Rätselraten über Gaddafis Aufenthalt
Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi bleibt weiter im Visier der NATO. Bei Luftangriffen auf Ziele in der Hauptstadt Tripolis feuerten Kampfflugzeuge in der Nacht auf Dienstag mehrere Raketen auf Gebäude ab, zu denen nach Berichten von Augenzeugen auch eine Unterkunft Gaddafis gehörte. Bei der Bombardierung von Gaddafis Residenz Ende April starben mehrere Familienmitglieder.
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Innerhalb von drei Stunden wurde die libysche Hauptstadt Tripolis von mindestens acht schweren Explosionen erschüttert, wie Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Im Westen des Landes machten Rebellen im Kampf gegen Gaddafi-Truppen offenbar wieder Boden gut.
Kommandostützpunkt getroffen
Wie die staatliche Nachrichtenagentur JANA meldete, dürfte die NATO mehrere Ziele in der Hauptstadt angegriffen haben. Unter anderem seien ein Kommandostützpunkt des Militärgeheimdienstes und ein Militärlager getroffen worden, berichteten Oppositionsmedien und arabische Fernsehsender. Das nordatlantische Bündnis in Brüssel sprach lediglich vage von „drei Kontroll- und Kommandoeinrichtungen“.
Auch Gebäude der Justizbehörden sollen getroffen worden sein. Dabei wurden nach Angaben libyscher Behörden vier Kinder zum Teil schwer verletzt. Die Behörden präsentierten Medienvertretern ein zerstörtes Gebäude, das die libysche Hochkommission für Kinder beherbergt haben soll.
„Wissen nicht, ob er noch lebt“
Berichte über die Zerstörung einer Unterkunft Gaddafis konnten am Dienstag nicht bestätigt werden. Zumindest dürfte es bei dem Angriff keine Toten gegeben haben. Ende April sind bei der Bombardierung der prunkvollen Residenz Gaddafis sein jüngster Sohn und drei seiner Enkel getötet worden. Der Machthaber wurde seitdem nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Italienische Medien spekulieren bereits, dass auch der Revolutionsführer am 30. April ums Leben gekommen sein könnte.
Auf Fragen der Journalisten erklärte NATO-General Claudio Gabellini laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA: „Wir haben keine Hinweise darüber, ob er lebt oder tot ist. Wir wissen nicht, wo sich Gaddafi im Moment aufhält.“ Man sei an dem Aufenthaltsort auch nicht wirklich interessiert, erklärte Gabellini. „Unsere Aufgabe ist es, die libysche Zivilbevölkerung zu beschützen und militärische Ziele anzugreifen, und nicht spezifische Einzelziele.“
Revolutionsfahnen wehen an Schulen
Indes mehren sich die Indizien dafür, dass der Kreis der Unterstützer Gaddafis schrumpft. Ein Augenzeuge berichtete aus Tripolis, in der Hauptstadt sei an einigen Schulen die Fahne der Aufständischen gehisst worden. In den vergangenen Tagen habe es zudem mehrfach nächtliche Razzien und Verfolgungsjagden gegeben. Die Opposition berichtete von kleineren Demonstrationen in den Stadtteilen Suk al-Dschumaa und Tadschura.
Laut der regierungskritischen Zeitung „Brniek“ haben sich zahlreiche Bewohner den Rebellen angeschlossen und bereiten einen Protestmarsch in Richtung Stadtzentrum vor. Selbst Angehörige der Sicherheitskräfte würden die Aufständischen unterstützen und sie mit Waffen versorgen. Der Bericht konnte zunächst nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden.
Rebellen vor Eroberung der Stadt Sintan
Im Westen Libyens konnten die Aufständischen in der Nähe der Stadt Misrata unterdessen Erfolge gegen Gaddafi-Truppen verbuchen. Nach Angaben eines AFP-Korrespondenten rückten die Rebellen etwa 15 Kilometer zwischen Misrata und Tripolis vor. Nach Einschätzung eines Verantwortlichen der Rebellen an der Front rückt damit die Eroberung der zwischen Misrata und Tripolis gelegenen Stadt Sintan in greifbare Nähe. Vieles hänge jedoch von der Unterstützung durch die NATO aus der Luft ab.
UNO-Hilfsorganisationen fordern Waffenruhe
Die Lage für die Bevölkerung bleibt aber nach wie vor katastrophal. UNO-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos rief zu einer Waffenpause auf, damit Hilfsgüter verteilt werden könnten. Ungeachtet der Forderungen der internationalen Gemeinschaft würden Zivilisten weiter angegriffen, erklärte Amos am Montag im UNO-Sicherheitsrat in New York. Insbesondere in Misrata würde es an Trinkwasser, Lebensmitteln und anderen Bedarfsgütern fehlen, sagte sie.
Erst die Hälfte der Hilfsgelder eingetroffen
Nach UNO-Angaben flohen seit dem Beginn der Kämpfe bereits knapp 750.000 Menschen aus Libyen. Angaben zur Zahl der Todesopfer seit Beginn des Konflikts Mitte Februar machte Amos nicht. Noch immer säßen etwa 5.000 Flüchtlinge an Grenzübergängen nach Ägypten, Tunesien und Niger fest, rund 58.000 seien im Osten Libyens auf der Flucht, teilte Amos mit. Von notwendigen 300 Mio. Dollar (etwa 208 Mio. Euro) Nothilfe hätten die Vereinten Nationen bisher 144 Millionen Dollar erhalten.
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