Türkei will langen Konflikt vermeiden
Schon seit Beginn des Aufstands in Libyen hat die Türkei Vermittlungsversuche gestartet, jetzt bringt sich das Land immer stärker in die Debatten über eine Lösung des Konflikts ein. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bot an, eine baldige Waffenruhe zu vermitteln. Auch bei humanitären Aktionen und der Sicherung des Waffenembargos will sich die Türkei stärker einbringen, aber einen blutigen Konflikt mit NATO-Beteiligung um jeden Preis vermeiden.
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Erdogan sagte, sein Land könne die Kontrolle über den Flughafen der Rebellenhochburg Bengasi übernehmen, um von dort aus Hilfe für das nordafrikanische Land zu koordinieren. Das wäre eine von drei Aufgaben, zu denen sich sein Land bei dem von der NATO geführten Einsatz bereiterklärt habe. Als weitere Punkte nannte Erdogan Luftüberwachung und den Einsatz der Marine zur Durchsetzung des Waffenembargos, wie die Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi berichtete.
Warnung vor zweitem Irak
Erdogan warnte davor, dass ein langwieriger Konflikt das Land in einen „zweiten Irak“ oder „ein weiteres Afghanistan“ verwandeln könnte. Das könnte verheerende Auswirkungen auf Libyen und die NATO-Länder haben, die die Militärintervention anführten. Erdogan sagte, dass Gespräche mit der Regierung des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi und mit dem Nationalen Übergangsrat der Aufständischen weiterliefen.
Er hatte in den vergangenen Wochen mehrmals mit dem libyschen Machthaber telefoniert und „ihn freundlich gebeten, seinen Rücktritt zu erklären (...). Das ist leider nicht geschehen“, so Erdogan.
In der NATO durchgesetzt
Die türkische Regierung hatte am Donnerstag nach tagelangem Widerstand einer NATO-Führung des Libyen-Einsatzes zugestimmt. Außenminister Ahmet Davutoglu erklärte, Bedingungen der Türkei für diesen Einsatz seien nun erfüllt. „Die Türkei wird niemals eine Waffe auf die libyschen Brüder richten“, hatte Davutoglu vor der Einigung gemeint. Mitglieder der westlichen Allianz gingen mit einer „Kreuzzug“-Mentalität gegen Libyen vor, heiß es aus Ankara.
Darum machte sich die Türkei bei der NATO erfolgreich dafür stark, dass das Militärbündnis die gesamte Kontrolle über den Einsatz übernimmt und diesen eng an die beschlossene UNO-Resolution zum Schutz der Zivilbevölkerung knüpft. Man wollte vermeiden, dass die von Frankreich und Großbritannien geführte „Koalition“ die Militärschläge ausführt – die ganz offensichtlich auch bei den Attacken auf das libysche Militär die Aufständischen unterstützt.
Vielfältige Gründe
Die Gründe für die Haltung der Türkei sind vielfältig. Sie ist das einzige NATO-Land, das eine große muslimische Mehrheit hat. Und man ist überzeugt, dass eine Militäraktion in Nordafrika auf Dauer anti-westliche Ressentiments in der muslimischen Welt verstärken wird.
Die Türkei fühlte sich aber auch vom Vorpreschen Frankreichs hintergangen. Erdogan sei beleidigt, dass Präsident Nicolas Sarkozy ihn am Samstag nicht zum Libyen-Gipfel nach Paris eingeladen habe, obwohl die Türkei zuvor an militärischen Planungen beteiligt gewesen sei, meinen türkische Kommentatoren. Der Türkei-kritische Sarkozy ist mittlerweile so etwas wie der Intimfeind des Landes.
Und schließlich hat Ankara selbst erhebliche wirtschaftliche Interessen. Türkische Unternehmen bauen in Libyen an großen Infrastrukturprojekten und haben Verträge im Umfang von 15 Milliarden US-Dollar (rund elf Milliarden Euro) abgeschlossen.
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