Libyen vor Entscheidungsschlacht?
Die gegen das libysche Regime von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi kämpfenden Rebellen befinden sich zunehmend in der Defensive. Neben der Belagerung der von den Rebellen gehaltenen Stadt Misrata wurde am Donnerstag auch von Luftangriffen auf die „Hauptstadt“ der Rebellen, Bengasi, berichtet.
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Ziel von Al-Gaddafis Kampfflugzeugen war laut al-Jazeera der Flughafen der zweitgrößten Stadt des Landes. Berichtet wurde zudem von Schüssen und Explosionen in der Nähe des Flughafens. Zudem meldete Libyens staatliches TV, dass Regierungstruppen bereits in die Vororte von Bengasi vorgerückt seien. Die Rebellen kündigten erbitterten Widerstand zur Verteidigung der Stadt an. Die Stadt ist laut dem Sprecher der Regierungsgegner, Mustafa Gheriani, „bis an die Zähne bewaffnet“. Die Rebellen setzen gegen die Regierungstruppen laut Agenturberichten auch Kampfflugzeuge, Helikopter und Panzer ein.
„Keine Gnade bei Einmarsch“
Al-Gaddafi drohte den Aufständischen in Bengasi am Donnerstag ein erbarmungsloses Vorgehen an. In der Nacht zum Freitag würden seine Soldaten in die Rebellenhochburg einrücken, sagte Al-Gaddafi in einer Hörfunkansprache. „Es wird keine Gnade geben.“ Unbewaffnete Einwohner hätten nichts zu befürchten, aber es werde jedes Haus durchsucht. Al-Gaddafi sagte, er habe die Armee angewiesen, vor dem Einmarsch fliehende Aufständische nicht zu verfolgen. Der Vorsitzende des Nationalrats der Rebellen, Mustafa Abdel Dschalil, zeigte sich kampfbereit und wies die Drohungen zurück. Laut Abdel Dschalil sind Adschdabidscha und alle Städte östlich davon fest in Rebellenhand.

Graphi-Ogre/ORF.at (Montage)
Zu schweren Kämpfe kam es am Donnerstag auch um die offenbar bereits seit dem Vortag belagerte Stadt Misrata. Demnach verstärkten Al-Gaddafi-treue Truppen ihre Offensive mit massiven Artillerie- und Panzerattacken, wobei es den Aufständischen laut eigenen Angaben bisher gelang, strategisch wichtige Stellungen zu halten. Im Staatsfernsehen wurde im Gegensatz dazu bereits von der erfolgreichen Eroberung der Stadt berichtet. Die Kämpfe gingen allerdings am Freitag unvermindert weiter, wie der TV-Sender al-Arabija berichtete.
Unklare Lage
Gesicherte Berichte über die Kämpfe gibt es derzeit kaum. Die Angaben von Rebellen und dem Regime widersprechen einander häufig und können kaum überprüft werden.
Kämpfe um Adschdabija
Auch die strategisch wichtige Stadt Adschdabija 160 Kilometer südlich von Bengasi wurde am Donnerstag immer noch von den Aufständischen gehalten. Das libysche Staatsfernsehen zeigte in der Nacht zuvor Bilder von der angeblichen Einnahme der Stadt durch die Regimetruppen. In der seit Tagen anhaltenden Offensive Al-Gaddafis konnten sie offenbar Ölanlagen und eine Reihe von Küstenstädten zurückerobern. Von den Rebellen gehalten werde allerdings noch die schwer umkämpfte Ölstadt Brega.
„Entscheidende Schlacht“
Al-Gaddafi kündigte am Vortag die „entscheidende Schlacht“ zur Wiederherstellung seiner Macht in ganz Libyen an. In der vom Staatsfernsehen übertragenen Kampfansage rief er dazu auf, das Land nicht „einer Handvoll Verrückter“ zu überlassen.
Al-Gaddafi will von Westen Schuldbekenntnis
Im Interview mit Rusija al-Jawm, dem arabischsprachigen Kanal von Russia Today (RT), äußerte Al-Gaddafi bereits wieder Hoffungen auf eine Verbesserung der Beziehungen zu den westlichen Ländern.
Die guten Beziehungen und die wirtschaftliche Kooperation Libyens könnten wiederhergestellt werden, wenn der Westen seine Fehler in seiner bisherigen Einstellung zu seinem Regime eingestehe. Wenn der Westen seine Positionen mit „Ich war im Unrecht“ revidiere und zugebe, dass er sich geirrt habe und um Entschuldigung bitte - „ja, dann wird der Westen die Resolution von 1970 aufheben müssen“, wird Al-Gaddafi zitiert.
Rotes Kreuz verließ Bengasi
In Bengasi schwankte die Stimmung vor dem erwarteten Angriff zwischen Trotz und Nervosität. Einige Einwohner fürchteten ein Blutbad, andere zeigten sich zuversichtlich, dass den Aufständischen doch noch der Sieg gegen die anrückenden Truppen gelingen könnte. Auf Flugblättern wurde Kämpfern Straffreiheit versprochen, sollten sie aufgeben.
Angesichts der immer unsicher werdenden Lage im Osten zog das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) seine Mitarbeiter aus Bengasi ab. Sie seien in die weiter östlich gelegene Stadt Tobruk gebracht worden, teilte die Hilfsorganisation am Mittwoch in Genf mit. Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen zog ihre Mitarbeiter aus der Hafenstadt ab.
EU fürchtet „massive Flucht“
Die EU-Kommission warnte angesichts der jüngsten Entwicklungen vor einer „massiven Flucht“ von Menschen aus dem umkämpften Libyen. „Wir beten für das Beste, aber wir müssen auf das Schlimmste vorbereitet sein“ sagte die für humanitäre Hilfe zuständige Kommissarin Kristalina Georgijewa. Demnach fliehen immer mehr einheimische Familien, Frauen, Kinder und Alte aus dem Land.
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