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Abrechnung mit Europa

US-Präsident Barack Obama hat der EU vorgeworfen, ihr Bankensystem nach der Finanzkrise 2007 nicht in Ordnung gebracht und so die derzeitige Euro-Krise verursacht zu haben. „In Europa haben sie sich nie ganz von der Krise von 2007 erholt und sich nie wirklich um die Schwierigkeiten gekümmert, denen ihr Bankensystem ausgesetzt war“, sagte Obama am Montag (Ortszeit) im kalifornischen Mountain View.

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Zusammen mit den Schuldenproblemen Griechenlands habe das eine Krise ausgelöst, „die die Welt in Angst versetzt“. Die EU-Staaten versuchten nun, „verantwortlich zu handeln“, doch geschehe das „nicht so schnell, wie es notwendig wäre“, kritisierte Obama weiter.

Rehn: Sehr konstruktiv

Die EU-Kommission begrüßte die Aufforderungen der US-Regierung an die Europäer, in der gegenwärtigen Euro-Krise entschlossen und rasch zu handeln. „Kommissar (Olli) Rehn hält die Beiträge von (US-Finanzminister Timothy, Anm.) Geithner für sehr konstruktiv. Herr Geithner war sehr unterstützend gegenüber den europäischen Institutionen beim Management dieser Krise und im Speziellen bei den IWF-Treffen“, sagte Kommissionssprecher Amadeu Altafaj-Tardio am Dienstag in Brüssel.

„Wir freuen uns, diesen sehr aktiven und regulären Dialog mit der US-Regierung und allen anderen Regierungen fortzusetzen, da es offensichtlich ist, dass diese Krise eine Auswirkung auf andere internationale Akteure hat“, sagte der Sprecher. „Es ist daher sinnvoll, dass sie ihre Meinung äußern.“ Rehn habe Geithner zuletzt wöchentlich getroffen, betonte der Kommissionssprecher.

Fekter kritisiert US-Kritik

Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) wies hingegen die Kritik Obamas zurück. „Ich glaube, dass sich die Amerikaner an unseren Mechanismen, wie wir herangehen, ohne dass Wachstum kaputtgeht, ohne dass die Arbeitslosenzahlen explodieren, ein Beispiel nehmen könnten“, sagte Fekter nach dem Finanzausschuss vor Journalisten.

Die Schuldensituation der USA sei eine unvergleichlich schlechtere als die Schuldensituation in der Euro-Zone, so die Finanzministerin. Das Wachstum in den USA sei wesentlich geringer, das Defizit deutlich höher als in der Euro-Zone. „Ich weiß nicht, woher die Amerikaner das Selbstvertrauen nehmen, uns die Welt zu erklären“, so die Ministerin. Ganz im Gegenteil, Europa habe auf die Krise rasch reagiert und gemeinsam mit dem IWF für Griechenland bereits 2010 Hilfe geleistet und Reformen eingeleitet.

Geithner: Risiko für Weltwirtschaft

Geithner hatte Europa bereits am Wochenende eindringlich zur Eindämmung der Schuldenkrise in der Euro-Zone aufgefordert. Die Belastungen von Staaten und Banken in Europa bezeichnete er als „das ernstzunehmendste Risiko für die Weltwirtschaft“. Es wird befürchtet, dass eine Verschlechterung der Situation in Europa zu einer Rezession in der bereits stagnierenden US-Wirtschaft führen könnte.

Die Europäer hätten zwar bereits „beeindruckende“ Maßnahmen ergriffen, die aber nicht ausreichten. Die Euro-Staaten müssten eine „Brandmauer“ errichten, um eine Ausbreitung der Schuldenkrise zu stoppen, verlangte Geithner. Damit könne finanziell angeschlagenen Staaten wie Griechenland mehr Zeit gegeben werden, um „echte Reformen“ anzugehen und Haushaltsdisziplin unter Beweis zu stellen. Die europäischen Regierungen und die Europäische Zentralbank (EZB) müssten einen „unmissverständlichen Einsatz“ zeigen, damit die Schuldenprobleme einiger Euro-Staaten nicht zu einem „globalen Zusammenbruch“ führten.

„Nicht warten, bis Krise schlimmer wird“

Das Risiko einer „Kaskade von Zahlungsausfällen“ und „katastrophale Risiken“ müssten endlich „vom Tisch“, sagte der US-Finanzminister, der sich frustriert über das Krisenmanagement der Europäer zeigte. „Die Entscheidungen, wie die Probleme der Region schlüssig anzugehen sind, können nicht warten, bis die Krise noch schlimmer wird.“

Die US-Regierung hatte zuletzt mehrfach die Länder der Euro-Zone zu mehr Einsatz im Kampf gegen die Schuldenkrise aufgerufen. Geithner war zu einem Treffen der Euro-Finanzminister ins polnische Wroclaw gereist, konnte seine Kollegen von seinen Forderungen aber nicht überzeugen. Mit Schulden auf Rekordniveau stecken die USA allerdings selbst tief in einer Wirtschafts- und Jobkrise.

Auch China macht Druck

Auch der chinesische Notenbankchef Zhou Xiaochuan kritisierte Europa. Er bezog die USA in seine Kritik aber ein. Die Vereinigten Staaten hatten selbst erst vor kurzem eine eigene Haushaltskrise beigelegt, indem sie die Schuldenobergrenze weiter anhoben. „Die Schuldenkrise muss zügig beigelegt werden, um das Vertrauen der Märkte wiederzugewinnen“, sagte Zhou.

Trichet wirbt für Verständnis

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet warb in Washington um Verständnis für die europäischen Entscheidungsprozesse. Die Ratifikation des Ende Juli beschlossenen zweiten Griechenland-Hilfspakets und der EFSF-Reform seien in den nationalen Parlamenten im Gange, sagte er. Zugleich räumte er eine Mitverantwortung Europas für die Turbulenzen auf den weltweiten Finanzmärkten ein: „Wir haben eine globale Krise der Kreditwürdigkeit von Staaten, und wir sind das Epizentrum dieser Krise.“

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