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Gegen versäumte Gelegenheiten

Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann inszeniert zum Jahreswechsel: Bereits zum dritten Mal in Folge hat es sich der Herr im Haus am Ring nicht nehmen lassen, selbst die Silvesterpremiere - in diesem Jahr Woody Allens hormonell geladenes Märchen „Mittsommernachts-Sex-Komödie“ - auf die Bühne zu stellen.

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Bei Andrew (Michael Maertens) und seiner Frau Adrian (Dorothee Hartinger) läuft im Bett nicht mehr viel, obwohl der Wille dazu da wäre. Ganz anders schaut es da bei den Wochenendgästen der beiden aus: Philosophieprofessor Leopold (Martin Schwab) und seine doch um einiges jüngere Verlobte Ariel (Sunnyi Melles) geben sich frisch verliebt und bei Arzt Maxwell (Roland Koch) und der sexbesessenen Dulcy (Esmee Liliane Amuat) geht es sowieso ständig rund.

vlnr. Roland Koch als "Maxwell", Liliane Amuat als "Dulcy", Martin Schwab als "Leopold", Sunnyi Melles als "Ariel", Michael Maertens als "Andrew" und Dorothee Hartinger als "Adrian"

APA/Andreas Pessenlehner

Wer träumt nicht von lauen Sommernächten?

„Sex löst die Spannung, Liebe verursacht sie“

Im Dickicht der verwunschenen Bühne von Bühnenbildner Stephane Laime bleiben die Paarkonstellationen nicht lange in der Form erhalten - erweist sich doch Ariel als die Jugendliebe von Andrew und Maxwell als Ex-Affäre von Adrian. Der eitle Leopold verfällt derweil der jungen Dulcy und so spielen die sechs Bäumchen-wechsel-dich für Erwachsene, verirren sich in Sehnsüchten nach alten Lieben und der Ekstase neuer Affären.

Postkoital widerlegen sich dann die Theorien der vorher noch so abgeklärten Männer: Sei es die von Frauenheld Maxwell, wonach „Heirat den Tod der Hoffnung bedeutet“ (es könne ja immer etwas Besseres nachkommen) oder die von Adrian, der dachte, versäumte Gelegenheiten ließen sich nachholen. Und Leopold muss - nachdem ihn der außer(vor)eheliche Sex ins Grab gebracht hat - am eigenen Leib erkennen, dass es die von ihm so vehement geleugneten Geister doch gibt.

Arthur Schnitzler und Sigmund Freud lassen grüßen

Allens Komödie, inspiriert von Shakespeare und angelehnt an Ingmar Bergmanns „Das Lächeln einer Sommernacht“, spielt um die Jahrhundertwende und strotzt nur so vor Fin-de-siecle-Motiven. Ein Liebesreigen a la Schnitzler, Freudsche Sexualtheorien über unterbewusste Wünsche, verdrängte Sehnsüchte und unterdrückte Triebe mischen sich zu einer lockerleichten Komödie in der ein Bonmot das nächste jagt.

Trotzdem ist die „Mittsommernachts-Sex-Komödie“ keiner von Allens besten Filmen, verhältnismäßig belanglos und oberflächlich empfand man ihn im Kontext mit seinen früheren Werken. Hartmanns Inszenierung kann daran auch nicht viel ändern - probiert es vielleicht auch gar nicht -, wartet aber mit einer Besetzung auf, mit der man nicht viel falsch machen kann.

Maertens und Melles als Allen und Farrow

Maertens und Melles schlüpfen in die Rollen, die der Experte für Liebe und Neurosen sich und seiner damaligen Frau Mia Farrow auf den Leib geschrieben hat. Was bei Shakespeare die schöne Helena ist, ist bei Allen die männermordende Ariel - und am Burgtheater Melles, die in ihrer Elfenhaftigkeit mit ihrem grandiosen Talent zur komischen Outrage neben den Männern auf der Bühne gleich das Publikum mit einfängt.

Ähnliches gilt auch für Maertens, der unverkennbar den Allen gibt, ohne ihn dabei plump zu kopieren. Auch Koch als Don Juan und Schwab als Schubert-Lieder-singender Philosoph schenken sich nichts im Kampf um die Frauen. Diese wiederum sind im Stück die viel weniger Verwirrten - denn während die Männer wie die Esel durchs Dickicht schleichen und über die Liebe lamentieren, wird zwischen den Frauen Praktisches zum Thema Sex erörtert.

Hinweis

„Eine Mittsommernachts-Sex-Komödie“ ist im Burgtheater am 1., 4., 13., 20., 21. und 25. Jänner sowie am 10., 19., 21. und 23. Februar zu sehen.

Denn nicht nur Ariel hat ihre Erfahrungen mit „eigentlich allen“ Männern, auch Dulcy ist trotz ihrer Jugend sexuell höchst aufgeschlossen. Zum Glück für Adrian, deren Liebesnöte Hartinger voller Inbrunst auslebt.

Der Stoff, aus dem die Märchen sind

Hartmanns Inszenierung ist schnörkellos und klassisch. Er lässt das Stück in der Zeit, in der auch Allen den Stoff angesiedelt hat. Die Kostüme von Tina Kloempken - luftige Kleidchen, blumige Röcke und helle Anzüge - sind mindestens genauso dafür angetan, die märchenhafte Abgehobenheit der Gesellschaft zu vermitteln wie Laimes Zaubergarten.

Trotzdem: Nicht alles an der Inszenierung wirkt ganz fertig (inklusive textlicher Unsicherheiten am Premierenabend quer durch das Ensemble), vieles hätte Potential für mehr geboten. Doch der Abend vergeht wie im Flug - zweieinviertel Stunden dauert die „Mittsommernachts-Sex-Komödie“, die vermutlich nicht nur zu Jahreswechsel und quasi im Epizentrum des Böller-Sekt-Musikspektakels der Stadt für eine willkommene Entführung in eine andere Welt sorgt. Gelacht wurde am Premierenabend am laufenden Band, viel Applaus gab es zum Schluss für das gesamte Ensemble und die Regie.

Sophia Felbermair, ORF.at

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