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„Er war für mich eine Art Buddhist“

Mit Wolfgang Bauer in Las Vegas - das muss man erlebt haben. Gerhard Roth hat es und berichtet im Interview mit ORF.at darüber. Als das Geld weg war, resümierte Bauer: „Ich bin glücklich.“

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ORF.at: Sie erwähnen in „Orkus“ Wolfgang Bauer. Der muss eine ungeheure Naturgewalt gewesen sein. Sie beschreiben, leider sehr kurz, Ihre Reise mit ihm durch die USA. Haben Sie da noch eine Anekdote auf Lager?

Roth: Wolfgang Bauer war für mich eine Art Buddhist. Er war meditativ, er hat sehr viele mystische Gedanken gehabt. Er hat auch in kritischen Situationen eine Neugier und gleichzeitig Ruhe an den Tag gelegt, die erstaunlich waren. Gleichzeitig verspürte er einen explosiven Lebensdrang, dem er zuletzt auch zum Opfer gefallen ist.

Anekdoten gäbe es viele. In Las Vegas zum Beispiel sind wir in ein Casino namens „Silver Slipper“ gegangen. Wolfgang hatte im Flugzeug verschiedene Zahlen im Kopf: das Abfluggate, das Landegate, die Taxinummer. Dann hat er angefangen, diese Zahlen im Casino zu setzen. Zunächst hatte er einen riesigen Lauf. Nach eineinhalb Stunden wurde der Tisch geschlossen und ein Tuch über ihn gelegt. Der Croupier ist weggegangen. An einem anderen Tisch sind dann bald zwei, drei Reihen Leute hinter uns gestanden, die angefangen haben, mit Wolfgang mitzusetzen.

Ich habe wie immer etwas in meinem Notizbuch aufgezeichnet. Dadurch hatte die Casinocrew den Eindruck, wir seien Systemspieler - ich schreibe, und er spielt. Tatsächlich habe ich nur das Rundherum aufgeschrieben.

Wolfgang wollte aber in ein noch größeres Casino gehen. Wir fanden uns daher im „Circus Circus“ wieder, der unter anderen Frank Sinatra und seinen Leuten gehörte. Von der ersten Minute an zerrann sein Gewinn wie der Sand in einer Sanduhr. Das war nicht anzuschauen. Ich stand auf und sagte: „Ich gehe jetzt. Hör auf, das bringt nichts!“ Er aber hat begeistert weitergespielt und konnte nicht mehr aufhören. Er sagte fast flehentlich zu mir: „Ich habe zu Hause noch Reservegeld, wenn ich es verlange, gib es mir nicht, egal was passiert.“

Gegen zwei Uhr früh kam er und forderte das Geld. Eine Viertelstunde lang hielt ich mich an unsere Abmachung, und wir debattierten heftig. Wolfgang wurde immer leidenschaftlicher. Schließlich gab ich es ihm.

Am nächsten Morgen war er um acht Uhr noch nicht da; um neun Uhr auch nicht; um zehn Uhr auch nicht. Gegen Mittag ging unsere Maschine nach New York. Kurz nach zehn Uhr kam er erschöpft - er sah furchtbar aus, zerfranst - zu unserer Pension zurück mit den Worten: „Ich bin glücklich.“ Ich fragte: „Warum?“ Darauf er: „Ich habe alles verloren.“ Er hat dann erzählt, dass alles schiefgegangen sei, dass man ihn aber ein Stockwerk höher gebeten habe und ihn dort mit einer Dame zusammenbrachte. Champagner gab es auch.

Er hatte sein gesamtes Kapital plus den Gewinn verspielt. Wolfgang aber war so erschöpft, dass er die angebotenen Dienste nicht in Anspruch nehmen konnte. Er hat nur einen kleinen Imbiss eingenommen und wollte zu Fuß nach Hause gehen.

Unterwegs ist er in einen offenbar von den Casinos finanzierten Schuppen hineingestolpert, in dem man für einen Dollar alles trinken und für einen weiteren alles essen durfte. Das war eine Umgebung, die ihn interessierte, es waren lauter Spieler da, die schwer verloren hatten. Im Lokal wurden die Dollars, die man bezahlen musste, sogar ausgeteilt - das heißt, alles war gratis.

Man wollte damit den glücklosen Spielern einen schönen Abgang bieten. Die Besucher konnten Whiskey trinken und Brötchen essen. Jeder konnte so lange bleiben, wie er wollte. Vor dem Ausgang warteten Taxis. Für die Spieler, die pleite waren, wurde vom Lokal sogar noch das Taxigeld bezahlt, sagte Wolfgang. Bis zehn Uhr ist er dort geblieben. Die Geschichte von dem Ein-Dollar-Lokal hat er später gut hundertmal erzählt.

Das Gespräch führte Simon Hadler, ORF.at

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