Methoden der Tiertötung
„Das hier ist ein Schlachthof“ - diesen Satz hört man immer wieder im Betrieb von Rudolf Großfurtner. Soll heißen: Bitte nicht naiv sein. Im oberösterreichischen St. Martin geht es blutig zu, Tiere werden getötet, es wird wirtschaftlich für einen Massenmarkt produziert - und kein Tierschutzhaus betrieben.
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Großfurtner hat zwei Standorte. Einen in Utzenaich und eben jenen in St. Martin. Alleine in letzterem werden pro Stunde 250 bis 300 Schweine geschlachtet, pro Woche sind es 10.000. 250 Mitarbeiter sorgen dort für einen reibungslosen Ablauf von der Anlieferung der Tiere bis zum Transport des Fleisches zu den Kunden - ein Prozess, der normalerweise zwei, bei Gefrierware maximal drei Tage in Anspruch nimmt.
Im gesamten Gebäude herrscht trotz der extrem niedrigen Temperaturen umtriebige Geschäftigkeit, die einem hochtechnisierten Fließbandbetrieb geschuldet ist. Die Tiere werden bei Großfurtner nicht nur geschlachtet, sondern auch zerlegt - je nach Kundenwünschen. Ein Teil, etwa die Ware für den Großkunden Tann, der Fleisch für die Supermarktkette Spar weiterverarbeitet, wird in großen Stücken - Hälften ohne Kopf und Füße - abtransportiert. Der andere Teil wird weiterverarbeitet, zu Kotelettes, Rippchen und anderen fertigen Produkten.

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Die Tiere links sind tot. Das Schwein rechts ist betäubt, lebt aber noch.
Zwischenstopp vor der Schlachtung
Der gesamte Produktionsablauf ist geprägt von Hygienemaßnahmen und Kontrollen. Die Tierärztin Ute Achleitner etwa ist für den Eingangsbereich zuständig. Die Schweine werden in Lkws angeliefert, teils von landwirtschaftlichen Betrieben selbst, teils von Speditionen, teils von der Firma Großfurtner. Mitunter sind die Tiere verletzt und insgesamt schwer in Mitleidenschaft gezogen, entweder vom Transport - 25 Prozent von ihnen werden von Deutschland angeliefert - oder aufgrund der Lebensumstände im Mastbetrieb. Achleitner meldet das dann, entweder als Feedback an die Firmen oder gleich den Behörden. Manchmal ändere sich dadurch etwas, oft aber auch nicht.
Vom Lastwagen aus werden die Tiere mit Prackern, die wie große Teppichklopfer aus Kunststoff aussehen, in die Ankunftshalle getrieben. Schläge auf Rücken und Hinterteil weisen ihnen den Weg in Boxen, der Zwischenstation vor dem Schlachten. Dort sollen sich die aufgeregten Schweine wieder beruhigen, wozu ein feiner Sprühregen beiträgt, mit dem sie berieselt werden. Während die frisch angekommenen Tiere noch aufgeregt sind und teilweise kämpfen, werden sie später tatsächlich ruhig und kuscheln sich am Boden liegend zusammen, die Augen im Halbschlaf auf Halbmast, trotz der lauten Schreie aus dem offen angrenzenden Schlachtbereich.

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Mit Prackern werden die Schweine zur Schlachtung getrieben
Der Weg zur Betäubung
Auf dem Weg dorthin kommen erneut die Pracker zum Einsatz, Unruhe kehrt wieder ein. Einzeln werden die Schweine in einen rund fünf Meter langen, oben geschlossenen Durchgang getrieben, der nur so groß ist, dass gerade eines der Tiere durchpasst und keine Chance auf Sprünge oder Drehungen hat. Es gibt nur eine Richtung: vorwärts. Ab diesem Zeitpunkt brüllen viele der Schweine.
Am Ende des Ganges wird ihnen mit einem Stock ein elektrischer Schlag versetzt, wodurch sie den entscheidenden Schritt weiterhüpfen, auf die Plattform eines Liftes. Für einen kurzen Moment lang werden die Tiere in eine Grube versenkt, in der eine 95-prozentige CO2-Konzentration herrscht. Das reicht für eine dreiminütige Betäubung.

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Der Schlachter bei der Arbeit
Die Tötung der Schweine
Der Lift, der wie ein Paternoster im Kreis fährt, kippt die bewusstlosen, noch lebenden Tiere in eine Wanne. Dort werden Haken an ihren Hinterfüßen befestigt, und sie werden hochgezogen. Die Schweine hängen schließlich kopfüber vor dem Schlachter, der ihnen mit einem gezielten Stoß ein langes Messer in den Hals treibt (und dieser Arbeit bereits seit zehn Jahren nachgeht). Eine Fontäne von Blut spritzt aus der frischen Wunde.
Das Fließband dreht sich weiter, die Ausweidung, Zerteilung, Untersuchung auf Krankheiten und die Einteilung in Qualitätsgruppen (je nach Fettanteil) beginnt. Verschiedene Stempel und ein Strichcode weisen Herkunft und Untersuchungsergebnisse aus, von der Anlieferung der Tiere bis zum fertigen Produkt.
„Tiergerechte“ Schlachtung?
Rudolf Großfurtner sagt, dass die Debatte über Tierleid nicht spurlos an seinem Betrieb vorübergegangen sei. Erstens fänden regelmäßig Kontrollen von Behörden und externen Instituten statt, abgesehen von den ständig anwesenden Tierärzten. Zweitens investiere die Firma immer wieder in „humanere“ oder „tiergerechtere“ Methoden, soweit man bei einem Schlachthof von tiergerecht sprechen könne. Die CO2-Betäubung mit dem Paternoster zählt dazu.
Optimierungsbedarf
Gut die Hälfte der Schlachthöfe in Österreich arbeitet noch mit Elektroschockbetäubung, einer umstrittenen Methode, bei der nicht alle Tiere vollkommen bewusstlos werden. Nach und nach stellen die Betriebe um. Verbesserungsmöglichkeiten gebe es immer, sagt Großfurtner. Sein Betrieb wurde darauf hingewiesen, dass beim Weg zur Schlachtung Optimierungsbedarf besteht.
Ein Experte aus der Branche, der den Betrieb kennt, hat Änderungsvorschläge. Der schmale, geschlossene Gang sei abzulehnen. Besser wäre es, wenn die Tiere in kleinen Gruppen, etwa zu viert, zum Schlachten geführt und im Paternoster heruntergelassen würden. In der Gruppe blieben sie ruhiger und fühlten sich sicherer. Auch der letzte Elektroschock sei dann wohl nicht notwendig. Großfurtner hat zu diesem Thema nun eine Arbeitsgruppe eingerichtet, und ein Termin mit einer international tätigen Beratungsfirma in diesem Bereich ist für August vereinbart.
Weniger als die Hälfte für Österreich bestimmt
Wie alle am Prozess der Massenabfertigung von Tieren beteiligten Personen spricht auch Großfurtner vom großen Kostendruck, der auf den Fleischproduzenten lastet. Die Konsumenten würden eben nur einen geringen Preis für ihr Fleisch bezahlen wollen. Die Nachfrage nach Biofleisch sei gering. Lediglich drei Prozent der von Großfurtner geschlachteten Schweine tragen ein Biogütesiegel. 25 Prozent sind AMA-geprüft. Der Rest des österreichischen Fleisches bei Großfurtner trägt kein AMA-Siegel. 25 Prozent der Tiere kommen aus Deutschland, hauptsächlich aus Bayern.
Bemerkenswert ist, dass 60 Prozent des Fleisches exportiert werden. Großfurtner nennt vor allem China, Japan und Südkorea als Abnehmer. Die Österreicher wollen nur Koteletts und ähnliches Fleisch essen - das aber zum Kampfpreis, der oft nur durch Billigimporte aus dem Ausland aufrechtzuerhalten ist, und in rauen Mengen. Kaum jemand interessiert sich heute für die Rüssel, Ohren oder Füße der Schweine. Hans Schlederer, Geschäftsführer des Verbandes landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten Oberösterreich („VLV“ bzw. „Schweinebörse“), fügt hinzu, dass in Österreich im Schnitt 20 Prozent des Schlachtgewichts in die Heimtierfutterverwertung (Hund und Katze) gehen. Großfurtner beispielsweise betreibt mit Resten eine Biogasanlage, wodurch er die Energiekosten des Unternehmens deutlich senkt.
Früher gab es den „Sautanz“
Früher war das anders. Beim „Sautanz“ wurde das Schwein am Hof im Familienkreis geschlachtet und fast komplett verwertet. Für eine Verklärung der Vergangenheit besteht dennoch kein Anlass. Die Tötungsmethoden waren noch brutaler und von Region zu Region verschieden. Mancherorts wurde mit dem Vorschlaghammer gearbeitet. Bei Rindern soll unter anderem ein geschwungener Draht zum Einsatz gekommen sein, den man den Tieren in die Nase trieb und damit im Hirn umrührte. Andererseits wurde damals weit weniger Fleisch konsumiert.
Zwischen Schreckensbildern und Wunschdenken
Für Großfurtner gilt dasselbe wie für Bauer Klaus Grimmer, einen seiner Zulieferer: Der Betrieb ist kein Negativbeispiel - sondern nach den in Österreich geltenden Standards als überdurchschnittlich zu bewerten, schon alleine weil er Journalisten mit Kameras vorlässt (andere Unternehmen antworteten der Anfrage von ORF.at mit „kein Interesse“). Importiertes Fleisch wird oft unter weit schlimmeren Bedingungen geschlachtet, und selbst in Österreich herrschen nicht selten, wie bereits erwähnt, andere Methoden vor. Die Firma produziert auch Bio- und AMA-Gütesiegel-Fleisch.
Das heißt: Wer Fleisch und Wurst isst, nimmt (zumindest) eine Schlachtung wie die hier beschriebene in Kauf. Oft, bemängelt Großfurtner, und Bauern sowie Fleischverarbeiter geben ihm Recht, würden in der Öffentlichkeit falsche Bilder vorherrschen. Einerseits gibt es grauenvolle Fotos, die von Tierschutzorganisationen gezeigt werden, die zu Recht Auswüchse anprangern. Andererseits gibt es das Wunschdenken der Konsumenten, die Tiere würden glücklich und zufrieden aufwachsen, dann angst- und schmerzfrei geschlachtet und schließlich zum Aktionspreis im Supermarktregal landen. Die Realität der Massenfleischproduktion in Österreich ist eine andere.
Simon Hadler, ORF.at
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