„Bio“ kann auch aus China sein
„Bio“ ist nicht immer gleich „Bio“. Ein Großlandwirt, der nur einen Teil seines Betriebs biologisch bewirtschaftet, darf seine Produkte laut EU ebenso als biologisch verkaufen wie ein kleiner, gänzlich nach ökologischen und nachhaltigen Interessen ausgerichteter Betrieb. Die EU-Vorschriften entsprechen nicht immer dem Bild, das Konsumenten von der Bioproduktion haben.
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Bernd Eberle, Gründer der gleichnamigen, auf Biowaren spezialisierten Werbeagentur, sagte gegenüber ORF.at, dass es zwar nur „wenige schwarze Schafe“ gebe, die Schindluder mit „Bio“ treiben - wie es etwa kürzlich in Italien der Fall war. „Bio“ entspricht aber nicht automatisch immer der Bauernhofidylle, die den Konsumenten durch Werbespots mit glücklichen, sprechenden Ferkeln suggeriert werden.
„Biene kann man nicht vorschreiben, wo sie hinfliegt“
Die EU schreibt im Wesentlichen vor, dass keine synthetischen Pflanzenschutz- und Düngemittel verwendet werden sowie gentechnisch veränderte Organismen verboten sind. Tiere müssen „artgerecht“ und in Freilauf- und Freilufthaltung aufgezogen werden, und sollten, wenn möglich, hofeigenes (Bio-)Futter erhalten.

APA/dpa/David Ebener
Auch für einen Bioapfel kann der Weg bis ins Supermarktregal weit sein
Der Bioapfel im Supermarkt stammt da nicht zwangsläufig aus dem kleinen Obstbetrieb im Nachbarort. Der große Bedarf wird in vielen Bereichen durch Importe gedeckt. „Es gibt auch Bioanbau auf Großflächen in China“, so Eberle. Hinzu kommen auch Schwierigkeiten, die sich durch die immer stärkere Verbreitung von Gentechnik fast nicht vermeiden ließen: So wurden etwa in einem Biohonig aus Südamerika kürzlich gentechnisch veränderte Pollen entdeckt. „Der Biene kann man ja nicht vorschreiben, wo sie hinfliegt“, so Eberle weiter.

Eberle Werbeagentur
Aus Bernd Eberles Sicht hat der „Hardcore-öko“-Look bei Bioprodukten ausgedient. Bio ist jetzt schick.
EU-Vorschriften gehen vielen nicht weit genug
Jene Konsumenten, die „mehr Bio“ wollen, müssten auf Lebensmittelzertifizierungen zurückgreifen, die die EU-Vorgaben lediglich als Mindestvorschriften sehen. Die 13.000 Mitgliederbetriebe des Vereins Bio Austria zum Beispiel gehen weiter, als es die EU verlangt, beschreibt Kommunikationsleiter Lothar Greger.
So sind etwa strengere Regeln beim Düngen, Weiterbildungen für Betriebsleiter, das Verbot von importierten Futtermitteln und das Verbot von Fischmehl als Futtermittel einige der Kriterien, an die sich die Mitglieder des Verbands halten müssen. Mehr Auslauf für die Tiere und eine starke Einschränkung bei der Verwendung von Zusatzstoffen in der Lebensmittelverarbeitung lassen diese Betriebe schon eher dem Bauernhofidyll entsprechen.
Preisdifferenz oft gar nicht so groß
Für die Vorteile, die „Bio“ bietet, sind Konsumenten bereit, sieben bis zehn Prozent höhere Preise zu zahlen. Ulrich Hamm, Fachgebietsleiter des Instituts für Ökologische Agrarwissenschaften an der Universität Kassel, hat in mehreren Studien die Produktpolitik in Deutschland untersucht. Seine Ergebnisse zeigen, dass die Preise von Bioprodukten in vielen Fällen gar nicht oder nur um wenige Prozentpunkte höher sind als die von herkömmlichen Produkten im oberen Preissegment. Milch, Fruchtmüsli und Spaghetti etwa waren in der Biovariante billiger als der Durchschnitt der 25 Prozent teuersten konventionellen Artikel.
Dass Bioprodukte teurer sind als konventionelle liegt daran, dass einerseits die Erträge bei der Bioproduktion niedriger sind und auf der anderen Seite die Kosten in der gesamten Wertschöpfungskette höher sind, sagte Hamm gegenüber ORF.at. So ist etwa das Futter für Tiere teurer und sind Transportkosten für Naturkostläden aufgrund ihrer geringeren Standortdichte höher als bei konventionellen Supermärkten.
Diskonter haben „nur die Renner“
Der verstärkte Verkauf von Biolebensmitteln in (Diskont-)Supermärkten hat in den vergangenen Jahren aber auch innerhalb der Branche einen Preiskampf entfacht. Supermärkte und Diskonter haben gegenüber Naturkostläden entscheidende Preisvorteile: Bei ihnen fallen zumindest die Transportmehrkosten in der Regel weg, so Hamm: „Die liefern die Bioprodukte im selben Lkw mit den anderen Lebensmitteln.“ Das ist unter anderem auch ein Grund, warum Diskonter ihre Bioprodukte im Vergleich zu Reformhäusern und Bioläden zu deutlich günstigeren Preisen anbieten können.
Milch muss für viele „Bio“ sein
Mehr als eine Milliarde Euro an Umsatz wird in Österreich bereits mit Biolebensmitteln gemacht. 6,4 Prozent aller Frischeeinkäufe 2011 waren „Bio“. Am liebsten kaufen Österreicher Milchprodukte sowie Erdäpfel und Eier in Bioqualität.
Dazu kommen noch andere Faktoren: „Diskonter haben ein eingeschränktes Sortiment an Bioprodukten. Da sind nur die Renner drin“, so Hamm. Diese verkauften sich schnell, weshalb es auch kaum zu Schwund durch verdorbene Ware komme und die Lagerkosten viel geringer seien. Zudem profitiere man von einer viel höheren Kundenfrequenz.
Größere Auswahl bedeutet mehr Kosten
In speziellen Biofachgeschäften hingegen geht das Sortiment viel mehr in die Breite, statt einer Sorte Biojoghurt werden vielleicht sogar fünf angeboten. „Mit einer größeren Auswahl explodieren auch schnell die Kosten“, die Umschlagsgeschwindigkeit geht zurück. Auch die Standortkosten spielten eine Rolle: Reformhäuser und Bioläden sind oft in Städten angesiedelt, große Diskonter hingegen tendenziell am Stadtrand oder außerhalb davon. Zudem fallen durch persönlichere Betreuung höhere Personalkosten an.
Das unterschiedliche Produktangebot lockt freilich auch eine andere Klientel an: Diskonter und Supermärkte haben großteils Gelegenheitsbiokäufer. „Das sind die Menschen, die Bio zwar besser finden, diese Produkte aber nur bis zu einem gewissen Preis kaufen“, so Eberle. Laut Hamm merken Supermärkte aber dadurch auch eher Schwankungen durch wirtschaftliche Unsicherheiten.
Naturkostläden unberührt von Krise
Anders ist das beim viel kleineren Teil der Intensivkonsumenten, die verstärkt in den Fachgeschäften einkaufen. In Deutschland sei der Biomarkt durch eine hohe Anzahl solcher Intensivkunden „vollkommen krisenfest“. Die Naturkostläden „spüren fast nichts“ von der schwierigen Wirtschaftssituation, so Hamm. „Die Konsumenten sind so überzeugt, dass alles andere egal ist, sie sparen lieber beim Auto oder sonst wo.“
„Hardcore“-Ökoverpackung hat ausgedient
Einen starken Wandel haben Bioprodukte in den vergangenen Jahren vor allem in ihrem Design erfahren. Eberle, dessen Agentur in Deutschland einige der größten Biomarken vertritt - darunter Alnatura und Weleda - beschreibt, dass Bioartikel vor etwa zehn Jahren „noch typisch Bio“ ausgesehen haben. Eingehüllt in Packpapier waren die Produkte sowohl vom Design als auch von der Klientel her noch „hardcore-öko“. Danach kam eine Phase, in der sich das Design sehr stark an jenem der konventionellen Produkte orientierte.
Nun, so Eberle, sei aber eine dritte Phase im Entstehen, in der sich das Design von den konventionellen Artikeln loslöst: „Die Marken erkennen, dass sie in ein einzigartiges Markenbild investieren müssen.“ Auch die Segmentierung innerhalb der Produktpalette werde wichtiger - so gibt es etwa höherpreisige Produktlinien mit eigenen Premiumverpackungen.
Petra Fleck, ORF.at
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