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Rund 50.000 Tote in fünf Jahren

In Mexiko tobt ein Krieg. Annähernd 50.000 Menschen sind in den vergangenen fünf Jahren ums Leben gekommen. Sieben kriminelle Organisationen, Drogenkartelle, führen diesen Krieg, in dem es um viele Milliarden Dollar geht.

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Diese werden hauptsächlich mit Kokain aus Südamerika in den USA verdient. Aber auch Marihuana, Heroin und in Mexiko hergestellte synthetische Drogen werden in die USA geschmuggelt. Bis in die 1980er Jahre dienten Mexiko und Mittelamerika den kolumbianischen Kartellen aus Cali und Medellin als Landbrücke. Mit Hilfe mexikanischer Handlanger schmuggelten sie die Drogen entlang der Routen am Pazifik und am Golf von Mexiko nach Nordamerika.

Als Washington den kolumbianischen Kartellen den Krieg erklärte und sie entscheidend schwächte, schlug die Stunde der Mexikaner, die bis dahin vor allem in den unzugänglichen Bergen der Sierra Occidental entlang der Pazifikküste Marihuanapflanzen und Mohn anbauten, aus dem Heroin hergestellt wird. Nun begannen sie, das gesamte Drogengeschäft - vom Anbau bis zum Transport in die USA - selbst in die Hand zu nehmen.

Sinaloa Hochburg für Drogen

Das Zentrum wurde der Bundesstaat Sinaloa, der schon seit langem eine Drogenhochburg ist. Von hier stammen die Bosse der Kartelle, die Brüder Beltran Leyva, die Brüder Arellano Felix und die Familie Carrillo Fuentes. Viele sind inzwischen tot oder hinter Gittern, doch ihre Kartelle sind mächtiger denn je, und sie sind zu einer Herausforderung für ganze Staaten in der Region herangewachsen.

Als Begründer des blühenden mexikanischen Drogenhandels gilt ein ehemaliger Polizist und Gouverneursleibwächter - Miguel Angel Felix Gallardo alias „El Padrino“. Er gab sich nicht mehr damit zufrieden, nur der Statthalter des kolumbianischen Medellin-Kartells zu sein. „El Padrino“ baute sein eigenes Imperium auf, indem er damit begann, das in Sinaloa angebaute Marihuana und Heroin zusammen mit dem kolumbianischen Kokain in die USA zu transportieren. Später kam das Geschäft mit synthetischen Drogen hinzu. Die aus Asien gelieferten Grundsubstanzen wurden über die Pazifikhäfen in die mexikanischen Drogenlabors geliefert - und werden das bis heute.

Enge Verbindung zu Staatsorganen

Möglich wurde der Boom des Drogengeschäfts von Anfang an durch eine enge Verbindung zu den Staatsorganen auf allen Ebenen. Es heißt, die Partei der Institutionellen Revolution (PRI), die das Land von 1929 bis 2000 allein beherrschte, sei mitverantwortlich für das Aufblühen. Korruption, deren Ausmaß auch heute noch weltweit ihresgleichen sucht, habe zur Duldung des Suchtgifthandels, zu einer „Symbiose aus Verbrechen und Politik“ geführt - jedenfalls in den Drogenhochburgen, wie der Autor Malcolm Beith in einem Buch über den Drogenboss Joaquin „El Chapo“ Guzman schreibt.

Dass sich der Drogenkrieg und in seinem Schatten die allgemeine Kriminalität wie Krebsgeschwüre ausbreiten, ist eine augenfällige Tatsache. „Das Problem Mexikos ist nicht der Drogenhandel, er ist nur die imposante Abrundung des großen Kuchens der Illegalität“, schreibt der Politologe Ricardo Cayuela in einer gerade veröffentlichten Studie. „Der Kuchen aber besteht aus einer Gesellschaft, die jeden Gesetzesbruch erlaubt, und einem Staat, der jeden Tag in allen seinen Institutionen beweist, dass das Gesetz ein Element ist, über das man verhandeln kann.“

„El Padrino“ dezentralisierte seine Macht

1989 wurde „El Padrino“ verhaftet. Kurz zuvor hatte er sein Reich dezentralisiert und die wichtigsten „Plazas“ mit seinen Leuten aus Sinaloa besetzt. Nach Tijuana schickte er die Brüder Arellano Felix. Nach Ciudad Juarez beorderte er die Familie Carrillo Fuentes, deren bekanntester Spross, Amado, in den 1990er Jahren als „Herr der Lüfte“ Berühmtheit erlangte, weil er die Drogen mit einer Flugzeugflotte in die USA schaffte. Andere wurden mit der „Plaza“ Matamoros in Tamaulipas betraut. An diesen Orten entstanden die Kartelle wie jene vom Golf, von Tijuana, Juarez und Sinaloa, dessen Chef „El Chapo“ wurde.

Kampf der Kartelle

Die neuen Kartelle gerieten immer wieder aneinander - vor allem dann, wenn eines der Kartelle seinen Anführer verlor. So geschehen 1997, als der „Herr der Lüfte“, Amado Carrillo Fuentes, bei einer Gesichtsoperation umkam. Den Kampf um die zentrale Route über die Grenzstadt Ciudad Juarez hat nach allem, was heute bekannt ist, „El Chapo“ Guzman für sich entschieden. Er saß zwar damals im Gefängnis, doch führte er die Geschäfte seines Sinaloa-Kartells aus der Zelle heraus weiter, bis er Anfang 2001 in einem Wäschewagen wieder in die Freiheit gelangte.

„El Chapo“ gilt heute als der „Boss der Bosse“ und als einer der mächtigsten und meistgesuchten „Narcos“ weltweit. Mit viel Geld, mit dem er die entscheidenden Leute in den Regierungen in den Bundesstaaten bestach, und mit unerbittlicher Gewalt, die von ihm angeheuerte Killerbanden ausübten, dehnte er seinen Einfluss zunächst auf ganz Mexiko und auch auf Zentral- und Südamerika aus. Fachleute gehen davon aus, dass Guzmans Organisation in vielen Teilen der Welt aktiv ist.

Franz Smets, dpa

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