Aufständische immer selbstbewusster
Ein Militärrat und „Gerichte der Revolution“: Die Aufständischen in Syrien organisieren ihren Widerstand gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad immer professioneller. Die vor allem aus Deserteuren bestehende „Freie Armee Syriens“ schreckt auch vor gewagten Angriffen nicht mehr zurück.
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Deserteure griffen nach Angaben der Opposition eine Militäreinrichtung nahe der Hauptstadt Damaskus mit Raketen und Granaten an. Wie die örtlichen Koordinierungskomitees am Mittwoch mitteilten, handelte es sich um ein Zentrum des Geheimdienstes des syrischen Militärs. Der Angriff in Harasta gilt als bisher bedeutendster Schlag der Aufständischen.
Attacke mit hohem Symbolwert
Schon bisher hatten die Aufständischen eine Reihe kleinerer Attacken durchgeführt, die Aktion der „Freien Armee Syriens“ stellt nach Einschätzung von Beobachtern aber eine neue Qualität dar. Bisher hätten die bewaffneten Gruppen eher defensiv agiert. Zudem handelt es sich bei der Einrichtung in Harasta um einen Stützpunkt des Geheimdienstes der Luftwaffe - eine der gefürchtetsten Institutionen bei der Unterdrückung der Proteste. Auch die Nähe zur Hauptstadt Damaskus, die von den Auseinandersetzungen bisher weitgehend verschont worden war, zeigt, dass die Aufständischen mittlerweile furchtloser agieren.
Laut den Berichten beschossen die Deserteure den Stützpunkt mit Panzerabwehrraketen. Anschließend sei es zu einem Schusswechsel mit den Soldaten des Regimes gekommen. Dabei seien sechs Soldaten der Regierungstruppen getötet und mehr als 20 weitere verletzt worden. Anderen Quellen zufolge gab es allerdings keine Opfer.
15.000 Mann starke Truppe?
Die Entwicklungen würden von Stunde zu Stunde ernster, kommentierte die BBC den Angriff. Und er zeige auch, dass sich der Konflikt immer mehr in Richtung Bürgerkrieg entwickle. Die „Freien Armee Syriens“ ist eine Einheit oppositioneller und desertierter Streitkräfte, die im Sommer gebildet worden war. In seinem jüngsten Pressegespräch sagte Exiloberst Riad al-Asaad der türkischen Zeitung „Milliyet“, die von ihm angeführte Truppe verfüge über 15.000 Mann.
Überprüfbar sind seine Angaben nicht. Auch sei nur schwer nachzuvollziehen, wie der Oberst bisher mit seinem Handy eine Streitmacht von angeblich 15.000 Soldaten in 22 unterschiedlichen Einheiten befehligen könne, merkte „Milliyet“ an. Zuletzt waren immer wieder Gerüchte aufgetaucht, die Aufständischen seien von der Türkei mit Waffen versorgt worden. Die Regierung in Ankara bestreitet das freilich, ebenso wie Asaad, der Medienberichten zufolge mittlerweile nach Syrien gereist ist.
Militärrat gegründet
Die „Freie Armee Syriens“ gründete indes auch einen provisorischen Militärrat, der den Sturz der Regierung Assads und den Schutz der Zivilbevölkerung zum Ziel hat. Der Militärrat sei fortan die „höchste militärische Instanz Syriens“ und werde die Umsetzung der Ziele der „Freien Armee“ überwachen, erklärte die bewaffnete Oppositionsgruppe. Diese Ziele seien unter anderem der „Sturz des derzeitigen Regimes“ sowie die Verhinderung anschließender anarchistischer Verhältnisse und Racheakte.
Dem Militärrat dürfen keine Mitglieder einer Partei angehören. Es sollten ein Militärgericht sowie eine Militärpolizei eingerichtet werden, um Regierungsmitglieder, denen Verbrechen vorgeworfen werden, zur Verantwortung zu ziehen.
Zahlreiche weitere Kämpfe
Am Mittwoch berichtete die Syrische Beobachtunsstelle für Menschenrechte von einer Attacke auf eine Straßensperre in der Provinz Hama. Dort seien acht Angehörige der Sicherheitskräfte sowie ein Zivilist und drei Deserteure ums Leben gekommen, hieß es. Immer heftigere Kämpfe wurden zuletzt auch aus den Provinzen Daraa und Idlib gemeldet. Insgesamt sollen bei Zusammenstößen zwischen Regimetruppen und Anhängern der Protestbewegung seit Sonntag rund 100 Menschen getötet worden sein.
Unter den Toten seien Zivilisten und Soldaten, meldeten die Oppositionellen. In der Stadt Homs seien die Leichen von 19 Menschen gefunden worden. Es sei zu vermuten, dass es sich um Bürger handle, die von der Schabiha-Miliz in den vergangenen zwei Tagen verschleppt worden seien, erklärten Menschenrechtler.
Regime spricht von „bewaffneten Terrorbanden“
In der Nähe der Ortschaft Chirbat Ghasale sei es zu einem Gefecht zwischen Angehörigen der Armee und der Sicherheitskräfte auf der einen und Deserteuren auf der anderen Seite gekommen. Dabei seien mindestens 34 Soldaten und Angehörige der Sicherheitskräfte sowie zwölf Deserteure ums Leben gekommen, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Die staatliche Nachrichtenagentur SANA berichtete ebenfalls über das Gefecht. Sie meldete jedoch, zwei Angehörige der Sicherheitskräfte seien von „bewaffneten Terrorbanden“ getötet worden. Die Agentur sprach zudem von 15 Festgenommenen und „anderen, die getötet wurden“. In der Provinz Daraa hätten Extremisten eine Bahnstrecke mit Sprengsätzen beschädigt. Berichte aus Syrien lassen sich wegen der Medienblockade durch das Regime oft nicht überprüfen.
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