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Hintertür zu Amazon

In den USA hat die Buchhandelskette Barnes & Noble mit ihrem E-Reader-System nook die Möglichkeit eingeführt, dass Kunden E-Books verleihen, allerdings nur für die Dauer von 14 Tagen und nur einmal. Auch Amazon bietet die Möglichkeit für sein Kindle-System an - und prompt öffnete sich eine Hintertür.

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Im System von Barnes & Noble hat der Lizenzinhaber selbst während dieser Zeit keinen Zugriff auf den Titel - hier imitiert der digitale Kopierschutz die Beschränkungen physischer Gegenstände. Die digitale Ausleihe von Freund zu Freund funktioniert in erster Linie als Marketingwerkzeug. Wenn die Leihdauer vorbei ist, bleibt auf dem Gerät des Ausleihenden ein Link zurück, über den sich die Vollversion des Textes kaufen lässt.

Zumindest in den USA hat Amazon in seinem E-Book-System Kindle ebenfalls eine 14-Tage-Verleihfunktion eingeführt, für europäische Kunden gibt es diese Option noch nicht. Auch auf dem Kindle kann der ursprüngliche Käufer einen verliehenen Text nicht lesen, auch die Beschränkung auf einmalige Ausleihe ist gleich.

Offene Programmierschnittstellen

Die Funktion lässt sich aber nur bei jenen Titeln nutzen, bei denen der Rechteinhaber die Ausleihe erlaubt hat - das geht beim Kauf aus den technischen Angaben hervor, die Amazon zur Buchdatei anzeigt. Sowohl im nook- als auch im Kindle-System gibt es Lesesoftware für PCs und Smartphones, so dass E-Books auch an Menschen verliehen werden können, die keinen spezialisierten E-Book-Reader besitzen. Untereinander kompatibel sind die beiden Systeme dann aber wieder nicht.

Anders als Barnes & Noble hat Amazon sein Kindle-System mit Programmierschnittstellen (APIs) ausgestattet, die es Drittanbietern ermöglichen, zusätzliche Dienstleistungen anzubieten. Im Februar hat das US-Start-up Lendle einen Dienst gleichen Namens gestartet, der leih- und lesewillige Kindle-Nutzer zusammenbringt. Neue User geben dort nach der obligatorischen Anmeldung an, welche ausleihefähigen E-Books sie besitzen, und dürfen pro verliehenes Buch selbst zwei Texte von anderen Usern ausleihen. Wer keine Bücher anbietet, darf auch keine ausleihen.

Zugriff gesperrt

Die Lizenzbedingungen von Amazon und den Rechteinhabern werden dadurch nicht verletzt, das System bringt nur Angebot und Nachfrage den Regeln entsprechend zusammen und optimiert damit die Verfügbarkeit verleihbarer E-Books. Nebenbei erfahren die Lendle-Betreiber, welche Bücher gern geliehen werden, außerdem wollen sie Geld über die Anzeige von Werbung auf ihrer Site lukrieren.

Am Montag sperrte Amazon den Zugriff von Lendle auf seine Programmierschnittstelle und legte den Dienst damit vollständig lahm. In einer Mail an Lendle schrieben die Amazon-Angestellten, dass die Leihbörse nicht dem Zweck diene, den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen auf der Website von Amazon zu fördern.

Probleme für Drittanbieter

Diese Aktion brachte Lendle zwar in Schwierigkeiten, aber auch ins Rampenlicht der US-amerikanischen IT-Presse. Einen Tag später ruderte Amazon wieder zurück: Wenn Lendle ein Feature abschalte, mit dem sich der E-Book-Bestand eines Kunden mit der Verleihplattform automatisch synchronisieren lasse, werde man den Zugriff auf die eigenen APIs wieder herstellen.

Nachdem Lendle der Aufforderung Folge geleistet hatte, ließ Amazon den Dienst wieder auf seine Daten zugreifen. Die Episode zeigte einmal mehr die starke Abhängigkeit der Drittanbieter von großen Plattformen wie Amazon, Facebook und Twitter, die einmal geöffnete Schnittstellen zu ihren Diensten auch schnell wieder schließen können.

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