Obama in der Defensive
Neun Tage hat US-Präsident Barack Obama gewartet, um seinen kriegsmüden Landsleuten genau zu erklären, warum er einen Waffengang im fernen Nordafrika befohlen hat. Genug Zeit für seine Kritiker, dem „Commander in Chief“ eine schwammige Strategie und fehlende Führungskraft anzukreiden.
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Nun beschwor Obama die Werte und strategischen Interessen der USA, die in Libyen auf dem Spiel stünden. Eine entscheidende Frage beantwortete er aber nicht: Was passiert, wenn sich Machthaber Muammar al-Gaddafi trotz der Luftangriffe und Sanktionen an der Macht hält? Die Einsätze im Irak und in Afghanistan zehren an den Fähigkeiten der US-Armee und der Moral der Bevölkerung. Obama sprach daher von Beginn an von einem „begrenzten“ Engagement in Libyen, konnte Befürchtungen vor einer dritten Front aber nicht zerstreuen.
Immer wieder fiel in Washington die bange Frage nach dem „Endgame“, dem Schlusspunkt für den Einsatz. Soll wie von der UNO-Resolution gedeckt vor allem die Zivilbevölkerung geschützt werden - oder muss nicht doch die Oppositionsbewegung direkt unterstützt und Al-Gaddafi sogar gestürzt werden?
„Eingeschränkte Informationspolitik“
Der Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, John Boehner, beklagte in einem Brief an Obama die „eingeschränkte, bisweilen widersprüchliche“ Informationspolitik der Regierung. Der Präsident schicke die Truppen ohne eine klaren Auftrag nach Nordafrika. Das republikanische Schwergewicht Newt Gingrich, ein möglicher Herausforderer Obamas bei der Wahl 2012, verlangte vom Präsidenten, sich „dramatisch klarer“ zu äußern.
Viele Abgeordnete im Kongress beklagten sich, weil sie sich in der Libyen-Politik übergangen fühlen. Die US-Verfassung räumt allein dem Parlament das Recht ein, Krieg zu erklären. In der Realität schickten US-Präsidenten die Truppen zwar meist ohne diese Formalität in den Einsatz, die Abgeordneten wollen aber zumindest eingebunden werden. Konservative zürnten gar, dass sich Obama lieber mit internationalen Partnern abstimme.
Lateinamerika-Reise als Bumerang
Zum Eindruck, Obama sei nicht auf der Höhe des Geschehens, trug auch seine mehrtägige Lateinamerika-Reise zu Beginn des Militäreinsatzes bei. Während US-Jets Angriffe in Libyen fliegen, so stellten seine Kritiker es dar, spielt der Präsident mit Kindern in Rio de Janeiro Fußball. Das Gezerre in der NATO über die Kommandostruktur beim Einsatz „Odyssey Dawn“ verwirrte die US-Öffentlichkeit zusätzlich.
Einer Gallup-Umfrage aus der vergangenen Woche zufolge unterstützen 47 Prozent der US-Bürger das Vorgehen gegen Al-Gaddafi - ein geringerer Wert als bei den meisten Militäreinsätzen der vergangenen vier Jahrzehnte.
Am Montagabend trat Obama dann staatsmännisch in der Militärakademie des Verteidigungsministeriums vor die Kameras und versuchte, aus der Defensive zu kommen. „Wenn unsere Interessen und Werte auf dem Spiel stehen, haben wir eine Verantwortung zu handeln“, sagte der Präsident und machte deutlich, dass diese Schnittmenge im Fall von Libyen gegeben sei. Angesichts drohender „Massaker“ seien die USA als „Anwalt für menschliche Freiheit“ gefragt. Al-Gaddafi dürfe den demokratischen Aufbruch in der arabischen Welt und die Stabilität in der Region nicht untergraben.
„Ausweitung wäre ein Fehler“
Politisch, daran ließ der Präsident keinen Zweifel, sehnen die USA ein Ende der Al-Gaddafi-Herrschaft herbei. Militärisch garantieren wollen sie das aber nicht. Obama bekräftigte in seiner Rede, dass er keine Bodentruppen entsenden werde. Mit Blick auf den Irak-Krieg warnte er: „Die Ausweitung unserer Mission zu einem Regimewechsel wäre ein Fehler.“ Das libysche Volk sei für sein Schicksal am Ende selbst verantwortlich.
Genau hier setzten Obamas Kritiker nach dem Auftritt an. Der einflussreiche republikanische Senator John McCain bemängelte, Al-Gaddafi könne sich durch die Aussagen ermutigt fühlen, dass die USA nicht zum vollen militärischen Register greifen würden. Noch immer fehle Klarheit darüber, wie Al-Gaddafi zu Fall gebracht werden solle. „Das Potenzial für einen langen und blutigen Machtkampf ist viel zu hoch“, mahnte McCain.
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