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„Zeit für Evakuierungen ist vorbei“

Der Hurrikan „Irene“ hat Samstagabend (Ortszeit) die Millionenmetropole New York erreicht. Das teilte Bürgermeister Michael Bloomberg mit. Bloomberg forderte die Menschen auf, zu Hause zu bleiben und sich zu verbarrikadieren. „Die Zeit für Evakuierungen ist vorbei. Bleiben Sie, wo Sie sind. Versuchen Sie, so gut es geht, sich zu schützen“, so Bloomberg im Krisenzentrum im Stadtteil Brooklyn.

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„Wir haben getan, was wir tun konnten. Jetzt müssen wir mit Mutter Natur klarkommen.“ Die Millionenmetropole, die von starken Winden und Regenfällen heimgesucht wurde, glich unterdessen einer Geisterstadt. In Manhattan waren Bars und Restaurants geschlossen, Broadway und Times Square waren verlassen.

„Bleiben Sie drinnen“

Auf der Insel Long Island waren 400.000 Menschen von den Evakuierungen betroffen, im Bundesstaat New Jersey mehr als eine Million. In der Stadt New York selbst waren es 340.000 Menschen. Es gibt aber in den 91 Notunterkünften nur Platz für ein Fünftel davon. Einige kamen in Hotels unter, viele auch bei Freunden.

New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg

Reuters/Jessica Rinaldi

Bloomberg sprach auf Englisch und Spanisch zur Bevölkerung New Yorks

Nach den über Tage gehenden Vorbereitungen für die Evakuierungen müsse jetzt abgewartet werden, sagte Bloomberg. Weitere Aktionen seien aber zu gefährlich. „Bleiben Sie, wo Sie sind. Es ist dunkel und windig, es regnet, keine U-Bahn fährt, auch kein Bus. Bleiben Sie drinnen, draußen fliegt zu viel herum.“

Atomreaktor abgeschaltet

Auf seinem Weg entlang der Küste ist der Hurrikan Sonntagfrüh (Ortszeit) ein zweites Mal auf das Festland getroffen. Nach Angaben des US-Hurrikanzentrums erreichte „Irene“ mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 130 Stundenkilometern Atlantic City im Bundesstaat New Jersey.

Unterdessen schaltete sich ein Atomreaktor in der Nähe der US-Hauptstadt Washington nach Beschädigungen durch „Irene“ automatisch ab. Der Haupttransformator war zuvor von einer Aluminiumverkleidung getroffen worden, wie ein Sprecher der Betreiberfirma Constellation Energy Nuclear Group (CENG) am Sonntag mitteilte. Die Lage in dem AKW sei sicher. Angestellte oder die Umgebung des Kraftwerkes Calvert Cliffs im Staat Maryland seien nicht betroffen.

US-Präsident Barck Obama

AP/J. Scott Applewhite

US-Präsident Barack Obama

Obama sieht „lange 72 Stunden“

Drei Tage lang soll der Wirbelsturm „Irene“ an der US-Ostküste wüten. Für den US-Präsidenten Barack Obama „lange 72 Stunden“, wie er am Samstag bei einem Besuch in der Zentrale der US-Katastrophenschutzbehörde FEMA erklärte. „Ihr macht einen prima Job“, stärkte Obama den Krisenteams den Rücken.

Obama hatte seinen Sommerurlaub vorzeitig abgebrochen, um die Maßnahmen der Regierung gegen die Bedrohung persönlich zu überwachen. Ein Debakel wie 2005 beim Wirbelsturm „Katrina“ unter US-Präsident George W. Bush soll diesmal um jeden Preis vermieden werden. Nach Angaben des Weißen Hauses hatte Obama bereits zuvor eine Telefonkonferenz mit Heimatschutzministerin Janet Napolitano, FEMA-Chef Craig Fugate sowie mit weiteren ranghohen Katastrophenschützern abgehalten.

Elfjähriger von Baum erschlagen

Die Zahl der Toten durch Hurrikan „Irene“ stieg am Sonntag auf zehn. Die meisten Opfer wurden von entwurzelten Bäumen, herabfallenden Ästen oder herumfliegenden Trümmerteilen erschlagen, wie der Nachrichtensender CNN am Sonntag berichtete. Allein fünf Todesopfer habe es in North Carolina gegeben, drei in Virginia.

In Queenstown im Bundesstaat Maryland sei eine Frau in ihrem Haus ums Leben gekommen, als ein umstürzender Baum den Schornstein traf und durch das Dach drückte. Ein elfjähriger Bub wurde am Samstag in Newport News in Virginia von einem auf das Wohnhaus seiner Familie stürzenden Baum erschlagen. Ebenfalls in Virginia starb ein Mann, als ein Baum auf sein Auto stürzte. Ein 55-jähriger Surfer starb am Freitag bei starkem Wellengang vor der Küste Floridas.

Metro komplett geschlossen

Erste Regenfälle hatten am Samstag „Irene“ in New York angekündigt. Erstmals in der Geschichte wurde die New Yorker Metro mit ihren 468 Stationen komplett geschlossen, die 324 Buslinien der Stadt wurden eingestellt. Mehr als 10.000 Flüge wurden gestrichen, die drei Flughäfen der Stadt geschlossen. Die Behörden hatten Evakuierungen angeordnet und viele wichtige Straßen gesperrt.

Mehr als 370.000 Einwohner in Queens, der Südspitze von Manhattan, Brooklyn und Staten Island erhielten Order, ihre Häuser zu verlassen. Über 7.000 Patienten und Kranke wurden vorsorglich aus den in Küstennähe gelegenen Krankenhäusern und Altersheimen gebracht. Am späten Abend wurde auch die untere Fahrbahn der wichtigen George-Washington-Brücke gesperrt, die Manhattan mit New Jersey verbindet. Auch in Boston wurden Brücken gesperrt.

Sondersitzung der US-Börsenaufsicht

Die sonst so belebten Straßen im Zentrum der Millionenmetropole verwaisten. Bürgermeister Michael Bloomberg rechnet nicht damit, dass der öffentliche Nahverkehr am Montag wieder normal laufen kann. Auch die Stromversorgung könnte für Tage unterbrochen werden, wenn sich Betreiber Consolidated Edison entschließt, sie vorsichtshalber abzustellen. Insgesamt sind rund 1,3 Millionen Haushalte an der Ostküste derzeit ohne Strom.

Die Börsenbetreiber Nyse Euronext und NASDAQ rechnen allerdings mit normalem Handel am Montag. Es gebe Notfallstromaggregate, die den Handel sicherstellten, sagte Nyse-Sprecher Rich Adomis. Die US-Börsenaufsicht SEC will bei einer Sondersitzung am Sonntagnachmittag darüber entscheiden, ob an der Wall Street gehandelt wird oder nicht, wie eine mit den Überlegungen vertraue Person sagte.

Prognostizierte Bahn des Hurrikans "Irene" als Grafik

APA/Walter Longauer

Schwere Schäden in North Carolina und Virginia

„Irene“ war Samstagfrüh kurz vor 8.00 Uhr in North Carolina zum ersten Mal auf Festland in den USA getroffen. Die Infrastruktur wurde schwer getroffen. Allein im Bundesstaat Virginia seien mehr als 610.000 Haushalte und Geschäfte ohne Elektrizität, sagte Gouverneur Bob McDonnell gegenüber CNN. Das seien weit mehr als eine Million Menschen. „Und wir erwarten, dass es noch sehr viel mehr werden“, sagte er.

In North Carolina hatten laut CNN mindestens 516.000 Haushalte und Geschäfte keinen Strom, in Maryland waren es laut Gouverneur Martin O’Malley zunächst 40.000. Schlechte Nachrichten auch für die Südspitze Manhattans: In der teuren Gegend, die allerdings durch jetzt geschlossene Büros dominiert ist, könnte der Strom vorsorglich abgedreht werden müssen. Weil viele Leitungen über der Erde liegen, ist das amerikanische Stromnetz besonders verwundbar. Insgesamt waren an der US-Ostküste zwei Millionen Menschen ohne Strom.

805 Kilometer Spannweite

Experten schätzten, dass kein anderer Hurrikan in der Geschichte der Vereinigten Staaten so viele Menschen bedrohte. 65 Millionen Menschen könnten vom Hurrikan „Irene“ betroffen sein, der eine enorme Spannweite von 805 Kilometern hat. Mindestens 2,3 Millionen waren aufgefordert worden, sich in Sicherheit zu bringen.

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