Das Erbe der „roten Fini“
Im zwei Jahrzehnte langen Streit um verschwundene DDR-Millionen ist die Bank Austria am Freitag mit ihrer Berufung durchgekommen. Die Bank war im März 2010 in der Schweiz in zweiter Instanz zu einer Entschädigungszahlung von rund 245 Mio. Euro verurteilt worden. Dagegen hatte die Bank berufen.
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Das Schweizer Kassationsgericht habe der Berufung stattgegeben, das Urteil zugunsten der Bank Austria seitens des Obergerichts des Kantons Zürich vom 25. März 2010 widerrufen und den Fall an das Obergericht des Kantons Zürich zur neuen Verhandlung zurückverwiesen, teilte die Bank am Freitag mit. Das bedeutet, dass die Bank zunächst nicht zahlen muss. Im Umfeld der Bank Austria war gegenüber der APA von einem Etappensieg die Rede.
Jahrzehntelanger Streit um DDR-Millionen
Hinter dem Urteil versteckt sich ein jahrelanger erbitterter Rechtsstreit zwischen der DDR-Nachlassverwalterin Treuhandgesellschaft bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin, der deutschen Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), und der Bank Austria. Im Zentrum des Falls steht die Wiener Unternehmerin Rudolfine Steindling, die „rote Fini“, in den 60er Jahren KPÖ-Mitglied und -Treuhänderin. Sie hatte in den 70er und 80er Jahren Millionen in Ostdeutschland verdient und über die Österreichische Länderbank (später Bank Austria) „gewaschen“.
Nach dem Mauerfall und den Anfängen der deutschen Einheit setzte sie ein imposantes Geldtransfersystem in Gang, bei dem 1,7 Milliarden Schillinge so lange auf diverse Banken überwiesen wurden, bis sich die Spuren verloren hatten. Später konnten von den geschätzten 255 Mio. Euro nur noch 125 Mio. Euro sichergestellt werden. Daraufhin begann ein jahrzehntelanger Rechtsstreit darüber, wem die verschwundenen 130 Mio. Euro zustehen und wer für ihren Verlust aufkommen soll.
Drehscheibe des Geldkarussells war Steindlingers Hausbank, die damalige Länderbank. Immer wieder soll sie dort große Barbestände abgeholt und auf andere Banken verteilt haben, wie das „profil“ 2010 berichtete. Im März 2010 wurde die Rechtsnachfolgerin der Länderbank, die Bank Austria, zu Entschädigungszahlungen verurteilt. Neben den rund 130 Mio. Euro fielen noch Zinsen zurück bis ins Jahr 1994 an. Damit belief sich der Streitwert auf 245 Mio. Euro.
Die prominenten Kunden der „roten Fini“
Bei dem Geld handelt es sich um das Vermögen der ehemaligen DDR-Handelsgesellschaft Novum und deren Tochtergesellschaft Transcarbon. Wer damals aus dem Westen in der DDR Geschäfte machen wollte, war gezwungen, Zwangsprovisionen an die Novum zu zahlen. Novum-Chefin Steindling vertrat damals Firmen wie Bosch, Ciba-Geigy, voestalpine und Steyr-Daimler-Puch in der DDR und brachte es allein in den 80er Jahren auf Provisionseinnahmen in Höhe von Hunderten Millionen Schilling, wie der deutsche Journalist Andreas Förster in seinem Buch „Auf der Spur der Stasi-Millionen“ auflistete.
Erstes Urteil zugunsten der KPÖ
1992 wurde Novum von der DDR-Treuhandgesellschaft konfisziert, die in der Novum ein mit der SED verbundenes Unternehmen sah, weshalb das Geld der Bundesrepublik zustehe. Aber auch die KPÖ erhob Rechtsanspruch. Ein jahrelanger Rechtsstreit entbrannte. Das Verwaltungsgericht Berlin erklärte schließlich in erster Instanz die KPÖ zum rechtmäßigen Besitzer von Novum. Wäre das Urteil schlagend geworden, wäre die KPÖ zur reichsten Partei Österreichs geworden.
Doch so schnell wollte Deutschland nicht aufgeben. Unter Bundeskanzler Helmut Kohl richtete die BvS eine Sondertruppe zum Aufspüren verschwundener DDR-Gelder ein. Im September 2006 widerrief dann das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe das Berliner Urteil und erklärte, dass Novum und ihr Vermögen SED-Eigentum waren und somit das Geld an die Bundesrepublik gezahlt werden muss. Damit war klar, wem das Geld zusteht - nicht aber, wer dafür aufkommen muss.
Sorgfaltspflicht verletzt
Darüber wurde in der Schweiz Prozess geführt. Aber solange die Rechtsklärung in Deutschland lief, ruhte das Verfahren in der Schweiz und wurde erst 2005 wieder aufgenommen. Das Zürcher Gericht kam zunächst zu dem Urteil, dass die Bank Austria damals ihre gesetzliche Sorgfaltspflicht verletzt habe. Sie hätte wissen müssen, dass über die Millionen nur mit Einwilligung der Treuhandanstalt verfügt werden durfte.
Zudem hätte sie wegen der Umstände der trickreichen Transfers Verdacht schöpfen müssen. Wäre der Berufung nicht stattgegeben worden, hätte die Bank das Geld aus eigener Kasse zahlen müssen. Daran ändert auch das neue Besitzverhältnis nichts. 2007 wurde die Bank Austria von der italienischen UniCredit übernommen. Sie kämpft nun als Rechtsnachfolgerin gegen mögliche Strafzahlungen.
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