Verhandlungen mit Grünen und CDU
Die regierenden Sozialdemokraten haben die Wahl zum Abgeordnetenhaus der deutschen Hauptstadt Berlin am Sonntag erwartungsgemäß gewonnen. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kommt die SPD auf 28,3 Prozent (minus 2,5).
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Die Partei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die CDU, ist zweitstärkste Kraft mit 23,4 Prozent (plus 2,1). Dahinter liegen die Grünen mit 17,6 Prozent (plus 4,5), die Linke mit 11,7 Prozent (minus 1,7) und die FDP mit 1,8 Prozent (minus 5,8). Die Piratenpartei kam mit 8,9 Prozent aus dem Stand heraus sicher über die Fünfprozenthürde.
Rot-Grün nur noch knapp möglich
Wegen deutlicher Stimmenverluste der Linkspartei wird Wowereit seine knapp zehn Jahre alte rot-rote Koalition voraussichtlich nicht fortsetzen können. Die Schnittmenge mit den Grünen sei am größten, sagte Wowereit am Sonntagabend im ZDF. Wichtig sei aber, dass sich die Grünen in der Stadtpolitik zu Entwicklung und Fortschritt bekennten und nicht Stillstand forderten. SPD und Grüne kommen zusammen auf 76 Sitze, nur ein Mandat mehr als die absolute Mehrheit von 75 Sitzen. Ein rot-schwarzes Bündnis hätte dagegen eine komfortable Mehrheit von 86 Sitzen. Das neue Parlament hat 149 Sitze.
Wowereit schloss jedoch auch eine Koalition mit der CDU nicht aus. Die SPD werde sowohl mit den Grünen als auch mit der CDU eine Regierungsbildung sondieren. „Ich gehe gerne in Verhandlungen mit Optionen“, sagte er im ZDF.
Beteiligung leicht gestiegen
Die Wahlbeteiligung lag mit gut 59 Prozent leicht über dem Wert von 2006 (58,0). Zur Wahl aufgerufen waren 2,47 Millionen Menschen. Parallel zum Landesparlament wurden auch die Kommunalvertretungen neu bestimmt.

dapd/Ronny Hartmann
Die letzten Umfragen zeigten Wowereit als Favoriten
Die SPD unter Wowereit war damit trotz leichter Verluste auch in der letzten von insgesamt sieben Landtagswahlen in diesem Jahr erfolgreich. Wowereit siegte bereits zum dritten Mal. Die FDP mit ihrem Spitzenkandidaten Christoph Meyer verpasste den Wiedereinzug. Nach dem fünften Patzer in diesem Jahr ist sie jetzt nur noch in elf Landesparlamenten vertreten. Auch die Ablöse von Guido Westerwelle als Parteichef durch Philipp Rösler half den Liberalen nicht, die im Wahlkampf zuletzt die Euro-Krise in den Mittelpunkt gerückt hatten.
Rösler lehnt persönliche Konsequenzen ab
Rösler will trotz des Debakels bei der Wahl keine persönlichen Konsequenzen ziehen. „Für mich war immer klar, das wird ein schwerer Weg“, sagte der Bundeswirtschaftsminister am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Günther Jauch“. Auf diesem Weg befinde sich die FDP nun. „Insofern heißt es jetzt, daran weiter zu arbeiten, dass die Ergebnisse besser werden“, sagte Rösler.
Auch eine Kursänderung in ihrer umstrittenen Haltung in der Euro-Schuldenkrise strebt die FDP nicht an: „Unsere Positionierung zur Zukunft Europas, das war keine Positionierung für diesen oder irgendeinen Wahlkampf, sondern das war die Übernahme von Verantwortung für unsere Währung und für das Haus Europa insgesamt, und deshalb halten wir daran fest“, sagte Generalsekretär Christian Lindner am Sonntagabend in der Berliner Parteizentrale.
Grüne wollen mit SPD verhandeln
Die Grünen, die sich mit ihrer Spitzenkandidatin Renate Künast wegen exzellenter Umfragewerte lange Zeit Hoffnung auf den Posten des Regierungschefs gemacht hatten, können allenfalls Juniorpartner der SPD werden. Bereits wenige Minuten nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen hatte die Partei angekündigt, mit der SPD über eine Koalition verhandeln zu wollen. „Wir sind bereit, in der nächsten Woche in die Sondierungen zu gehen“, so Künast. Künast hatte davor angekündigt, dass sie dann Vorsitzende der Bundestagsfraktion bleiben und nicht in die Landespolitik wechseln will.
Linke will „machtvolle Opposition“ sein
Die Linke muss mit ihrem zweitschlechtesten Ergebnis seit der Wiedervereinigung wieder in die Opposition. Der Berliner Linke-Spitzenkandidat Harald Wolf räumte ein, dass seine Partei bei der Abgeordnetenhauswahl ihr Wahlziel nicht erreicht hat. Die Linke werde nun eine „machtvolle Opposition“ sein. Wowereit dankte nach Wahlschluss seinem bisherigen Koalitionspartner für die zehnjährige Zusammenarbeit. „Wir haben gut zusammengearbeitet, es geht jetzt leider nicht mehr“, sagte Wowereit.
Berlin wurde in den vergangenen beiden Wahlperioden von einer rot-roten Koalition regiert. In dieser Zeit bekam der Senat die Probleme der Hauptstadt, die zum Teil auch die Folge jahrzehntelanger Teilung sind, trotz Spar- und Reformbemühungen nicht in den Griff.
Große Herausforderungen für nächste Periode
Das Land ist mit knapp 64 Milliarden Euro verschuldet. Mit 13,3 Prozent hat es die höchste Arbeitslosigkeit in Deutschland. Berlin zählt die meisten Hartz-IV-Empfänger und leidet unter geringen Steuereinnahmen. Der Ruf der öffentlichen Schulen ist schlecht. In den Innenstadtbezirken steigen die Mieten teils deutlich. Die Integration der rund 470.000 Ausländer (Anteil: 13,6 Prozent) ist nicht überall gelungen. Bilder von brutalen Überfällen in U-Bahnhöfen und von brennenden Autos schockieren auch über die Landesgrenzen hinaus. Diese Probleme bestimmten auch den insgesamt eher müden Wahlkampf.
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