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Dutzende Flüchtlinge verdurstet

Die NATO hat am Montag Vorwürfe vehement zurückgewiesen, wonach auf Schiffen des Bündnisses Hilferufe von Flüchtlingen aus Libyen ignoriert wurden und die NATO somit Mitschuld am Tod Dutzender Schiffbrüchiger trage.

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„Die NATO-Schiffe sind sich ihrer Verantwortung gemäß dem internationalen Seerecht voll und ganz bewusst“, sagte in diesem Zusammenhang NATO-Sprecherin Carmen Romero. Sie betonte gleichzeitig, dass sämtliche Behauptungen, ein Flugzeugträger der NATO habe ein in Seenot befindliches Flüchtlingsboot zwar lokalisiert, sei dann aber nicht zu Hilfe gekommen, „falsch“ seien.

Romero verwies zudem darauf, dass NATO-Soldaten erst kurz vor dem berichteten Zwischenfall bei zwei Aktionen rund 500 Menschen auf offener See vor dem Ertrinken bewahrt hätten.

16 Tage im Mittelmeer getrieben

Die britische Tageszeitung „The Guardian“ berichtete zuvor, von 72 Passagieren eines Flüchtlingsbootes aus der Nähe von Tripolis - darunter Frauen, Kinder und politisch Verfolgte - hätten nur elf überlebt. Die anderen 61 seien umgekommen, obwohl die besorgniserregende Lage ihres kleinen Bootes den vor der Küste Libyens patrouillierenden europäischen Streitkräften klar gewesen sei.

Das Flüchtlingsboot trieb laut Zeitung nach einem Ausfall des Motors wegen Treibstoffmangels 16 Tage im Mittelmeer. „Jeden Tag wachten wir auf und fanden neue Leichen, die wir nach 24 Stunden über Bord warfen“, zitierte das Blatt einen Überlebenden.

Die Passagiere hätten per Satellitentelefon einen Mittelsmann in Rom informiert, der wiederum die italienische Küstenwache benachrichtigt habe. Ein Hubschrauber sei dann über dem Boot angekommen: Die Besatzung habe Trinkwasser herabgelassen und Hilfe angekündigt. Diese sei nie angekommen. Später hätten die Flüchtlinge einen Flugzeugträger gesehen, von dem zwei Jets aufgestiegen und niedrig über die Schiffbrüchigen geflogen seien. Auch dann jedoch sei keine Hilfe gekommen.

Scharfes Dementi auch aus Frankreich

Die NATO-Sprecherin sagte, zum fraglichen Zeitpunkt habe sich lediglich der italienische Flugzeugträger „Garibaldi“ im Mittelmeer befunden - allerdings etwa 100 Seemeilen von der Unfallstelle entfernt. Der „Guardian“ schrieb, dass der Flugzeugträger, von dem Überlebende berichteten, das französische Schiff „Charles de Gaulle“ gewesen sei.

Laut Sprecher der französischen Streitkräfte, Thierry Burkhard, sei allerdings weder die „Charles de Gaulle“ noch ein anderes französisches Kriegsschiff jemals in Kontakt mit dem Flüchtlingsboot gekommen.

Ein Sprecher der italienischen Küstenwache bestätigte unterdessen, dass dank des Hilferufs per Satellitentelefon das Schiff in maltesischen Gewässern lokalisiert und „sämtliche Schiffe“ in der Region alarmiert werden konnten. Wäre man in der Nähe gewesen, hätte man „mit Sicherheit“ interveniert, betonte zudem Massimo Maccheroni von der italienischen Marine.

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