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„Noch kein offizieller Antrag“

Die pakistanische Regierung hat einen US-Medienbericht dementiert, wonach sie US-Terrorfahndern direkten Zugang zu den drei Witwen des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden gewähren will. „Die USA haben bisher nicht offiziell beantragt, Zugang zu Bin Ladens Witwen zu bekommen“, sagte Außenstaatssekretär Salman Bashir am Dienstag in Islamabad.

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„Wir werden das Thema erwägen, wenn sie einen formalen Antrag stellen.“ Der Sender CBS hatte am Montag (Ortszeit) berichtet, US-Beamte dürften die Frauen persönlich vernehmen und nicht nur Fragen bei den pakistanischen Behörden einreichen. Der Sprecher der US-Botschaft in Islamabad, Alberto Rodriguez, sagte auf Anfrage, er wisse nicht, ob die US-Behörden einen entsprechenden Antrag gestellt hätten. „Ich habe auch die Medienberichte gesehen, habe aber keine Informationen.“

Zuvor hatte CBS gemeldet, US-Terrorfahnder dürften die drei Ehefrauen des getöteten Al-Kaida-Chefs verhören, wenn deren Herkunftsländer zustimmen. Die Frauen sollen in ihre Heimatstaaten überstellt werden, sobald ihre Befragung durch pakistanische Behörden abgeschlossen ist, berichtete der Sender am Montag (Ortszeit) weiter unter Berufung auf den pakistanischen Geheimdienst.

Frauen aus Saudi-Arabien und dem Jemen

US-Angaben zufolge stammen zwei der Frauen aus Saudi-Arabien, eine aus dem Jemen, berichtete davor CNN. Die Ehefrauen waren während der Erstürmung von Bin Ladens Anwesen vor einer Woche festgenommen worden und befinden sich in pakistanischem Gewahrsam. Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, hatte zuvor gesagt, die USA seien „sehr interessiert daran, Zugang zu den drei Ehefrauen (...) zu erhalten, ebenso zu Informationen und Material, das Pakistan sammelte, nachdem die US-Soldaten abgezogen waren“. Die USA „hoffen und erwarten“, in diesen Fragen voranzukommen.

Gegenüber NBC sagte der US-Sicherheitsberater Tom Donilon, dass Washington bisher keine Anhaltspunkte habe, dass Pakistan mit Bin Laden kooperiert hatte. Allerdings fordert er, dass die pakistanischen Behörden Geheimdienstinformationen von Bin Ladens Zufluchtsort zur Verfügung stellen.

15 Familienmitglieder in Gewahrsam

Nach der Tötung von Bin Laden sind 15 Mitglieder seiner Familie in Gewahrsam der pakistanischen Sicherheitskräfte und werden vom Geheimdienst ISI verhört - unter ihnen zahlreiche Kinder Bin Ladens und eben auch drei Witwen. Ihre Aussagen sollen Aufschluss über Bin Ladens Leben und die Verzweigungen von Al-Kaida geben.

Die jüngste von Bin Ladens Frauen ist die 28-jährige Jemenitin Amal Ahmed Abdelfattah. Sie wurde bei dem Angriff auf Bin Laden verletzt. Mit ihr war der Al-Kaida-Chef seit dem Frühling 2000 verheiratet. Diese arrangierte Heirat war auch bei einigen Familienmitgliedern umstritten, war sie doch jünger als einige Kinder Bin Ladens. Zuvor hatte Amals Familie keine Verbindungen zu Al-Kaida. Bin Laden soll mit fünf Frauen insgesamt 20 Kinder gezeugt haben.

Nach Aussage von Amal verließ Bin Laden das Haus in Abbottabad in den vergangenen fünf Jahren nicht. Zuvor verbrachte seine Familie zweieinhalb Jahre in einem Dorf im Norden Pakistans. Demnach verließ Bin Laden die Grenzregion zu Afghanistan bereits zwischen 2003 und 2004 und zog - ohne beunruhigt zu sein - in die urbaneren Regionen im nördlichen Pakistan.

„Favoritin“ Bin Ladens

Auch die zwei Witwen Umm Hamsa und Umm Chaled, beide aus Saudi-Arabien, die zahlreiche Details über das Terroristennetzwerk kennen sollen, wollen die USA befragen. Der älteste Sohn von Umm Chaled und Bin Laden, Chaled, wurde bei dem US-Angriff getötet.

Vor allem Umm Hamsa galt als „Favoritin Bin Ladens aufgrund ihres Wissens in islamischer Wissenschaft“, sagte Al-Kaida-Mitglied Nasser al-Bahri laut der französischen Tageszeitung „Le Figaro“. Bin Laden soll die heute 62-jährige Umm Hamsa regelmäßig konsultiert haben. Laut Bahri war Umm Hamsa, obwohl sie mit Bin Laden nur ein Kind hatte, „ein bisschen die Mutter aller Dschihadisten“. Sie soll bei Eheschwierigkeiten geholfen und alle Kindern Bin Ladens den Koran gelehrt haben.

Erster Anschlag nach Bin-Laden-Tötung

Beim ersten Terroranschlag in Pakistan seit der Tötung Bin Laden kamen am Dienstag im Nordwesten des Landes zwei Menschen ums Leben. Distriktspolizeichef Mohammad Qurish Jan sagte, eine Polizistin und ein Zivilist seien bei der Detonation einer Bombe vor einem Gerichtsgelände in der Stadt Nowshehra gestorben. Acht Menschen seien verletzt worden. Unbekannte hätten den ferngesteuerten Sprengsatz gezündet, als Polizisten Besucher am Tor des Geländes durchsuchten.

Zunächst bekannte sich niemand zu der Tat. Unklar blieb, ob der Anschlag in Zusammenhang mit der Tötung Bin Ladens stand. Die pakistanischen Taliban und Al-Kaida haben Rache für den Tod des Topterroristen geschworen.

„Fataler Schlag“ gegen Al-Kaida

Bereits jetzt spricht US-Präsident Barack Obama von einem „fatalen Schlag“ gegen das Terrornetzwerk. „Das bedeutet nicht, dass wir den Terrorismus besiegen werden“, betonte er aber in der Sendung „60 minutes“ auf CBS. Al-Kaida habe auch in anderen Teilen der Welt „Metastasen“ gebildet, die angegriffen werden müssten. Es gebe aber eine Chance, gegen Al-Kaida vorzugehen.

Zum ersten Mal sprach Obama auch öffentlich über das, was er empfand, als er den Angriff auf das Bin-Laden-Versteck per Bildschirm im Weißen Haus verfolgte. Dort sei es sehr still und angespannt gewesen. „Es waren die längsten 40 Minuten meines Lebens“, gab Obama zu. Nur als seine kleine Tochter Sasha im Alter von drei Monaten Meningitis hatte, sei er ähnlich angespannt gewesen. Seine erste Sorge habe den Einsatzkräften der Navy SEALs gegolten und der Frage: „Wenn ich sie reinschicke, wie kann ich sie auch wieder herausholen?“

Keine Bedenken wegen Bin-Laden-Tötung

Die Erleichterung sei sehr groß gewesen, als die Einsatzkräfte aus dem Gebäude herauskamen und verkündeten: „Geronimo (so der Deckname Bin Ladens) ist getötet worden.“ Obama sagte, nur die wenigsten Mitarbeiter des Weißen Hauses hätten von den Plänen gewusst - auch nicht seine Familie. Die Chance, den Einsatz erfolgreich zu beenden, sei 55 zu 45 gestanden. Es sei nicht sicher gewesen, dass sich Bin Laden zu dem Zeitpunkt in dem Haus aufhielt.

„Es war es wert, das politische Risiko zu tragen und das Risiko für unsere Männer“, sagte Obama. Mit dem Vorwurf, dass bei der Aktion Menschen getötet worden seien, komme er klar. „So nervös ich während des ganzen Prozesses war: Die Tatsache, die mir am wenigsten den Schlaf geraubt hat, war die, dass wir Bin Laden ausgeschaltet haben.“

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