Informanten mit „rassistischen Idealen“
In Deutschland sollen bis zu hundert V-Leute in der rechtsextremen NPD aktiv sein. Das berichtet der „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Donnerstag-Ausgabe) unter Berufung auf Berliner Sicherheitskreise. Die Zahl liege „im oberen zweistelligen Bereich“ und damit noch höher als 2003, als bis zu 15 Prozent der Mitglieder in Landes- und Bundesvorständen der Nationaldemokraten für den Staat spitzelten.
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Diese „nennenswerte Zahl“ sei in führenden Koalitionskreisen bestätigt worden, heißt es in dem Bericht weiter.
NPD-Verbotsverfahren 2003 gescheitert
Seit durch den Selbstmord von zwei Neonazis eine für Deutschland bisher beispiellose Neonazi-Terrorserie aufgeflogen ist, sieht sich der Verfassungsschutz des Landes mit einer Reihe offener Fragen konfrontiert. Zur Debatte steht nicht nur, warum die mutmaßlichen Täter über Jahre unbemerkt bleiben konnten. Auch die Praxis, die Szene mit V-Leuten zu durchleuchten, steht auf dem Prüfstand.
Bei V-Leuten handelt es sich nicht um Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden, sondern vielmehr um Szeneangehörige. Deren Einsatz gilt in Geheimdienstkreisen zwar als alternativenlos, er birgt aber auch erhebliche Risiken: So scheiterte 2003 das Verbotsverfahren gegen die NPD an der Vielzahl von V-Leuten, die der Verfassungsschutz in der rechtsextremen Partei unterhielt. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte das zum Anlass genommen, das Verbot gar nicht erst zu prüfen. Beweismittel für die Verfassungswidrigkeit der Partei wären vor Gericht daher nicht verwendbar gewesen.
„Effizienz ist nicht Maßgabe“
Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stellte bereits offen infrage, warum die als „Döner-Morde“ bekanntgewordene Anschlagserie für Jahre nicht als rechtsextremistischer Terror erkannt wurde. Doch nicht nur der Vorwurf des Versagens und der Schlamperei haftet derzeit an den Verfassungsschutzbehörden. Zu klären gilt es auch, ob und inwieweit Verbindungen zwischen Geheimdienstlern beziehungsweise deren V-Leuten zu den mutmaßlichen Tätern bestanden.
Neonazi-Experte im FM4-Interview
FM4 hat mit dem freien Journalisten und Rechtsterrorismusexperten Johannes Radke gesprochen, der sagt:
„Der Verfassungsschutz spielt da wirklich eine ganz zwielichtige Rolle, und es gibt hier sehr, sehr viele Fragen. Das fängt schon damit an, dass der Chef vom ‚Thüringer Heimatschutz‘, also jener Nazigruppe, in der die Täter aktiv waren, bevor sie in den Untergrund gegangen sind, nachweislich für den Verfassungsschutz als Spitzel gearbeitet hat.“ - mehr dazu in fm4.ORF.at.
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Der Fraktionschef der Union, Volker Kauder, stellte beim CDU-Parteitag in Leipzig jedenfalls bereits offen den Einsatz von V-Leuten infrage. „Ein Instrument, das uns nichts bringt, das brauchen wir auch nicht“, wird Kauder in der „Welt“ zitiert. Effizienz sei „nicht unbedingt eine Maßgabe für Undercover-Amtshandlungen“, wird in diesem Zusammenhang auch vom „Spiegel“ kritisiert.
SPD erwägt U-Ausschuss
Auch aus Sicht der SPD müsse das System der V-Leute auf den Prüfstand. Erwägt werde, die Arbeit der Geheimdienste durch einen Untersuchungsausschuss überprüfen zu lassen. Laut SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) sei es jetzt allerdings noch zu früh, um über die Einsetzung eines solchen Gremiums zu entscheiden. Zunächst müsse weiter geklärt werden, „ob es überhaupt Bezüge zwischen Fehlleistungen, Nichtleistungen, Irrlichtern einiger Verfassungsschutzämter“ und dem Bund gebe.
Allerdings gebe es bereits jetzt deutliche Hinweise darauf, dass der Einsatz von V-Leuten nicht zu mehr Sicherheit geführt habe, sondern „die Vielzahl an V-Leuten in der rechtsextremen Szene sogar das Gegenteil bewegt“, so Steinmeier.
Grüne: Brisante Info nicht weitergegeben?
Problematisch sei, dass die Informanten „sehr häufig rassistische Ideale haben“, so Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Aus diesem Grund „werden natürlich nicht die wirklich brisanten Informationen weitergegeben - und ich fürchte, hier ist das auch so gewesen“, so Ströbele. „Das Schlimmste“, so Ströbele weiter, wäre nun, „wenn die Arbeit dieser nationalsozialistischen Untergrundgruppe gedeckt worden wäre“.
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