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Werke in aller Welt

Dem ersten Paukenschlag folgt gleich der zweite: Nach der verschobenen Fusion mit Porsche bläst VW-Vorstand Martin Winterkorn zur Offensive. Kurz vor Beginn der IAA in Frankfurt in der kommenden Woche will der Chef von Europas größtem Autohersteller keine Zweifel am weiteren Wachstumskurs des weltumspannenden Konzerns laut werden lassen.

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Bis zu acht neue Werke sollen die Expansion des Branchenriesen bis 2018 sicherstellen - dem Jahr, in dem die Wolfsburger die Erzrivalen Toyota und General Motors spätestens von der Spitze verdrängt haben wollen. Die Erklärung des Vorstandsvorsitzenden in einem am Samstag veröffentlichten Interview des Fachblatts „Automotive News Europe“ hört sich lapidar an, lässt sich aber auch als Kampfansage an die Konkurrenz und Sich-Aufbäumen gegen die unsichere Autokonjunktur lesen.

„Um die 70 Werke“

„Für mehr Volumen braucht man zusätzliche Kapazitäten“, sagte Winterkorn - und deutete Milliardenausgaben rund um den Globus an. Innerhalb der nächsten sieben Jahre werde man „um die 70 Werke betreiben“, kündigte der VW-Chef an. Zurzeit unterhält VW 62 Produktionsstätten mit fast 400.000 Beschäftigten. Wenigstens zwei der neu geplanten Standorte sollen die Nachfrage auf dem Hauptwachstumsmarkt China direkt an der Quelle bedienen.

Erst vor zwei Wochen hatte die VW-Führungsriege in China das 20-jährige Bestehen ihres Joint Ventures mit dem heimischen Hersteller FAW gefeiert. Nun soll im China-Geschäft abermals aufs Tempo gedrückt werden: „Wenn der Markt dort weiterhin so wächst, sind sogar weitere Standorte denkbar“, sagte der VW-Chef, der in dem aufstrebenden Riesenland ein „Gravitationszentrum“ erkennt.

Audi-Werk in den USA?

Bis zum Zieljahr der „Strategie 2018“ - VW will dann zehn Millionen Autos verkaufen - könnte der China-Absatz aller Hersteller von Personenwagen und leichten Nutzfahrzeugen um mehr als die Hälfte auf über 28 Millionen Stück zulegen, schätzte Winterkorn. In anderen Regionen dürfte VW ebenfalls kräftig aufstocken, um die schwächeren Aussichten für Europa auszugleichen. Dabei könnte auch die VW-Tochter Audi zum Zuge kommen. Die Gerüchteküche hatte mit Blick auf ein eigenes Werk der Ingolstädter in den USA schon länger gebrodelt.

„Beschlossen ist gar nichts“, hatte es im Juli bei der Vorstellung des neuen VW Beetle geheißen. Nun steht für Winterkorn immerhin das nötige Marktpotenzial fest: „Für eine vernünftige Auslastung brauchen Sie mindestens 150.000 Einheiten.“ Porsche kann dagegen nicht mit einem eigenen Werk jenseits des Atlantiks rechnen. Grund sei aber nicht etwa die Hängepartie um Klagen wegen Marktmanipulation, welche die Verschmelzung mit Volkswagen hinauszögern. Porsche werde als deutsche Marke schlechthin wahrgenommen, sagte der VW-Chef. „Insofern denke ich nicht, dass das Thema in absehbarer Zeit auf der Agenda steht.“

Heimmarkt hinkt hinterher

In der Heimat war der Gesamtabsatz aller Konzernmarken nach dem Rekordjahr 2010 zuletzt längst nicht so stark gestiegen wie in den ausländischen Boom-Regionen. Bis Ende Juli gelang in Deutschland ein Plus von 11,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum - weltweit waren es für die VW-Familie 14,4 Prozent. Dennoch sind Deutschland und Europa für Winterkorn weiter das „Rückgrat für den Erfolg“.

Entgegen Befürchtungen des Wolfsburger Betriebsrats, Teile der Tiguan-Produktion ins neue US-Werk in Chattanooga (Bundesstaat Tennessee) zu verlagern, stellte Winterkorn klar: Die Linie für den kleinen Geländewagen im Stammwerk soll noch erweitert werden. Auch Forschungen zur Elektromobilität werden aus Niedersachsen gesteuert.

51 Milliarden Euro für neue Entwicklungen

Wie hoch die Investitionen letztlich ausfallen werden, ließ ein Unternehmenssprecher am Wochenende offen. Mit einer dank laufender Rekordabsätze und sprudelnder Gewinne prall gefüllten Kasse dürfte der geplante Ausbau dem Konzern mit seinen neun Marken aber kaum größere Probleme bereiten: Ende 2010 hatte der VW-Aufsichtsrat beschlossen, bereits bis 2015 insgesamt 51,6 Milliarden Euro für eine verbesserte Produktion und neue Entwicklungen lockerzumachen.

Jan-Henrik Petermann, dpa

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