Junge Großstädter als Wähler
Er ist neben Ministerpräsident Donald Tusk der zweite Sieger der Parlamentswahl am Sonntag in Polen: Janusz Palikot erreichte mit seiner Ruch Palikota fast zehn Prozent und damit den dritten Platz. Im Wahlkampf hatte er vor allem mit der Forderung für Diskussionen gesorgt, den Einfluss der katholischen Kirche zu begrenzen.
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„Wenn sich Menschen vereinigen, dann ist alles möglich“, sagte der von seinem Erfolg sichtlich überwältigte Politiker. Palikot deutete nun auch an, bei der Regierungsbildung ein Wörtchen mitreden zu wollen: Er gratulierte ausdrücklich seiner Ex-Partei, der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO) von Tusk, die laut ersten Ergebnissen die Wahl deutlich gewann.
„Werden Hoffnungen nicht enttäuschen“
„Es ist ein großer Erfolg, zum zweiten Mal eine Wahl zu gewinnen“, sagte Palikot. Kommentatoren hatten in den vergangenen Wochen über eine Koalition zwischen der erst ein paar Monaten bestehenden Ruch Palikota und der PO spekuliert.

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Als Weinproduzent gilt Palikot als einer der reichsten Politiker Polens
„Das ist eine Hoffnung vor allem für Millionen von Bürgern, die einen weltlichen, bürgerlichen und gesellschaftlichen Staat wollen“, sagte Palikot vor seinen Anhängern. „Diese Hoffnung werden wir nicht enttäuschen“, so der Parteivorsitzende. Kurz nach Verkündung der Prognose sprachen die bei der Wahlparty Anwesenden gemeinsam einen „Schwur“, sie würden dem Ziel eines „weltlichen, modernen, bürgerfreundlichen Staates“ treu bleiben.
Radikale Kirchenkritik
Palikots Programm ist geprägt von radikaler Kirchenkritik. Die Trennung von Staat und Kirche funktioniere nicht mehr, die Kirche halte den Staat besetzt, kritisiert der Politiker. So tritt er für eine Abschaffung des Religionsunterrichts an Schulen und eine Streichung der staatlichen Unterstützung der Kirche ein. Wenigstens einige Staatsfeiern im Jahr sollten ohne den Anblick der „fetten Bäuche der Bischöfe“ stattfinden, rief er beim Gründungsparteitag vergangenes Jahr.
Er tritt für staatsfinanzierte künstliche Befruchtung, eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts und kostenlose Verhütungsmittel ein. Auch mehr Rechte für Homosexuelle und gleiche Gehälter für Frauen und Männer gehören zum Programm. Außerdem forderte er die Legalisierung von Drogen, insbesondere von Cannabis, und mehr gesellschaftliche Kontrolle über die Geheimdienste.
Verkrustetes Politsystem
Aus ersten Analysen geht hervor, dass Palikot seinen Erfolg vor allem jungen Leuten aus Großstädten verdankt. Ein Drittel seiner Wähler sind jünger als 29. Palikot sei der Einzige, der die verkrusteten Staats- und Parteistrukturen aufbrechen könne, sagt seine Anhängerin Karolina Styczen aus Radom. „Die Welt ändert sich, in Polen bleibt alles beim Alten, das wollen wir ändern“, sagte Robert Leszczynski, ein anderer Fan.

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Palikot mit seiner Frau bei der Stimmabgabe
Tatsächlich zeigt die Wahl einmal mehr eine klare Spaltung der Wählerschaft: Die PO erhielt die meisten Stimmen in den Großstädten und im Westen des Landes, während die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski im Osten und Südosten vorne lag. Sie punktete damit vor allem in den strukturschwachen Gegenden Polens, in denen der Wirtschaftsboom des Landes bisher nicht angekommen ist.
Neue Heimat für linke Wähler
Palikot habe die Stimmung im Land richtig erkannt, sagt der Soziologe Radoslaw Markowski. Die konservativen Parteien des Landes geben seiner Ansicht nach keine Antworten auf Fragen, die viele Menschen bewegen. Und viele linke Wähler blieben zuletzt heimatlos. Denn die postkommunistische Linke - das Demokratische Linksbündnis (SLD) - ist für viele Polen wegen ihrer kommunistischen Vergangenheit nicht wählbar. So verlor die SLD massiv an Palikot.
Lob für den Senkrechtstarter kam sogar von einer Ikone polnischer Politik - Lech Walesa. Der Friedensnobelpreisträger fand es schon vor der Wahl richtig, dass jemand wie Palikot das Parlament „durchlüftet“. Und auch der bekannte Analytiker der polnischen Politszene, Jerzy Urban, bescheinigte der Palikot-Bewegung eine „politische Zukunft“. Sie sei Teil der breiten Protestbewegung, die sich in Europa und Nordafrika etabliert habe, meinte Urban. Dazu gehöre auch die deutsche Piratenpartei.
In der Bürgerplattform zu bunt getrieben
Palikot war früher als Politiker in Tusks Bürgerplattform als Politclown und Provokateur aufgefallen und sorgte mit seinen Happening-artigen Pressekonferenzen in der PO für Unruhe. Einmal trug er zum Beispiel ein Hemd mit der Aufschrift „Ich bin schwul“, ein anderes Mal tauchte er mit einem Gummidildo auf. Eine Zeitlang goutierte die Partei den „bunten Vogel“ und machte ihn 2009 sogar zum Fraktionsvorsitzenden.
Palikot stellte auch Vermutungen über die Homosexualität von Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski an und fragte sich, „ob er vielleicht wirklich eine Frau“ sei. Bei dessen Bruder Lech vermutete er Alkoholmissbrauch - auch bei dem Unglück von Smolensk: Lech Kaczynski habe „Blut an den Händen“, weil er mutmaßlich das Flugzeugunglück durch seine „Dummheit“ und „Überheblichkeit“ selbst verschuldet habe. Seine Forderung nach einer Untersuchung, ob Kaczynski unter Alkoholeinfluss stand, führte schließlich zu einem Antrag auf Parteiausschluss. Palikot kam dem zuvor und verließ die Bürgerplattform.
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