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Wettlauf um Rechtsansprüche

Die Arktis-Anrainerstaaten liefern einander seit Jahren einen Wettlauf um die Legalisierung ihrer Ansprüche auf die Region rund um den Nordpol. Grund dafür sind die unter dem ewigen Eis vermuteten Rohstoffvorkommen, an denen Kanada, die USA, Russland, Dänemark und Norwegen gleichermaßen interessiert sind.

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Die Mittel, mit denen die fünf Staaten ihre Ansprüche untermauern, sind verschieden: Regelmäßige Forschungsexpeditionen gehören ebenso dazu wie militärische Muskelspiele. Im März stationierte Russland erste Streitkräfte in der Arktis. Die Soldaten mit Spezialtechnik und -uniformen würden einem Panzergrenadierstützpunkt in Petschenga in der Nähe von Murmansk zugeordnet, hießt es aus Militärkreisen.

Russische Patrouille im Eismeer

Diese Maßnahme kam überraschend, denn eigentlich wollte Russland frühestens 2015 mit Patrouillen im Eismeer beginnen. Doch in den vergangenen Jahren gab es immer wieder militärische Zwischenfälle. Zu diplomatischen Verstimmungen kam es etwa im vergangenen Sommer, als kanadische Jagdflugzeuge zwei russische Bomber abfingen, die sich über der Arktis dem kanadischen Luftraum genähert hatten.

Zufällig oder nicht hatte sich der Vorfall einen Tag vor dem Besuch des kanadischen Ministerpräsidenten Stephen Harper in der Region ereignet. Die beiden Langstreckenbomber vom Typ Tupolew TU-95 näherten sich bis auf 50 Kilometer kanadischem Boden. Ein ähnlicher Vorfall hatte sich bereits Ende Juli ereignet. Laut kanadischem Verteidigungsministerium kam es seit 2007 jährlich mehrfach zu derartigen russischen „Machtdemonstrationen“.

Schiff zwischen Eisbergen

Reuters/Chris Wattie

Der kanadische Eisbrecher „Henry Larsen“ während eines Manövers in Nunavut

„Nationale Interessen“ und Muskelspiele

Bereits 2008 hatte das russische Militär mitgeteilt, an Plänen für einen möglichen Einsatz in der Arktis zu arbeiten, „zur Verteidigung nationaler Interessen“, wie es damals hieß. Später erklärte der Sonderbeauftrage von Russlands Präsident Dimitri Medwedew für die Arktis, Artur Tschilingarow, dass sein Land die Region „an niemanden abtreten“ und seinen Anspruch notfalls militärisch untermauern werde. Kanada setzt neuerdings eher auf Deeskalation und will die Grenzstreitigkeiten diplomatisch lösen.

Forschen um die Wette

Eine Taktik, auf die alle Arktis-Anrainer setzen ist die, ihre territorialen Ansprüche wissenschaftlich zu untermauern. Ihre Argumente wollen sie dann bis 2013 der UNO vorlegen, um die Streitfrage der Seegrenzen rund um den Nordpol endgültig zu lösen. Russland etwa will nachweisen, dass der Meeresboden unter dem Nordpolarmeer eine natürliche Verlängerung des russischen Festlandes ist und das Land daher Anspruch auf die dort vermuteten Rohstoffvorkommen hat. Kanada und die USA suchen nach ähnlichen Argumenten.

Laufend Expeditionen ins ewige Eis

Anfang August 2010 brach das russische Forschungsschiff „Akademik Fjodorow“ mit 67 Experten an Bord vom russischen Eismeerhafen Archangelsk zu einer, wie es hieß, „historischen“ Polarmeerexpedition auf. Begleitet wurde das Schiff vom Atomeisbrecher „Jamal“. Kurz nach der „Akademik Fjodorow“ liefen bereits die beiden kanadischen bzw. US-amerikanischen Eisbrecher „Louis S. St. Laurent“ und „Healy“ zu einer gemeinsamen Arktis-Fahrt auf, um dort ebenfalls geologische Daten zur Untermauerung ihrer Gebietsansprüche zu erheben.

Kleine und größere Provokationen

Zum „Match“ um die Arktis gehören anscheinend aber auch ständige – kleinere und größere - Provokationen. Eine größere war es, als Russland am 2. August 2007 in 4.261 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund unter dem Pol eine Nationalflagge aus Titan „hisste“. Die Botschaft: Hier ist Russland. Moskau beansprucht einen 1,2 Millionen Quadratkilometer großen Teil der Arktis einschließlich des Nordpols.

Im vergangenen Jahr kochte der Konflikt zwischen Dänemark und Kanada wieder hoch, als eine Gruppe von etwa 60 dänischen Kreuzfahrttouristen die unbewohnte Felseninsel Hans vor der grönländischen Küste „eroberte“ und dabei dänische Fähnchen schwenkte. Das weitgehend autonome Grönland gehört völkerrechtlich zu Dänemark.

Inuit sehen Lebensraum bedroht

Kaum um ihre Meinung gefragt werden im Wettlauf der Arktis-Staaten in der Regel die indigenen Bewohner der Region, etwa die Inuit („Eskimos“) im Norden Kanadas und auf Grönland. Sie fürchten angesichts des Rohstoffwettlaufs massive Schäden am sensiblen Ökosystem der Region und damit um ihre Existenzgrundlage.

Zwischen dem autonomen Inuit-Territorium Nunavut und der Zentralregierung in Ottawa köchelt seit Jahren ein Streit um das Mitspracherecht der Indigenen in der Region. Das Territorium ist fast 26-Mal so groß wie Österreich, hat aber nur knapp über 30.000 Einwohner. Wörtlich übersetzt bedeutet der Name des Territoriums „unser Land“.

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