Themenüberblick

Anstoß für gemeinsame Außenpolitik

Den Auflösungstendenzen Jugoslawiens ist Europa Anfang der 90er Jahre hilflos gegenübergestanden. Die Tragweite des innerjugoslawischen Konflikts wurde nicht ausreichend erkannt, zudem hatte man mit dem Ende des Ostblocks noch andere Schauplätze im Blick. Letztlich gab dieses Zögern den Anstoß für die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Man kann die Europäische Gemeinschaft vor 20 Jahren nicht mit heute vergleichen. Europa hatte weniger Handlungsspielraum“, betonte Calic. Viele der außenpolitischen und militärischen Instrumente seien erst im Zuge der Balkan-Kriege entwickelt worden. Klar sei allerdings, dass in der ersten Phase nach der Unabhängigkeitserklärung Sloweniens und Kroatiens in Europa keine Einigkeit geherrscht habe: „Die Staaten zogen nicht an einem Strang. Es fehlte das Konzept.“

Entsprechend gab es auch keine Strategie bei der Anerkennungspolitik: „Das war eine Reaktion auf bestimmte Ereignisse.“ Zunächst pochten die EG-Mitglieder auf den Fortbestand eines einheitlichen Jugoslawiens. „Sezessionistische und expansionistische Tendenzen führen in eine Sackgasse“, betonte der damalige Ratspräsident der Gemeinschaft und luxemburgische Außenminister, Jacques Poos.

Widerstand gegen Anerkennung

Widerstand gegen eine Anerkennung kam vor allem von Großbritannien, Frankreich und den Benelux-Ländern. Sie fürchteten, dass der „deutschsprachige Block“ mit Deutschland und dem damals noch nicht zur EG gehörenden Österreich durch die Anerkennung eines unabhängigen Sloweniens und Kroatiens gestärkt werden könnte.

Als wenige Tage nach der Erklärung der Unabhängigkeit die militärischen Aktionen der Jugoslawischen Armee begannen, fror die EG Finanzhilfe an Jugoslawien ein. Auch der Krisenmechanismus der damaligen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), heute OSZE, wurde aktiviert. Am 15. Jänner 1992 erkannten die EG-Staaten Slowenien und Kroatien an.

Die „anfangs äußert zögerliche Haltung der Europäer“ habe auf serbischer Seite das Gefühl bewirkt, „mit ihrer Aggressivität ruhig fortfahren zu können“, analysierte später der frühere Botschafter Österreichs in Serbien, Gerhard Jandl.

EU forciert Annäherungsprozess

Fraglich ist aber, ob mit einer früheren Anerkennung die militärische Eskalation vermieden hätte werden können. Europa zog aber Konsequenzen aus dieser laut der Historikerin Marie-Janine Calic „Politik der Schadensbegrenzung“ mit einer neuen Balkan-Politik nach dem Krieg. Sie spielte vor allem beim Aufbau und mit ihrer Integrationsperspektive eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung am Balkan.

Mit dem „Regional Approach“ (Regionalen Ansatz) sollten die Beziehungen der Staaten untereinander und zur EU gestärkt, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und marktwirtschaftliche Reformen gefördert werden. Der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess 1999 ging eine Stufe weiter und stellte die Weichen für einen späteren EU-Beitritt. Mit dem im selben Jahr vor dem Hintergrund der Kosovo-Krise geschaffenen Stabilitätspakt sollten frühzeitig Konflikte erkannt und entschärft werden können.

Zwei neue Staaten

Mittlerweile gibt es zwei weitere neue Staaten auf dem Balkan, alle bewegen sich mit mehr oder weniger großen Chancen auf einen EU-Beitritt zu. In einem Referendum sagte sich 2006 die letzte ex-jugoslawische Teilrepublik Montenegro von Serbien los. Zwei Jahre später erklärte der Kosovo seine Unabhängigkeit, die aber noch nicht von allen EU-Staaten und schon gar nicht von Serbien anerkannt ist.

Während Slowenien schon seit 2004 EU-Mitglied ist, kämpfen die anderen Balkan-Staaten noch darum. Kroatien erhielt erst Anfang Juni offiziell grünes Licht von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso, dass die Beitrittsverhandlungen positiv abgeschlossen werden könnten. Am Freitag gaben auch die Staats- und Regierungschefs der EU ihre Zustimmung, dass Kroatien unter begleitendem Monitoring als 28. Mitglied voraussichtlich im Juli 2013 der EU beitreten kann.

Serbien hofft auf Mladic-Effekt

Serbien verstärkt seit der Auslieferung des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Ratko Mladic seine Bemühungen und fordert ein konkretes Datum für den Beginn von Beitrittsgesprächen und damit den Status eines Beitrittskandidaten. Die Liste der Hausaufgaben sei aber durch die Auslieferung nicht reduziert, stellte EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle klar. Neben den Kopenhagener Kriterien spiele auch der Dialog mit der kosovarischen Führung in Pristina eine große Rolle.

Für Mazedonien stellte Füle in Aussicht, dass möglicherweise noch vor Jahresende Verhandlungen beginnen könnten, bisher wird dieser Prozess durch den Namensstreit mit Athen noch blockiert. Auch Montenegro wartet auf die Aufnahme von Verhandlungen. Für Kosovo und Bosnien-Herzegowina scheint der EU-Beitritt in naher Zukunft nicht realistisch.

Link: