Referendum angekündigt
Der Sieg der separatistischen Schottischen Nationalpartei (SNP) bei den Wahlen zum Regionalparlament hat der Debatte über eine Unabhängigkeit Schottlands neue Nahrung gegeben. Die SNP hatte bei den Wahlen am Freitag zum ersten Mal eine absolute Mehrheit erreicht. Es wird nun erwartet, dass in einigen Jahren ein Referendum über eine Trennung Schottlands von Großbritannien abgehalten werden könnte.
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Die Partei hat nun 69 der insgesamt 129 Sitze im Parlament von Edinburgh. Der Chef der linksliberalen SNP, Alex Salmond, kündigte ein Referendum in den kommenden fünf Jahren an. „Wir machen Geschichte“, sagte er. Am Samstag wurde der SNP-Sieg von politischen Kommentatoren als historisch gefeiert.
Cameron will für Einheit kämpfen
Der bisherige SNP-Finanzminister John Swinney kündigte an, dass das schottische Regionalparlament bei der Frage der Unabhängigkeit nun in einer deutlich stärkeren Position sei. „Deshalb muss die britische Regierung nun ganz genau hinhören, was die schottische Regierung sagt.“
Der britische Premierminister David Cameron lehnte nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse eine Abspaltung Schottlands von Großbritannien vehement ab. „Wenn eine Volksabstimmung über die Frage eines Vereinten Königreichs abgehalten werden sollte, werde ich mit jeder Faser meines Körpers dafür eintreten, das Vereinte Königreich zusammenzuhalten.“
Juristisch umstritten
Zudem ist juristisch umstritten, ob die schottischen Abgeordneten überhaupt eine Volksabstimmung anordnen dürfen. Der sogenannte „Scotland Act“, der die Rechte und Aufgaben des Parlaments festlegt, sieht nämlich vor, dass Verfassungsreformen und Volksabstimmungen der gesamtbritischen Regierung in Westminster vorbehalten sind. Zumindest theoretisch könnte der Premierminister damit die Initiativen für eine Abspaltung stoppen. Praktisch wäre es aber nicht denkbar, dass er den Willen der Schotten einfach übergeht.
Die Frage ist aber zunächst, ob in einem Referendum überhaupt eine Mehrheit für eine Abspaltung möglich wäre. Derzeit gehen die Umfragen davon aus, dass 25 bis 35 Prozent mit Ja stimmen würden. Allerdings waren die hohen Gewinne der SNP nicht vorhergesehen worden.
Wirtschaftlich gefährlich
Vor allem wirtschaftlich ist unklar, ob es Schottland alleine schaffen kann. Die Schotten geben pro Jahr rund 3,8 Milliarden Pfund mehr aus, als sie mit Steuern einnehmen. So finanzieren sie quasi mit englischen Steuergeldern Altenpflege und Hochschulzugang ohne Gebühren für Schotten. Völlig unklar ist, wie die Aufteilung von Gewinnen aus Öl- und Gasfeldern in der Nordsee aussehen könnte und welche Auswirkungen das auf in Schottland beheimatete Firmen hätte.
Und müsste Schottland einen Teil der Staatsschulden Großbritanniens zurückzahlen? Die Royal Bank of Scotland hatte etwa zu den größten Verlierern der globalen Krise gehört. In den Jahren 2008 bis 2010 hatte sie einen Verlust von rund 29 Milliarden Pfund angehäuft. Ohne Rettung aus London und die Verstaatlichung hätte es womöglich schlecht ausgesehen.
Wie kann Unabhängigkeit aussehen?
Ganz klar ist auch noch nicht, wie eine solche Unabhängigkeit überhaupt aussehen könnte. Eine Möglichkeit wäre, dass Schottland zwar seine Finanzpolitik alleine regelt, bei der Außen- und Verteidigungspolitik aber weiter Teil des Vereinigten Königreichs bleibt.
Die schottische Volksvertretung war 1999 erstmals gewählt worden - rund 300 Jahre nachdem Schottland seine Unabhängigkeit an London verloren hatte. Das Parlament in Edinburgh hat umfassende Kompetenzen und kann derzeit beispielsweise über Gesundheits-, Bildungs- und Verkehrspolitik bestimmen. Über Außenpolitik, Verteidigung, nationale Sicherheit und Steuerpolitik wird aber in London entschieden.
Salmond tritt für eine „Partnerschaft unter Gleichen“ und eine „soziale Union“ ein. Die Queen würde weiter Staatsoberhaupt bleiben, und Schottland würde zunächst die britische Pfund-Währung behalten.
Kleinere Reformen zuerst
Er werde „den richtigen Zeitpunkt“ für ein Referendum abwarten, kündigte Salmond an, dem eine neue Amtszeit als Erster Minister Schottlands bevorsteht. Beobachter vermuten, dass dieser Zeitpunkt erst nach 2015 kommen könnte, wenn es der schottischen Wirtschaft wieder besser gehen soll.
Ein Mitarbeiter von SNP-Chef Salmond sagte, Priorität habe zunächst die Reform des Schottland-Gesetzes, das vom Londoner Parlament verabschiedet werden soll. Vorgesehen ist eine Stärkung des Regionalparlaments.
Mehr finanzielle Macht
Salmond will mehr finanzielle Macht und unter anderem erreichen, dass Schottland seine eigene Unternehmenssteuer festlegen darf. Auf seiner Agenda stehen außerdem die Reform der Polizei und das Ziel, bis zum Jahr 2020 den gesamten Strombedarf Schottlands aus erneuerbaren Energien zu decken. Salmond hat nun auch die Macht, ein umstrittenes Programm für einen Mindestpreis bei alkoholischen Getränken durchzubringen.
Veränderungen scheinen aber jedenfalls gewiss. BBC-Experte Ross Hawkins meinte: „Das waren Wahlen in Schottland, wie wir sie noch nie hatten. Die Folgen werden noch über Jahre im ganzen Vereinigten Königreich zu spüren sein und die politische Form des Landes womöglich für immer verändern.“
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