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Betrugsbekämpfer des OLAF ermitteln

In Brüssel ist das Büro des wegen der Lobbyistenaffäre zurückgetretenen ÖVP-Delegationsleiters Ernst Strasser laut Angaben von EU-Parlamentariern seit Dienstagabend versiegelt - zumindest so gut wie. Offenbar wird eine Durchsuchung erwogen.

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Derzeit würden dessen Verwaltung und die EU-Behörde für Betrugsbekämpfung (OLAF) noch rechtliche Aspekte klären, die dafür notwendig seien, berichtete die APA am Mittwochabend unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen im EU-Parlament.

Jedenfalls sei davon auszugehen, dass Strassers Büro bereits am Donnerstag von der Betrugsbekämpfungsbehörde durchsucht werde.

Wachmann vor der Tür postiert

Inzwischen sei ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma vor dem Büro postiert worden, bestätigte der Sprecher des EU-Parlamentariers Martin Ehrenhauser (Liste Martin), Florian Schweitzer, am Mittwochabend gegenüber ORF.at telefonisch aus Brüssel. Das entspräche einer De-facto-Versiegelung.

Formal noch kein Rücktritt

Rein formal ist Strasser aus seiner Funktion noch nicht zurückgetreten. Einen - namentlich ebenfalls nicht genannten - Sprecher der ÖVP-Delegation zitierte die APA aber mit den Worten, Strasser habe am Mittwoch seinen Antrag auf eine freiwillige Niederlegung seines Mandats als EU-Abgeordneter bei Parlamentspräsident Jerzy Buzek eingereicht.

Der Antrag müsse von Strasser aber noch persönlich in Gegenwart von Zeugen unterschrieben werden. Der bisherige ÖVP-Delegationsleiter wolle das ebenfalls am Donnerstag in der Vertretung des Europaparlaments in Wien tun. Der Rücktritt würde damit auch formal wirksam.

Auch Strasser will „restlose Aufklärung“

Als Lobbyisten getarnte Enthüllungsjournalisten der britischen „Sunday Times“ sollen Strasser für die Bereitschaft, Gesetzesänderungen im EU-Parlament einzubringen, 100.000 Euro in Aussicht gestellt haben. Strasser selbst wies den Vorwurf zurück. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Er sprach sich für eine restlose Aufklärung aus und betonte, dass es „weder eine Vereinbarung noch Geldflüsse“ zwischen ihm „und der englischen Scheinfirma“ gegeben habe. Der frühere Innenminister hatte neben seinem Rücktritt als Delegationsleiter angesichts der Affäre am Dienstag auch seine ÖVP-Mitgliedschaft ruhend gestellt.

Keine Auskünfte aus dem OLAF

Dass der Lobbyistenskandal die Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF offiziell beschäftigt, war am Mittwoch bekanntgeworden. In die Affäre sind neben Strasser zwei weitere EU-Abgeordnete verwickelt. Die Vorwürfe sollen nun in einem Schnellverfahren geprüft werden.

Laut OLAF-Generaldirektor Giovanni Kessler sollen die Ermittlungen „umgehend“ eröffnet werden. Mit Verweis auf das laufende Verfahren könne die Behörde derzeit allerdings keine weiteren Auskünfte geben.

„Entschlossen zu Nulltoleranzpolitik“

EU-Parlamentspräsident Buzek kündigte zudem eine harte Linie und Änderungen im Umgang mit Lobbyisten im Gefolge der Bestechungsaffäre an. „Wir sind entschlossen zu einer Nulltoleranzpolitik gegenüber den Handlungen, die zu den Rücktritten unserer Kollegen geführt haben“, sagte Buzek am Mittwoch vor dem Europaparlament in Brüssel.

Das Parlament müsse seinen eigenen Verhaltenskodex für solche Situationen stärken, „und es muss gewichtigere Strafen geben“, sagte Buzek. „Die jüngsten Aktionen zeigen die Notwendigkeit eines rechtlich bindenden Verhaltenskodex für Lobbying in den EU-Institutionen.“

Vorerst kein Kommentar

Wie Strasser in einer Aussendug zu den Vorwürfen gegenüber seiner Person betonte, werde er für alle Behörden, die mit der Klärung der Sachlage beauftragt sind, uneingeschränkt zur Verfügung stehen.

„Aufgrund der jüngsten Vorkommnisse, verbunden mit zahllosen unhaltbaren Untergriffen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als EU-Parlamentsabgeordneter bis zur endgültigen Klärung und Entkräftung aller Vorwürfe“ wolle er, Strasser, in der Causa allerdings auf weitere öffentliche Erklärungen verzichten.

Strasser hatte am Sonntag auf Druck der ÖVP-Spitze sein Mandat im EU-Parlament niedergelegt, nachdem ein Video veröffentlicht worden war, in dem er als Lobbyisten getarnten Journalisten gegenüber Bereitschaft signalisiert hatte, gegen Zahlungen für sie bei einem Gesetzesantrag zu lobbyieren.

„Geld-gegen-Gesetze-Skandal“

Die brisante Reportage wurde am Sonntag unter dem Titel „Europarlamentarier in Geld-gegen-Gesetze-Skandal“ veröffentlicht. Dabei waren „Times“-Journalisten als Lobbyisten aufgetreten und hatten vor allem mit Versprechen hoher Geldzahlungen getestet, wie korrupt EU-Parlamentarier sind. Auch ein rumänischer und ein slowenischer Abgeordneter hatten dabei „angebissen“.

Dabei wurden auch versteckt aufgenommene Videos präsentiert, in denen sich Strasser offenbar für ein Jahresgehalt von 100.000 Euro in den Dienst von Lobbyisten stellen will. Ebenso auf Video dokumentiert ist Strassers Aussage, er habe bereits mehr als fünf „Kunden“, die ihm ein solches Gehalt zahlten, um so zu EU-Gesetzesanträgen nach eigenem Wunsch zu kommen.

Strasser spricht von „Kampagne“

Strasser selbst verteidigte sich bisher mit dem Argument, er sei nur zum Schein auf das Angebot eingegangen, um die Hintermänner des zweifelhaften Angebots zu enttarnen. Er habe von der „dubiosen“ Identität der vorgeblichen Lobbyisten gewusst, habe den Fall aber nicht rechtzeitig zur Anzeige bringen können.

„Als würde Hund auf Wurst aufpassen“

In Sachen Versiegelung des Strasser-Büros kritisierte Ehrenhauser, dass es sich bei der damit beauftragten Sicherheitsfirma um das Unternehmen G4S Security Services handle, „bei deren österreichischem Ableger Ernst Strasser bis vor kurzem Mitglied des Ausfsichtsrats war“. Das sei so, „als würde man einen Hund auf eine Wurst aufpassen lassen“.

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