Streit über Einsatzleitung
Seit mehreren Tagen dauert der Kampfeinsatz zur Ausschaltung der Luftabwehr in Libyen bereits an - doch neben immer wieder vermeldeten Erfolgen der westlichen Militärallianz wird die Aktion auch zur Belastungsprobe der internationalen Gemeinschaft. Uneinigkeit über den Einsatz selbst und über das weitere Vorgehen herrscht vor allem innerhalb der NATO - und sorgt für diplomatische Verstimmungen.
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Mehrere NATO-Mitglieder stellen zudem angesichts der Schäden durch die Luftangriffe die Aufrechterhaltung der Flugverbotszone infrage, wie ein Diplomat berichtete. Am Montag sei es im Kreis der NATO-Botschafter immer wieder zu heftigen Streitigkeiten über diese Themen gekommen, so ein NATO-Botschafter. „Es ging gestern ein bisschen emotional zu“, sagte der Abgesandte.
Irritationen zwischen USA und Deutschland
Ein gespanntes Verhältnis orten Experten derzeit vor allem zwischen Deutschland und den USA. Selbst erfahrene Beobachter zerbrechen sich den Kopf über die deutsche Stimmenthaltung im UNO-Sicherheitsrat. „Das war ein ziemlich überraschender Bruch mit der westlichen Solidarität“, sagte Stephen Szabo, Direktor der Transatlantic Academy in Washington.
Grund für die Zurückhaltung Deutschlands, das eigentlich als traditioneller Bündnispartner der USA gilt, ist die Auslastung der deutschen Bundeswehr durch den Afghanistan-Einsatz. Die USA kritisieren, dass Deutschland hätte klarstellen können, dass sie sich selbst nicht an dem Militäreinsatz beteiligen werde. Stattdessen enthielt sich Deutschland am Donnerstag im Sicherheitsrat als einziger EU- und NATO-Staat der Stimme.
Scharfe Kritik aus China und Russland
Neben Deutschland gehörten auch China und Russland zu den fünf Ländern, die sich im Sicherheitsrat bei der Abstimmung über die Durchsetzung einer Waffenruhe und einer Flugverbotszone „mit allen nötigen Maßnahmen“ enthalten hatten. Von ihrer Möglichkeit, als Vetomächte die Resolution zu kippen, hatten sie zwar keinen Gebrauch gemacht, dennoch üben sie nun scharfe Kritik an den Luftangriffen und fordern eine „sofortige Waffenruhe“.
Ziel der UNO-Resolution sei es, die Zivilbevölkerung zu schützen, „aber die von einigen Ländern ergriffenen militärischen Aktionen fordern zivile Opfer“, sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums. Der „kürzeste Weg hin zur Sicherheit“ seien ein Ende der Gewalt und ein Dialog, sagte Russlands Außenminister Anatoli Serdjukow. Moskau gehe davon aus, dass es zivile Opfer bei den westlichen Angriffen gegeben habe.
Moskau bietet Vermittlung an
Ungeachtet der geäußerten Vorbehalte bot sich Russland im Libyen-Konflikt als Vermittler an. Moskau stehe für den Versuch bereit, den Streit möglichst friedlich beizulegen, sagte Kreml-Chef Dimitri Medwedew bei einem Treffen mit US-Verteidigungsminister Robert Gates am Dienstag in Moskau. Ein militärisches Engagement seines Landes habe der Präsident erneut ausgeschlossen, teilte der Kreml auf seiner Website mit.
Gates kündigte eine baldige Reduzierung der Luftangriffe auf Ziele in dem nordafrikanischen Land an. „Wir werden die Intensität in Kürze verringern“, sagte er nach Angaben der Agentur Interfax.
Außenminister Serdjukow forderte bei dem Treffen mit Gates ein Ende der Luftschläge auf zivile Ziele wie Brücken. „Leider wurden bei der Militäraktion bereits Zivilisten getötet. Das kann nicht hingenommen werden.“ Serdjukow sprach sich wie Medwedew für baldige Verhandlungen aus.
USA wollen Leitung möglichst schnell abgeben
Die USA wollen unterdessen die Leitung des Luftwaffeneinsatzes so schnell wie möglich abgeben - doch das erweist sich als ziemlich schwierig. Besonders Frankreich sträubte sich laut Diplomatenangaben dagegen, die Führung des Einsatzes an die NATO zu übergeben - mit der Begründung, die zur Unterstützung des Einsatzes wichtigen arabischen Staaten lehnten diese Lösung ab.
Nach Angaben eines NATO-Diplomaten wird im Brüsseler Hauptquartier der Allianz somit weiter darüber diskutiert, ob die NATO die Führung des Einsatzes übernehmen soll. Am Dienstag hatte man sich zwar darauf geeinigt, auf dem Mittelmeer ein Waffenembargo durchzusetzen, eine Entscheidung über die Führung werde jedoch möglicherweise erst in „einigen Tagen“ getroffen.
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