Mit Veröffentlichung von Kontakten gedroht
Zehntausende Menschen sind in den vergangenen Jahren im mexikanischen Drogenkrieg, der zwischen sieben rivalisierenden Gruppen tobt, gestorben. Viele Politiker, Polizisten und Journalisten sind selbst in die Machenschaften der Kartelle involviert. Über die täglichen Morde und die Gewalt ist in den wenigsten mexikanischen Medien etwas zu lesen. Das Internet wurde zur neuen Informationsplattform.
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Längst hat der Großteil der Journalisten aufgehört, über die Kriminalität der Drogenkartelle zu berichten. Denn das ist mittlerweile lebensgefährlich geworden. 74 Journalisten wurden seit 2000 in Mexiko getötet, 13 weitere werden laut der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) vermisst. Einer der Hauptursachen dafür seien der Drogenkrieg in Mexiko und die korrumpierten Behörden und Polizisten, die mit kriminellen Gruppen zusammenarbeiten.
Über die ermordeten Kollegen wird in den Medien selten berichtet. Bezeichnendes Beispiel war etwa der Fall der mexikanischen Tageszeitung „Diario Juarez“, die vor einem Jahr keine weiteren Nachforschungen zur Ermordung eines ihrer Fotografen stellte, aber auf der Titelseite die Drogenkartelle fragte, worüber noch geschrieben werden dürfe, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“).
Ermordet wegen Internetpostings
Umso wichtiger wird die Rolle der anonymen Blogger, die zunehmend über englisch- und spanischsprachige Internetplattformen die Aufgabe der Journalisten übernehmen. Auf der Plattform Borderlandbeat.com etwa wird über aktuelle Verbrechen entlang der Grenze zwischen Mexiko und den USA berichtet. Die Berichte beziehen sich teilweise auch auf Material, das von unerkannt bleiben wollenden Journalisten übergeben wird. Damit ist eine neue Front im Drogenkrieg eröffnet, der auch für Blogger gefährlich wird. Denn erst im September wurden drei ermordet gefunden.
Eine enthauptete Frau wurde mit einer handschriftlichen Notiz gefunden, unterzeichnet mit einem Z für Zetas. Entsprechend der Notiz sei sie als Vergeltung für Postings im Internet ermordet worden. Zwei weitere Blogger, die an einer Überführung hängten, bekamen die Botschaft mit: „Das passiert bei Internetusern, die Probleme verursachen.“ Die Blogger hatten über Schießereien zwischen Mitgliedern von Drogenkartellen und deren Unterschlupf unter falschem Namen berichtet.

screenshot/www.gustavorosario.com
Die Website eines ehemaligen Staatsanwalts wurde von Anonymous gehackt
Anonymous schaltet sich ein
Seit einigen Tagen reiht sich auch die Hackergruppe Anonymous in den Kampf gegen den Drogenkrieg ein und fordert insbesondere das mächtige Verbrecherkartell Los Zetas heraus. Nach Angaben von Anonymous soll Los Zetas eines ihrer Mitglieder entführt haben. In einer Videobotschaft auf YouTube forderte Anonymous die Freilassung des angeblich im Bundesstaat Veracruz entführten Mitglieds und drohte mit der Veröffentlichung von Namen von Politikern, Journalisten und Polizisten, die mit dem Kartell kooperieren.
Nach einem Rückzug von der „Operation Kartell“ aufgrund des hohen Risikos kündigte Anonymous nun an, den Kampf fortsetzen zu wollen, und bekräftigte das Ultimatum für Los Zetas für den 5. November.
„Stoppt euer Terrorregime“
Auch wenn die Authentizität des Videos umstritten ist, lieferte Anonymous eine erste Kostprobe mit der gehackten Seite des ehemaligen Obersten Staatsanwalts des Bundesstaats Tabasco, Gustavo Rosario. Seither ist auf seiner Seite groß zu lesen, dass er mit Los Zetas verbunden ist.
Auf der Website von Anonymous Iberoamericana werden die Botschaften an Los Zetas ebenfalls verbreitet. „Stoppt euer Terrorregime“, wird das Kartell darauf aufgefordert. „Wir wissen, dass wir unser Leben aufs Spiel setzen, aber wir ziehen es vor, aufrecht zu sterben, als auf Knien zu leben.“
Was weiß Anonymous?
„Das Problem aber ist, was hacken?“, fragt der Experte für Medien und Gewalt an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko, Raul Trejo. „Es gibt keine Websites von Drogenkartellen, die meines Wissens gehackt werden können.“ Interessant könnte in diesem Zusammenhang auch das Detail sein, dass Anonymous um Hinweise zu möglichen korrupten Beamten ersucht. Die angekündigten Enthüllungen könnten daher auch nicht viel mehr als Gerüchte und Spekulationen sein, obwohl Anonymous laut „New York Times“ angibt, eine Liste von rund 100 wichtigen Zetas-Kontakten zu haben.
Sollte sich bestätigen, dass ein Anonymous-Mitglied entführt wurde, wie die Gruppe Anfang Oktober sagte, könnte das als eine Reaktion von Los Zetas gewertet werden, sich wegen der bisherigen Postings der Gruppe zu rächen. Auch weitere Racheakte wären wahrscheinlich. Denn enttarnte Mitglieder würden für rivalisierende Drogenkartelle leichte Zielscheiben sein und das wertvolle Netzwerk rund um das Kartell schwächen - unabhängig davon, ob die genannte Person tatsächlich mit den Kartellen kooperiert.
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