Friede Springer fertigte Wulff kühl ab
Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff hat in der Kreditaffäre offenbar persönlich massiven Druck auf Journalisten ausgeübt, um Enthüllungen zu verhindern. Die Causa um eigenartig günstige Finanzierungsmodalitäten für das Wulff’sche Eigenheim hat sich damit zu einem medialen Super-GAU für Wulff ausgewachsen.
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Die „Bild“-Chefredaktion bestätigte am Montag, Wulff habe in einem Anruf bei Chefredakteur Kai Diekmann dem verantwortlichen Redakteur mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht, sollte ein Beitrag über seinen umstrittenen Kredit veröffentlicht werden. Auch beim Chef des Springer-Verlages, Mathias Döpfner, hat er demnach von einem Staatsbesuch aus interveniert - ebenso wie bei der Mehrheitsaktionärin des Verlages, Friede Springer.
„Kühle Auskunft“ von Verlagsdoyenne
Der Springer-Verlag bestätigte gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“), Wulff habe auch mit Döpfner gesprochen. Der Verlagschef habe aber auf die Unabhängigkeit der Redaktion hingewiesen. „Cicero“ (Onlineausgabe) berichtete wiederum, Wulff habe auch bei der Witwe des Verlagsgründers Axel Springer interveniert. Friede Springer soll dabei die „kühle Auskunft“ gegeben haben, dass sie keinen Einfluss auf ihre Chefredakteure zu nehmen pflege.
Die „Bild“-Zeitung machte die Kreditaffäre durch einen Bericht am 13. Dezember publik. Der Redakteur wollte Wulff die Möglichkeit zur Stellungnahme in dem Artikel geben. Das tat Wulff offenbar zuerst auch, zog seine Darstellung der Causa jedoch am 12. Dezember kurz vor Redaktionsschluss wieder zurück. Stattdessen griff er offenbar zum Hörer und versuchte, den Bericht selbst auf alle möglichen Arten zu verhindern.
„Bild“ bestätigt Interventionsversuch
Die „Bild“-Zeitung selbst bestätigte nun, Wulff habe am 12. Dezember bei Diekmann angerufen und eine längere Nachricht auf dessen Handymailbox hinterlassen. „Der Bundespräsident zeigte sich darin empört über die Recherchen zu dem Hauskredit und drohte unter anderem mit strafrechtlichen Konsequenzen für den verantwortlichen ‚Bild‘-Redakteur“, heißt es in dem Artikel.
Die „SZ“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“, Sonntag-Ausgabe) hatten zuvor berichtet, Wulff habe in dem Telefonat mit einem endgültigen Bruch mit dem Springer-Verlag gedroht, falls der Bericht gedruckt werde. Für ihn „sei der Rubikon überschritten“. Wenn die „Bild“-Zeitung „Krieg führen“ wolle, dann könne man darüber nach seiner Rückkehr sprechen. Als „Bild“ sich davon unbeeindruckt zeigte und die Geschichte brachte, ruderte Wulff zurück.
Gnadenloses Urteil in Leitartikeln
Der Deutsche Presserat wertete die Einflussnahme als sehr bedenklich. Wulff habe das Bild, das er in der Öffentlichkeit und in den Medien abgebe, selbst zu verantworten. Er habe sich mit dem Kredit angreifbar gemacht und nur auf intensive Nachfrage nach und nach informiert. Auch Journalistenverbände forderten, Prominente müssten sich eine kritische Berichterstattung als Teil der Meinungsfreiheit gefallen lassen.
Gnadenlos fiel das Urteil der Journalisten in ihren Leitartikeln der Dienstag-Ausgaben aus. Die „SZ“ resümierte, Wulff habe gezeigt, dass ihm das Amt des Bundespräsidenten zu groß sei. Die „FAZ“ befand, Wulff habe gezeigt, dass er „von allen guten Geistern verlassen worden ist“. Für die „Frankfurter Rundschau“ ist Wulff schlicht „dumm“ und habe bewiesen, dass er von Redlichkeit keine Ahnung habe. Alle Kommentatoren sind sich zudem einig: Wulff solle das Amt räumen.
Schweigen über günstigen Kredit bis zuletzt
Auslöser der Affäre ist ein Kredit über 500.000 Euro, den die Gattin eines befreundeten Unternehmers Wulff 2008 gewährt hatte. Im niedersächsischen Landtag verneinte der damalige Ministerpräsident im Februar 2010 die Frage, ob er Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmer Egon Geerkens habe. Vor knapp zwei Wochen räumte Wulff dann erstmals ein, es sei ein Fehler, damals dem Landtag den Kredit der Unternehmersgattin verschwiegen zu haben.
Einen Monat nach der Befragung im Landtag 2010 löste Wulff den Privatkredit durch ein Darlehen der BW-Bank ab. Dieses Darlehen soll weitaus günstigere Konditionen gehabt haben als üblich. In Medienberichten war von einem Zinssatz von höchstens 2,1 Prozent die Rede. Dieses Darlehen wurde durch einen neuen langfristigen Kredit der BW-Bank ersetzt. Den Vertrag dazu unterschrieb Wulff drei Tage vor Weihnachten. Der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy sagte dazu, es sei „sehr bezeichnend, dass Wulff auf seinen zinsverbilligten Kredit bei der BW-Bank erst verzichtet hat, als dieser Kredit bekanntgeworden war“.
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