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Verkehrte Welt

Der Schriftzug „Made in China“ ist zum Inbegriff für Massenware der asiatischen Supermacht geworden. Kaum ein Produkt scheint heute nicht in China gefertigt zu werden. Doch wenn es um Essstäbchen geht, ist das bevölkerungsreichste Land der Welt auf fremde Hilfe angewiesen.

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China, der größten Exportnation der Welt, mangelt es an Holz zur Herstellung von Einwegessstäbchen. Deshalb wird das traditionelle Besteck neuerdings auch aus einer US-Kleinstadt importiert, wie die „New York Times“ berichtet. Das Unternehmen Georgia Chopsticks mit Sitz südlich von Atlanta stellt täglich an die zwei Millionen Stäbchen für den asiatischen Raum her, die großteils an chinesische Supermärkte und Restaurants sowie nach Japan, Korea und innerhalb der USA verkauft werden.

„Ich wusste, es gibt Bedarf“, sagt der gebürtige Südkoreaner Jae Lee, Geschäftsführer von Georgia Chopsticks im Interview mit „The Atlanta Journal-Constitution“. „Ich dachte, ich könnte daraus Profit schlagen.“ Und er behielt recht. Im November vergangenen Jahres gründete er das Unternehmen und schickte die ersten Prototypen nach Übersee. Innerhalb weniger Monate musste Lee aufgrund der hohen Nachfrage expandieren, eröffnete eine Fabrik in einer Kleinstadt und landete damit einen Coup.

„Made in Americus“

Die 17.000-Einwohner-Kleinstadt Americus im Westen Georgias stellte sich als idealer Produktionsstandort für die beliebten Essstäbchen heraus. Die umliegenden Wälder sind reich an Pappel- und Amberholz, das sich aufgrund seiner Konsistenz und Dichte sowie der richtigen Mischung aus Härte und Weichheit besonders für die Herstellung des traditionellen Bestecks eignet. Die Region ist schon lange für seine aktive Holzwirtschaft und Papierproduktion bekannt.

Stäbchen schaffen Arbeitsplätze

Die ehemalige Industriestadt Americus hat einen längeren Niedergang hinter sich, da viele Firmen die Produktion an billigere Standorte ins Ausland verlegten. Laut der Lokalzeitung „The Americus Times-Recorder“ hofft Geschäftsführer Lee dank der Nachfrage aus Asien, die lokale Wirtschaft anzukurbeln. Das Unternehmen hat derzeit 25 Angestellte. Im Endausbau soll die Essstäbchenfabrik 150 Menschen beschäftigen.

Americus war erst vor vier Jahren von einem Tornado heimgesucht worden, zuletzt hatte die Wirtschaftskrise die Kleinstadt stark getroffen. Angesichts einer Arbeitslosenrate von zwölf Prozent ist man in der Kleinstadt um jeden neuen Job froh.

450 Bewerbungen flatterten seit der Fabrikeröffnung im Mai bereits in Lees Büro. Er hofft, mit kompletter Belegschaft an die zehn Millionen Essstäbchen täglich produzieren zu können. Lees Mitarbeiter müssen in Zukunft wohl nicht befürchten, ihren Job zu verlieren. Denn China verbraucht Schätzungen zufolge 45 Milliarden Einwegstäbchen im Jahr - das sind fast zwei Millionen Kubikmeter Holz jährlich. Peking kämpft allerdings seit langem dafür, den Gebrauch von Wegwerfstäbchen massiv einzudämmen - alle Versuche blieben bisher aber erfolglos.

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