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Faktisches Antrittsalter erhöhen

Aufrufe, das Pensionssystem zu reformieren, gibt es für Österreich zuhauf - international von IWF, EU und OECD und national etwa vom Rechnungshof (RH). Erst vor kurzem schlug der RH Alarm, dass die Ausgaben für Pensionen und Zinsen 2015 40 Prozent der gesamten Bundesausgaben ausmachen werden. Der staatliche Zuschuss zu den Pensionen steigt.

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Die Pensionen für Beamte - mit Post und ÖBB -, Unselbstständige, Gewerbetreibende und Bauern etwa kosteten den Staat im vergangenen Jahr rund 16,5 Mrd. Euro. Die Regierung sieht die Situation weniger dramatisch. Als „nicht schlimm“ bezeichnet Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) im ORF.at-Gespräch die Situation des Pensionssystems, sofern die Hausaufgaben erledigt würden. Auch ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger hält das Pensionssystem „insgesamt für gut“. Aufgrund des stark steigenden Bundeszuschusses zu den Pensionen sieht er gegenüber ORF.at aber „akuten Handlungsbedarf“.

Als einzigen Weg, das Pensionssystem finanzierbar zu halten, sehen Experten, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen. IHS-Chef Bernhard Felderer etwa forderte, das faktische Antrittsalter um mindestens fünf Jahre hinaufzusetzen - mehr dazu in oe1.ORF.at. Zuletzt pochte der IWF darauf, Anreize für ältere Arbeitnehmer zu schaffen, länger im Erwerbsleben zu bleiben - eine Forderung, die von Expertenseite schon lange auf dem Tisch liegt und mittlerweile auch die Politik eint.

Längere Durchrechnung, weniger Pension

Vielfach kritisiert wurde von Expertenseite auch die mangelnde Kommunikation der Politik, dass die Pensionszahlungen aufgrund der Pensionsreformen von 2003 und 2004 weniger werden. Selbst der Rechnungshof bemängelte, dass viele trotz des Pensionskontos nicht wissen, wie viel Pension zu erwarten ist - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Den Vorwurf der mangelnden Offenheit weist Hundstorfer zurück. Fakt sei: Je länger der Durchrechnungszeitraum (im Zuge der Pensionsreformen 2003/2004, Anm.) wird, umso weniger werde die Pension. „Aber das wirklich Peinliche ist, dass wir nicht beantworten können, um was die Pension wirklich weniger wird“, so Hundstorfer.

Grund für die komplexe Situation sind die bei den Pensionsreformen 2003 und 2004 geschaffene Parallelrechnung und die langen Übergangsfristen. Hundstorfer: „Darum arbeiten wir an kürzeren Parallelrechnungszeiten und damit an einer Reform der Pensionsreform 2003. Das ist der Plan für die nächsten Monate.“

ÖVP will Arbeitsdauer schneller erhöhen

Die Koalitionspartner SPÖ und ÖVP sehen die hohe Zahl der Invaliditätspensionen als das größte Problem des derzeitigen Systems. Da müsse es zu einer spürbaren Einschränkung kommen, so Hundstorfer. Das durchschnittliche faktische Pensionsantrittsalter liegt in Österreich bei 58 Jahren - 59 bei Männern und 57 bei Frauen. Vom Gesetz vorgesehen wäre ein Pensionsantritt mit 65 bzw. 60. Hundstorfer will bis 2020 das faktische Pensionsantrittsalter um ein Jahr anheben.

Es zähle aber jeder Monat. „Wenn alle Pensionsantritte um zwölf Monate später erfolgen, haben wir rund eine Milliarde Minderausgaben“, betonte Hundstorfer. Der ÖVP genügt das nicht. Sie will eine größere Annäherung an das gesetzliche Pensionsantrittsalter: Ein Pensionsantritt mit durchschnittlich 62 bzw. 63 Jahren bei Männern und Frauen müsse bis 2025 möglich sein, so Wöginger.

Hacklerregelung: Halbierung bis 2014

Die Langzeitversichertenregelung mit rund 100.000 Beziehern sei im Gegensatz zur Invalididätspension mit fast fünfmal so vielen Pensionisten nicht so ausschlaggebend, so der ÖVP-Sozialsprecher. Durch die Einigung innerhalb der Regierung, mit Ausnahme der Kindererziehung Ersatzzeiten zu streichen, erwartet Hundstorfer bis 2014 eine Halbierung der Antritte nach der Hacklerregelung. Die Ersatzzeiten waren 2008 noch wenige Tage vor der Nationalratswahl aufgenommen worden.

Im ersten Halbjahr 2011 ging die Zahl der Anträge auf eine Hacklerpension um 8,3 Prozent auf 12.845 zurück. Zuwächse gab es dafür - allerdings auf niedrigerem Niveau - bei der Korridor- und der vor vier Jahren geschaffenen Schwerarbeiterpension. Bei der Korridorpension ist eine Pension ab 62 mit Abschlägen möglich.

„Müssen es nicht neu erfinden“

ÖVP-Chef Michael Spindelegger hatte sich zuletzt für ein stärkeres Bonus-Malus-System nach versicherungsmathematischen Regeln ausgesprochen. Die derzeitigen Abschläge bei der Korridorpension seien nicht der Zeit angepasst, so Wöginger. Er vermisst Anreize, länger zu arbeiten.

Hundstorfer kann wenig Neues an der Bonus-Malus-Idee erkennen: „Das System haben wir ja schon. Es gibt Abschläge für jene, die vor dem gesetzlichen Alter in Pension gehen, und einen Vierprozentbonus für jene, die länger arbeiten.“ Ob die Höhe dieser Ab- und Zuschläge gut gewählt sei, könne man diskutieren, aber „wir müssen es nicht neu erfinden“.

Schnellerer Übergang bei Harmonisierung?

Ein Knackpunkt ist allerdings die Debatte über die Harmonisierung der unterschiedlichen Pensionssysteme von ASVG, Gewerbetreibenden, Beamten - wozu auch Mitarbeiter der ÖBB und der Oesterreichischen Nationalbank zählen. „Es gibt nach wie vor Gruppen mit starken Privilegien, die viel kosten“, kritisierte Wöginger. Er forderte eine raschere Angleichung. Dabei „sind wir uns sicher nicht einig“, sagte Wöginger mit Blick auf die SPÖ. „Wie soll man das erklären, dass einige Gruppen zehn, zwölf, 13 Jahre früher in Pension gehen?“, fragte der ÖVP-Sozialsprecher.

Es seien bereits alle Systeme harmonisiert - allerdings mit unterschiedlichen Übergangsfristen, so Hundstorfer. Ganz nachvollziehen kann er die Aufregung nicht. Er forderte mehr Sachlichkeit ein. Schließlich gebe es immer weniger Pragmatisierte, und bei den ÖBB handle es sich nur noch um rund 5.000 Mitarbeiter, die nicht ins ASVG umgestellt wurden.

Im Dialog mit Fekter

Nicht auslassen möchte Hundstorfer die Verantwortung der Wirtschaft. Diese müsse auch ihren Teil erledigen und eine Arbeitswelt zur Verfügung stellen, in der man länger arbeiten kann. Dem Vorschlag von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP), beim „Golden Handshake“ steuerliche Anreize abzubauen, steht Hundstorfer skeptisch gegenüber: „Ich bin mit Finanzministerin Fekter in einem Dialog. Aber über Steuerrecht wird man das Pensionsthema nicht lösen können.“

Simone Leonhartsberger, ORF.at

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