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Evakuierung „undenkbar“

Die Unsicherheit über die Auswirkungen des Atomunfalls im AKW Fukushima I lässt auch in der Hauptstadt Tokio die Panik steigen. Das Erdbeben setzte der Millionenmetropole kaum zu, unklar ist, ob Radioaktivität aus dem 250 Kilometer entfernten AKW auch das südlicher gelegene Tokio erreichen kann. Im Großraum der Stadt leben 35 Millionen Menschen.

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Eine Evakuierung wäre „in so kurzer Zeit undenkbar“, ist der Vorsitzende des Deutschen Komitees Katastrophenvorsorge (DKKV), Gerold Reichenbach, überzeugt. Ausländer und auch immer mehr Tokioer verlassen zusehends die Hauptstadt - in Richtung Süden oder völlig weg aus Japan.

Mann vor halbleerem Fleischregal

AP/Eugene Hoshiko

Auch in Tokio werden Lebensmittel knapp. Engpässe gibt es aber nicht.

AUA kontrolliert Maschinen auf Strahlung

Einige Fluglinien wie die Lufthansa haben mittlerweile Flüge nach Tokio gestrichen. Die AUA hält „bis auf weiteres“ die seit Montag gültige Rotation über Seoul aufrecht, wie AUA-Vorstand Peter Malanik sagte. Die Flugzeuge seien bei der Landung in Wien auf Strahlung untersucht worden, es wurde jedoch keine Belastung festgestellt - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Wenn Flugzeuge durch eine radioaktive Wolke fliegen, würden Crew und Passagiere verstrahlt. „Die relativ dünne Außenhülle der Flugzeuge bietet dagegen keinen Schutz“, sagte Jörg Handwerg von der Pilotenvereinigung Cockpit (VC) gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. „Zudem wird permanent Luft von außen für die Belüftung der Kabinen angepumpt.“

Auch Korrespondenten ziehen ab

Viele deutsche Medien zogen ihre Korrespondenten aus Tokio ab. Einige Teams sind noch im Nordosten unterwegs. Andere verlagern ihre Crew in südlichere Städte wie Osaka. Zudem werden Evakuierungsszenarien vorbereitet - Video dazu auf iptv.ORF.at.

Auch die österreichische Botschaft wurde mittlerweile von Tokio nach Osaka verlegt. „Die logistische Unterstützung bleibt aber in gleicher Form aufrecht“, so Außenamtssprecher Peter Launsky-Tieffenthal. In Osaka sei bereits vor einigen Tagen in dem dortigen Konsulat ein „zweites Standbein“ aufgebaut worden. Das Japan-Büro der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) wurde in das südliche Fukuoka verlegt, 1.000 Kilometer von Tokio entfernt.

Als erste Regierung organisiert China eine Massenevakuierung seiner Bürger aus dem Nordosten Japans. Busse und eigens zur Verfügung gestellte Flugzeuge sollen Chinesen aus den besonders betroffenen Regionen Miyagi, Fukushima, Ibaraki und Iwate bringen. Wie viele Chinesen tatsächlich von der Katastrophe betroffen sind, ist unklar. Laut dem chinesischen Handelsministerium habe es Kontakt zu rund 22.000 Chinesen gegeben. Über 260 hätten nicht erreicht werden können.

„Business as usual“

Zahlreiche Unternehmen stellen ihren Mitarbeitern frei, zu Hause zu bleiben. Andere flogen sie aus oder verlegten den Standort ebenfalls in den Süden des Landes. So traf etwa der Pharmakonzern Bayer für rund 700 Mitarbeiter Vorkehrungen, nach Osaka zu wechseln. 25 Mitarbeiter des Grazer Motorenentwicklers AVL-List wurden bereits am Montag nach Österreich zurückgeflogen.

Andere Betriebe wie Infineon bieten an, ihre in Tokio stationierten Mitarbeiter an anderen Standorten zu beschäftigen. SAP verlegte seine Büros mit insgesamt 1.100 Mitarbeitern in den Süden. Einige entscheiden sich aber dezidiert, zu bleiben.

Reklametafeln in Shibuyaviertel in Tokio sind abgedreht

AP/The Yomiuri Shimbun/Miho Takahashi

Stromsperren werden auch in Tokio noch einige Wochen andauern.

Wind dreht von Tokio weg

Zumindest vom Wetter droht Tokio vorerst keine neue Gefahr: Der Wind hat wieder auf West gedreht. Radioaktive Partikel, die vom havarierten Atomkraftwerk Fukushima I in die Luft gelangen, werden bei dieser Wetterlage auf das Meer getragen. An der Situation wird sich in den nächsten Tagen grundsätzlich nichts ändern.

Nach dem Großraum Tokio will der Energieversorger TEPCO die Stromsperren ab Mittwoch auch auf den Nordosten Japans ausdehnen. Diese Rationierungen sollen mindestens bis Ende April dauern, im Nordosten voraussichtlich noch länger.

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