederaufbaus, hinausgezögert hatte.

Mittelschicht ermöglichen

Martelly forderte die Parlamentarier auf, die rechtlichen Voraussetzungen für eine „sozioökonomische Revolution“ zu schaffen, um vor allem auf dem Lande ein besseres und menschenwürdigeres Leben und die Bildung einer Mittelschicht zu ermöglichen. „Haiti, das war eine Anhäufung von internen Kämpfen, von Morden, Entführungen und der Blockade“, sagte er. „Das muss sich ändern.“

„Das Haiti des Elends, des Egoismus und der Bettelei muss verschwinden und Platz machen für ein vibrierendes, dynamisches und gerechtes Haiti“, forderte Martelly. Neben der Beseitigung der Lager und der Beschaffung von Wohnraum für die Opfer nannte er vor allem die Ausweitung der Lebensmittelproduktion als vorrangige Aufgabe. Ein Ausbruch der Cholera schuf zusätzliche Probleme.

Schlagerstar mit Dauerlächeln

Der von seinen Fans liebevoll „Sweet Micky“ genannte Martelly war vor seiner Kandidatur zur Präsidentschaftswahl vor allem als schriller Schlagerstar bekannt, der sich mit eingängigen Melodien und wiegenden Bewegungen in die Herzen seiner Landsleute sang und tanzte. Doch dank seines Optimismus und seines Dauerlächelns konnte er auch auf der politischen Bühne rasch überzeugen. Unterstützt wurde er dabei von Hip-Hop-Weltstar Wyclef Jean, der wegen seines langen Aufenthalts im Ausland selbst nicht kandidieren durfte.

Kritiker werfen dem Karnevalssänger jedoch vor, kein abgeschlossenes Studium, keinerlei politische Erfahrung und auch sonst wenig zu haben, um den Wiederaufbau zu organisieren.

„Feuerprobe für Martelly“

„Es ist eine Art Feuerprobe für Martelly und seine Regierung, die nun 100 Tage im Amt ist“, sagte ein europäischer Diplomat. „Wenn dann Erfolge sichtbar werden, werden die Menschen ruhig bleiben.“ Martelly und sein Premierminister Garry Conille wollen, dass die Haitianer ihr Schicksal selbst bestimmen und sich nicht nur auf internationale Hilfe verlassen.

Der Präsident setzt dabei auch auf die dünne Schicht der Wohlhabenden: Zwei Prozent der Haitianer kontrollierten 69 Prozent der Reichtümer des Landes, erklärte er im Kongress, ohne allerdings konkret eine Umverteilung zu fordern. Derzeit steht der Regierung eine Milliarde Dollar (781 Mio. Euro) für konkrete Projekte zur Verfügung. Dieses Geld soll in den kommenden Jahren die Bildung, den Umweltschutz, die Energieversorgung verbessern, den Rechtsstaat stärken und Arbeitsplätze schaffen.

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