Massenproteste gegen neue Verfassung
Tausende Ungarn haben am Wochenende gegen die Verfassungsreform demonstriert, über die am Montag im ungarischen Parlament abgestimmt wurde. Kritiker sehen in der geplanten Verfassung eine Beschränkung der Bürgerrechte und werfen Regierungschef Viktor Orban vor, mit ihr seine Macht ausbauen zu wollen. Der frühere sozialistische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany (2004-2009) warf Orban Streben nach „Alleinherrschaft“ vor.
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Nach der neuen Verfassung wäre Orban bei einer Niederlage bei der Parlamentswahl 2014 noch immer befugt, das Parlament aufzulösen und vorgezogene Neuwahlen einzuberufen. Nichtregierungsorganisationen kritisieren zudem, dass die Verfassung von einer starken „christlich-rechten Ideologie“ geprägt sei, durch die Atheisten, Homosexuelle und alleinerziehende Eltern benachteiligt würden.

APA/EPA/Szilard Kosszticsak
Tausende protestierten am Wochenende gegen Ungarns Regierung.
Bei drei Kundgebungen in Budapest kritisierten Tausende Menschen aus unterschiedlichen politischen Kreisen, die neue Verfassung sei ohne Mitwirkung der Bürger ausschließlich von Orbans rechtsnationaler Partei FIDESZ gestaltet und auf deren Interessen zugeschnitten worden.
Orban ließ zu den Protesten erklären, dass es sich um ein Grundgesetz handle, „auf das alle Ungarn stolz sein können“. Die neue Verfassung biete Schutz vor „schweren politischen Verbrechen“, die „die Regierungen der Gyurcsany-Ära begangen haben“.
Pressefreiheit „mit Füßen getreten“
Mit der neuen Verfassung isoliere FIDESZ das Land „in Europa und in der Welt“, sagte Gyurcsany am Wochenende bei einer Kundgebung seiner Organisation Ungarische Demokratische Charta. FIDESZ und Orban hätten die Republik verraten, die Pressefreiheit „mit Füßen getreten“ und schüchterten jetzt die Justiz ein.
Zuvor hatten schon Tausende auf Initiative einer Bewegung demonstriert, die sich über das Internetnetzwerk Facebook gegen das neue Mediengesetz formiert hat und parteipolitisch unabhängig sein will. Die Demonstranten kritisierten, dass es kein Referendum über die Verfassungsreform geben soll. Die neue Verfassung diene nur dem „Machthunger“ der Regierenden.
„Nationales Glaubensbekenntnis“
Das „Nationale Glaubensbekenntnis“, das die Verfassung als Präambel einleitet, erinnere in Stil und Inhalt an die faschistische Ideologie der 1930er Jahre.
„Auch Orban wird sein Schicksal ereilen“, sagte am Sonntag auf einer Kundgebung der grün-liberalen Parlamentspartei LMP deren Fraktionsvorsitzender Andras Schiff. Der FIDESZ-Regierung stehe ein baldiges Ende bevor. Kritisiert wurde unter anderem, dass die Klage vor dem Verfassungsgericht dem Entwurf zufolge nicht mehr allen Ungarn offenstehen wird.
Mehrheit für Referendum
Laut einer Umfrage fordert die Mehrheit der Ungarn ein Referendum über die neue Verfassung. Das zeigte das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Median am Freitag. Nahezu 60 Prozent der Befragten sind für eine Volksabstimmung, die jedoch von der rechtskonservativen Regierung abgelehnt wird. Unter den Sympathisanten der Oppositionsparteien sind es 77 Prozent und unter den Regierungsanhängern 38 Prozent, die ein Referendum fordern.
Kritik auch bei EU
Auch bei der Venedig-Kommission, dem beratenden Organ der EU in Verfassungsfragen, stieß der Entwurf auf Kritik. So habe es bei der Ausarbeitung an Transparenz gemangelt, zudem schränke die Verfassung den Handlungsspielraum des Verfassungsgerichts ein. Die Oppositionsparteien waren an dem Verfassungsentwurf nicht beteiligt. An einigen Diskussionen hatte jedoch die rechtsextreme Partei Jobbik teilgenommen.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte Ungarns Regierung auf, sich von internationalen Institutionen beraten zu lassen. Es gebe international Besorgnis über die Verfassung, sagte Ban am Montag während eines Besuchs in Budapest. Er würde es begrüßen, wenn die Regierung innerhalb Ungarns sowie vom Europäischen Rat und den Vereinten Nationen (UNO) Empfehlungen einholen würde.
Wenn Gesetze erlassen würden, sei es die Verpflichtung der Regierung, sicherzustellen, dass diese mit allen relevanten internationalen Vereinbarungen einhergingen, betonte Ban. Das Gleiche gelte für das umstrittene ungarische Mediengesetz.
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