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Ermittlungen laufen seit Jahren

Die Privatisierung der rund 62.000 Bundeswohnungen (BUWOG) beschäftigt seit Jahren die Justiz. Im Fokus steht dabei die Zahlung von Provisionen von fast zehn Millionen Euro an die Vertrauten von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger und Peter Hochegger.

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Der Verkauf der Wohnbaugesellschaften des Bundes im Jahr 2004 war einer der größten Immobiliendeals in Österreich.

Juli 2000: Der FPÖ-nahe Wiener Immobilienmakler Ernst Karl Plech löst den sozialdemokratischen Budget-Sektionschef Gerhard Steger als Aufsichtsratspräsident der BUWOG ab, auch Michael Ramprecht, damals Referent im Finanzministerium, zieht neu in den Aufsichtsrat ein. Die SPÖ ortet „Freunderlwirtschaft“ durch den damals neuen Finanzminister Karl-Heinz Grasser.

September 2000: Das Finanzministerium rechnet im Rahmen eines Plans zur Drosselung des Budgetdefizits mit Erlösen von 25 bis 30 Milliarden Schilling (bis zu 2,18 Mrd. Euro) aus dem Verkauf von Bundeswohnungen. Im Besitz des Bundes stehen sechs Wohnungsgesellschaften mit rund 60.000 Wohnungen.

Juni 2001: Die Republik bietet 39.000 Bundeswohnungen den Mietern zum Verkauf an - bis Jahresende melden sich nur 500 Mieter. Grasser lässt daraufhin die Privatisierung international ausschreiben.

September 2002: Die US-Investmentbank Lehman Brothers erhält den Auftrag zur Durchführung der Privatisierung der Bundeswohnungen und kassiert dafür 10,6 Mio. Euro.

April 2003: Die geplante Privatisierung beschäftigt das Parlament: Die SPÖ verweist auf eine Summe von fast zehn Mio. Euro für Beraterkosten.

Juli 2003: Der Nationalrat genehmigt den Verkauf der 62.000 Wohnungen, sie sollen „bestmöglich“ verkauft werden.

September 2003: Der Rechnungshof (RH) beanstandet die Vorbereitungen zum Verkaufsprozess.

Oktober 2003: Das Finanzministerium bestätigt rund 30 Interessenten für die Bundeswohnungen.

November 2003: Nach einer Reihe von parlamentarischen Anfragen sprechen Grüne und SPÖ von Entscheidungen unter Freunden und Begünstigung im Verlauf des Verkaufsprozesses. Die SPÖ will die Staatsanwaltschaft einschalten. Das Finanzministerium spricht dagegen von einem „transparenten“ und vorbildlichen Privatisierungsprozess.

Von ursprünglich mehr als 20 Interessenten reduziert sich das Verkäuferfeld auf zuletzt drei Interessenten (Austro-Konsortium, CA Immo, Blackstone/conwert).

15. Juni 2004: Die Republik verkauft die BUWOG an ein „Austro-Konsortium“ (Raiffeisen Landesbank OÖ, Immofinanz, Wiener Städtische/VIG, Oberösterreichische Landesbank und Oberösterreichische Versicherung) um 961 Mio. Euro. Die CA Immo bot knapp weniger mit 960 Mio. Euro.

SPÖ und Grüne fordern eine Rechnungshofprüfung: Die SPÖ kritisiert eine Doppelrolle des BUWOG-Aufsichtsratschefs Plech, der auch als Makler der Immofinanz, einem Mitglied des Käuferkonsortiums, tätig geworden sei.

März 2007: Der RH kritisiert den Verkauf der BUWOG: Die Regierung habe es nicht geschafft, mehr zu erlösen, als die Wohnungen nach ohnedies sehr konservativen Schätzungen wert waren. Die Immofinanz verteidigt die Wertsteigerung der 2004 erworbenen Wohnungen und betont, der Zuschlag sei nach „hartem Bieterwettbewerb“ erfolgt.

November 2008: Bei der Immofinanz-Gruppe der Constantia Bank finden Hausdurchsuchungen statt. Anlass ist der Verdacht auf Untreue und Betrug.

März 2009: Die angeschlagene Immofinanz verkauft die BUWOG an ihre Osttochter Immoeast.

September 2009: Die Immofinanz-Ermittlungen bringen die Justiz auf eine neue Spur: Bei einer Einvernahme berichtet der frühere Immoeast-Finanzchef Christian Thornton, er habe im Auftrag des damaligen Immofinanz-Chefs Karl Petrikovics in Tranchen insgesamt 9,61 Mio. Euro an eine Firma des PR-Unternehmers Hochegger auf Zypern gezahlt. Es sei ein Erfolgshonorar für Hocheggers Tätigkeit im Rahmen der BUWOG-Privatisierung gewesen, dafür seien fiktive Rechnungen und Honorarnoten erstellt worden.

Daraufhin erstatten Hochegger und der frühere FPÖ-Politiker und Grasser-Trauzeuge Meischberger Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung. Sie hatten die 9,6 Mio. Euro-Provision der Immofinanz nicht versteuert. Hochegger soll 20 Prozent, Meischberger 80 Prozent der Provision erhalten haben.

Oktober 2009: Die grüne Abgeordnete Gabriela Moser übermittelt der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung mit Vorwürfen gegen Grasser. Später soll ein Zeuge, früher leitender Mitarbeiter in Grassers Kabinett, diesen bei der Staatsanwaltschaft schwer belastet haben. Grasser habe demnach den Privatisierungsprozess zugunsten der Immofinanz beeinflusst. Später stellt sich heraus, dass es sich um Michael Ramprecht handelt. Grasser klagt Ramprecht wegen Übler Nachrede, dieser wird - nicht rechtskräftig - verurteilt.

Hausdurchsuchungen werden bei Meischberger, Hochegger sowie in den Räumen der Firma Valora Solutions durchgeführt. Valora Solutions war die ehemals gemeinsam betriebene PR-Firma von Meischberger, Hochegger und Grasser. Bei Grasser wird keine Hausdurchsuchung durchgeführt. Grasser erklärt, er habe ein „supersauberes“ Gewissen, die Privatisierung sei sauber und einwandfrei über die Bühne gegangen.

November 2009: Grasser beklagt, dass er noch nicht einvernommen wurde: „Keiner will was von mir wissen.“

Jänner 2010: Die Ermittlungen werden auf den Immobilienmakler Plech ausgedehnt. Kurz darauf werden in Österreich und Liechtenstein 15 Hausdurchsuchungen durchgeführt, darunter auch bei Plech.

Der frühere RH-Chef Franz Fiedler bemerkt zur Rolle Grassers, der habe „die legalen Möglichkeiten, die sich ihm geboten haben, voll ausgeschöpft“ und sei „bis an die Grenze gegangen“. Manchmal habe man sich die Frage gestellt, „ob er nicht die Grenze schon überschritten hat“. Später fordert Fiedler einen Untersuchungsausschuss zur BUWOG-Affäre.

Mai 2010: Grasser legt bei einer Pressekonferenz ein geheimes Protokoll des parlamentarischen RH-Unterausschusses vom November 2003 vor, das ihn entlasten soll. Schon damals sei das Verfahren zur Auswahl der Investmentbank, die die Privatisierung begleitete, geprüft worden. Der ihn nun belastende Ramprecht habe damals die Entscheidung für Lehman Brothers verteidigt.

Die SPÖ wirft Justizministerin Claudia Bandion-Ortner vor, die Ermittlungen gegen Grasser durch Vorhabensberichte zu verzögern, die Ministerin weist die Vorwürfe zurück. Die ÖVP solle die „schützende Hand“ von Grasser nehmen, fordert SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter.

Juni 2010: Meischberger soll für seine Provision Steuerbefreiung beantragt haben, weil alle Vorgänge rund um die BUWOG-Privatisierung steuerfrei gestellt worden seien.

Juli 2010: Gegen Grasser wird auch wegen des Verdachts auf Untreue bei der Auswahl der Investmentbank für den BUWOG-Verkauf ermittelt. Mitte Juli wird Ramprecht wegen Übler Nachrede gegen Grasser nicht rechtskräftig zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Dass Grasser die BUWOG-Privatisierung beeinflusst haben soll, sei nicht erwiesen, es gebe nur Spekulationen, befand das Gericht.

Grasser klagt den grünen Abgeordneten Peter Pilz wegen Übler Nachrede. Vom Glücksspielkonzern Novomatic seien insgesamt 450.000 Euro an den Grasser-Freund Meischberger geflossen, davon 330.000 Euro über die Gesellschaft Valora, an der Grasser nach seinem Ausscheiden als Finanzminister beteiligt gewesen sei, hatte Pilz im Mai unter Berufung auf Einvernahmeprotokolle Meischbergers vor der Staatsanwaltschaft erklärt. Novomatic weist die Vorwürfe als „nicht nachvollziehbar und unschlüssig“ zurück.

August 2010: Grasser bestätigt ein Treffen mit Meischberger und Plech im Oktober 2009, er habe aber nur Meischbergers Anwalt geschildert, dass, was seine Seite betreffe, alles „supertransparent“ abgelaufen sei.

2. September 2010: Die Staatsanwaltschaft Wien vernimmt Grasser erstmals zu den Themen BUWOG und Novomatic.

21. Dezember 2010: Die Wochenzeitung „Falter“ veröffentlicht Auszüge aus den Telefonprotokollen zwischen Meischberger und Grasser. Darin kann sich Meischberger nicht einmal erinnern, was er für mehrere hunderttausend Euro an Beraterprovision überhaupt gemacht hat. In Gesprächen mit Grasser und dem Immobilienmakler Plech lässt er sich die Zusammenhänge erklären. Einmal fragt Meischberger seinen Geschäftspartner Plech: „Wos woar mei Leistung?“

3. Februar 2011: Weitere Details über Gespräche zwischen Grasser und Meischberger werden bekannt. Das Dokument wurde von den Grünen in einer parlamentarischen Anfrage an (die damalige) Justizministerin Claudia Bandion-Ortner veröffentlicht. In dem Telefonat besprechen Meischberger und Grasser das Angebot eines Staatspolizisten, gegen 5.000 Euro Informationen zum BUWOG-Verfahren zu beschaffen. Das Telefonat wurde am 28. Jänner 2010 geführt.

2011: Grasser wird von den Ermittlern der Staatsanwaltschaft Wien laufend „in der Strafsache BUWOG“ befragt.

März 2011: Die Immofinanz bringt eine Schadensersatzklage gegen Ex-Vorstände und Aufsichtsratsvorsitzende ein. Karl Petrikovics, Norbert Gertner und Helmut Schwager wird vorgeworfen sich über Optionen auf Kosten von Tochtergesellschaften der Privatbank bereichert zu haben. Die Immofinanz forderte eine Schadenswiedergutmachung in Höhe von 11,4 Mio. Euro.

18. August 2011: Das Magazin „Format“ berichtet, dass Grasser von der Justiz monatelang abgehört wurde. Demnach fand der Lauschangriff im Vorfeld der ersten Grasser-Einvernahmen im Herbst 2010 statt. Auch die Mitbeschuldigten in der BUWOG-Causa, Grassers Trauzeuge Meischberger und der Immobilienmakler Plech, wurden demnach observiert.

26. September 2011: Hochegger wurde von der Staatsanwaltschaft Wien zur Telekom- und BUWOG-Affäre elf Stunden einvernommen.

28. September 2011: Die Immofinanz kündigt eine Klage gegen Hochegger und Petrikovics auf Rückabwicklung eines „Scheingeschäfts“ bzw. auf Schadenersatz an.

30. September 2011: Alle fünf Parlamentsparteien einigen sich auf einen Untersuchungsausschuss zu Affären im staatsnahen Bereich. Dabei soll auch auch die Causa BUWOG untersucht werden.

17. November 2011: Laut „Format“ gibt es Hinweise, dass ein Liechtensteiner Konto, auf dem Teile der BUWOG- und Porr-Provision gelandet waren, Grasser zuzurechnen sei.

28. November 2011: Grasser weist Vorwürfe in Zusammenhang mit der BUWOG-Privatisierung erneut zurück.

19. Dezember 2011: Das Medienverfahren Grasser gegen Michael Ramprecht wird auf den 20. Februar vertagt.

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