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Chemikalien gelangen in Nahrungskette

Über ein Jahr lang hat Greenpeace die Praktiken chinesischer Textilproduzenten untersucht. Laut dem Bericht „Schmutzige Wäsche“, den die Umweltschutzorganisation am Mittwoch präsentierte, verursachen die Fabriken gefährliche Umweltverschmutzungen in Flüssen. Sie werfen außerdem kein gutes Licht auf große Textilriesen aus dem Westen.

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Die Analysen von Abwasserproben zweier bedeutender Textilfabriken im Jangtse- und Pearlfluss-Delta würden eine große Anzahl hormonell wirksamer und giftiger Chemikalien belegen. „Millionen Menschen beziehen ihr Trinkwasser aus den Flüssen, fischen und nutzen das Flusswasser für die Landwirtschaft. Beide Fabriken beliefern die Schwergewichte der Sportartikelbranche Nike und adidas sowie eine Reihe weiterer internationaler Marken“, berichtete Greenpeace. Laut einem Bericht der britischen Tageszeitung „Guardian“ befinden sich darunter auch Puma, H&M und Lacoste.

Hormonell wirksame Substanzen

Greenpeace hat in den Abwasserproben Azofarbstoffe, Schwermetalle und andere Schadstoffe mit gefährlichen Eigenschaften nachgewiesen. Unter anderem wurden organische Chemikalien wie Nonylphenol und perfluorierte Substanzen festgestellt, die hormonell wirksam sind und sich in der Nahrungskette anreichern können. Die Chemikalien kommen zwar nur in relativ kleinen Dosen vor, da diese jedoch nur schwer abbaubar sind, können sie sich zu gefährlichen Pegeln anhäufen.

Viele würden, so der „Guardian“, via Fisch in die Nahrungskette gelangen. Die Chemikalien können schädliche Auswirkungen auf die Leber und die Anzahl von Spermien haben. In China sind diese Stoffe vielfach zwar nicht verboten, den europäischen Auflagen entsprechen sie jedoch meist nicht. Youngor, einer der untersuchten Betriebe, ist Chinas größte Textilfirma. Sie rühmt sich selbst, die fortschrittlichsten Technologien für das Färben, Weben und den Druck in ganz China zu haben.

Die Tricks der Fabriken

Das zweite Unternehmen, das Greenpeace unter die Lupe nahm, ist die Well Dyeing Factory in Zhongshan. Durch deren Abwasserrohre sollen auch Schwermetalle, wie etwa Chromium und Kupfer, in Flüsse gelangen. Die Untersuchungen zeigten, so der „Guardian“, dass vor allem nachts unbemerkt von staatlichen Kontrollen gefährliche Mengen des schädlichen Abwassers in den Shiji River abflossen. Andere Unternehmen wiederum würden ihre Rohre vergraben, damit ihre schmutzigen Praktiken nicht aufflögen.

Textilfirmen dementieren Vorwürfe

Laut Greenpeace bestätigten sowohl Nike als auch adidas, Puma und H&M, Geschäftsbeziehungen mit Youngor zu unterhalten. Sie alle dementierten jedoch, von den Waschprozessen Gebrauch zu machen, über die die Chemikalien in den Fenghua-Fluss gelangen sollen. Nike-Sprecher Ryan Greenwood sagte gegenüber ORF.at, dass Nike Leistungen von zwei Produktionsschienen der Youngor Group beziehe. In diesen Fabriken würden Stoffe lediglich zugeschnitten und genäht - Chemikalien würden in diesen Prozessen nicht verwendet, versicherte Greenwood.

Ähnlich die Reaktionen der anderen Textilproduzenten: Adidas, Puma und H&M versicherten gegenüber ORF.at, nur Näh- und Zuschneidearbeiten bei Youngor-Tochterunternehmen verrichten zu lassen. Nassprozesse würden nicht bei Youngor durchgeführt. Sie alle bemühten sich zu betonen, dass auf die Umweltstandards im eigenen Unternehmen sehr großer Wert gelegt würde.

Greenpeace fordert mehr Engagement

Für Greenpeace ist das jedoch zu wenig: Die Unternehmen müssten auf strengere Umweltregularien bei ihren Zulieferfirmen bestehen, fordert die Umweltorganisation. „Diese Firmen machen Geschäfte mit Umweltsündern. Wir beschuldigen sie nicht, böse zu sein, wir fordern sie aber auf, sich bei der Eliminierung von Giftstoffen an die Spitze zu setzen“, sagte Li Yifang, der die Untersuchungen im Greenpeace-Büro in China leitete, gegenüber dem „Guardian“.

Greenpeace konfrontierte auch die beiden untersuchten Fabriken mit den Anschuldigungen. Youngor habe versichert, mit Greenpeace zusammenarbeiten zu wollen. Well Dyeing jedoch hätte die Anschuldigungen dementiert.

Kläranlagen nutzlos gegen hartnäckige Chemikalien

Die Bekleidungsindustrie ist der Umweltschutzorganisation zufolge eine der wasserintensivsten Branchen überhaupt. Für einen Kilo Stoff werden bis zu 100 Liter verbraucht. Textilien werden mehrmals gewaschen, bevor sie im Geschäft liegen. In T-Shirts und Trikots sollen sich möglichst wenige Rückstände der mehreren 1.000 Chemikalien finden, die zum Färben, Bedrucken und Imprägnieren eingesetzt werden können. Diese zum Teil gesundheitsschädlichen Chemikalien bleiben im Abwasser der Fabrik. Selbst moderne Kläranlagen können sie nicht vollständig filtern.

Die Chemiefracht aus der Industrie in Chinas Gewässern ist hoch: 70 Prozent der Flüsse und Seen gelten als verschmutzt, Umweltauflagen werden unzureichend kontrolliert. Erst durch öffentlichen Druck sind Textilfirmen dazu übergegangen, ihre Produktion ökologisch zu optimieren.

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