Themenüberblick

Bin Laden, wie ihn keiner kannte

Nach dem Tod von Osama bin Laden entdeckte Videos belegen nach Meinung der US-Regierung, dass der Al-Kaida-Chef bis zuletzt „aktiv“ war. Die von der US-Regierung freigegebenen Aufnahmen seien bei dem Übergriff auf das Versteck Bin Ladens in Pakistan sichergestellt worden. Zu sehen ist ein Bin Laden, wie ihn die Öffentlichkeit bisher nicht kannte.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Das Pentagon in Washington gab insgesamt fünf Videoclips des getöteten Topterroristen frei. Einer der Filme zeigt den stark gealterten Al-Kaida-Chef mit grauem Haar und Bart. Gebeugt sitzt er mit einer Decke über den Schultern und einer Strickkappe auf dem Kopf vor dem Fernseher, während er gelegentlich nickend vor- und zurückwippt. Mit einer Fernbedienung in der Hand springt er von Kanal zu Kanal, es werden vorwiegend Bilder von ihm selbst gezeigt - Video dazu in iptv.ORF.at.

Karges Ambiente

Seinen linken Arm setzt er nicht ein. Nach Meinung der Ermittler könnte das darauf hindeuten, dass der Terrorchef bleibende Verletzungen einer Schusswunde davongetragen hatte. Bin Laden sitzt in einem kargen Raum mir kahlen Wänden. Sein altmodischer TV-Apparat ist mit einem Decoder verbunden. Unklar ist, ob der Raum zu Bin Ladens Anwesen in Abbottabat gehört, wo ihn US-Spezialkräfte am vergangenen Sonntag überwältigten und töteten.

Die TV-Bilder, die sich Bin Laden ansieht, sind bekannt: So zeigt ihn eines, wie er mit einem Kalaschnikow-Gewehr zielt, ein anderes wie er mit einem Stock in der Hand einen Hang hinuntersteigt.

Das „Making of“ einer Videobotschaft

Medienwirksamer präsentiert sich Bin Laden in einer bis zu seinem Tod nicht ausgestrahlten Videobotschaft an die USA, in der er nach Ermittlerinformationen gegen den Kapitalismus wettert. Das Video soll laut US-Angaben zwischen dem 9. Oktober und dem 5. November vergangenen Jahres aufgenommen worden sein. Es trage den Titel „Eine Botschaft an das amerikanische Volk“, wird ein ranghoher US-Geheimdienstvertreter in Medienberichten zitiert. Am unteren rechten Bildrand sei das Logo „As Sahab“ zu sehen.

Osama bin Laden in einer Videoaufzeichnung

AP/Department of Defense

Für eine bisher unbekannte Videobotschaft färbte sich Bin Laden Haare und Bart.

Für das Video hat sich Bin Laden offensichtlich Haare und Bart schwarz gefärbt. Er wirkt geschminkt. Die drei weiteren Videos zeigten jeweils, wie der Al-Kaida-Chef für Videobotschaften übt.

Wortlaut soll geheim bleiben

Das Pentagon hatte Samstagmittag (Ortszeit) eine Reihe ausgewählter, amerikanischer Journalisten zu einem Briefing eingeladen, um die - tonlosen - Kopien der Filme auszugeben. Der Wortlaut der Botschaften soll geheim bleiben. Das Material gehört zu den über Hundert Audio- und Videodokumenten, die amerikanische Spezialkräfte vor einer Woche beim Sturm auf Bin Ladens Anwesen in Abbottabad, nahe der pakistanischen Hauptstadt Islamabad, sichergestellt hatten.

Nach US-Angaben sei der Chef des Terrornetzwerks bis zu seinem Tod „aktiv“ gewesen und habe seinem Terrornetzwerk aus seinem Versteck in Abbottabad "strategische, operationelle und taktische Anweisungen erteilt, sagte ein US-Geheimdienstvertreter. Das dort beschlagnahmte Material sei der „wichtigste“ Fund an jemals gefundenen Terrorvideos.

Brachte Privattelefonat Fahnder auf die Spur?

Aus Ermittlerkreisen in Washington drang unterdessen an die Öffentlichkeit, dass ein privates Telefonat die Fahnder auf die Spur des Topterroristen geführt hatte. Demnach erregte ein Handygespräch von Bin Ladens Kurier mit einem alten Freund die Aufmerksamkeit des US-Geheimdienstes. Der Freund habe den Kurier, Abu Ahmed al-Kuwaiti, gefragt, wo er denn so lange gesteckt habe. Daraufhin habe der geantwortet: „Ich bin wieder bei den Leuten, bei denen ich früher war.“

Als die Agenten dieses Gespräch mitgehört hätten, sei ihnen klar gewesen, dass sie auf eine heiße Spur geführt worden seien, so die „Washington Post“ - ungeachtet der strengen Vorsichtsmaßnahmen des Bin-Laden-Teams. So habe es auf dem Gelände in Abbottabad, auf dem sich der Topterrorist versteckt hielt, weder eine Telefon- noch Internet- noch Fernsehleitung gegeben. Mitarbeiter des Al-Kaida-Chefs seien zum Telefonieren 90 Minuten weit weg gefahren. Erst dann hätten sie die Batterien in ihre Handys gelegt.

Hektische Auswertung

„Eine kleine Armee“ von Spezialisten der CIA und der Bundespolizei FBI wertet laut dem Bericht derzeit die in Abbottabad sichergestellten Unterlagen und technischen Geräte aus. Neben Festplatten von Computern, Disketten, DVDs und Mobiltelefonen seien aus Bin Ladens Unterschlupf auch unzählige Dokumente geborgen worden. „Alle Mann sind am Deck“, beschrieb ein Ermittler die hektische Arbeit der Spezialisten.

Links: