„Erdbebengefahr nicht vergleichbar“
Nach den Atomunfällen in Japan infolge des schweren Erdbebens und der Tsunami-Katastrophe hält die italienische Regierung an ihrer geplanten Rückkehr zur Atomenergie fest. Wie Umweltministerin Stefania Prestigiacomo im Interview mit Radio RAI am Dienstag betonte, habe man „einen bewussten Beschluss gefasst“.
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Der Ministerin zufolge habe man „strenge Kriterien für die Wahl der Orte ergriffen, in denen die Atomkraftwerke errichtet werden sollen“. Berücksichtigt werde dabei auch die Erdbebengefahr, die laut Prestigiacomo in Italien jedoch nicht mit jener in Japan vergleichbar sei.
Beben von L’Aquila
Italien wurde erst vor zwei Jahren von einem schweren Beben heimgesucht. Mit einer Stärke von 5,5 auf der Richterskala zerstörte es weite Teile der Region Apulien samt der Hauptstadt L’Aquila.
„Hätten ohnehin Schäden“
„Nach dem Atomunfall in Tschernobyl im Jahr 1986 verzichtete Italien auf Atomenergie, und das hat uns in all diesen Jahren stark benachteiligt. Italien zahlt einen hohen Preis für Stromimporte. Sollte sich außerdem ein Atomunfall in einem an Italien grenzenden Land ereignen, hätten wir ohnehin Schäden“, sagte Prestigiacomo. Deutschland habe sich zur Ausschaltung einiger Atomkraftwerke entschlossen, weil sie alt seien. „Italien wird Atomkraftwerke der letzten Generation bauen“, so die Ministerin.
Massiver Protest
Trotz der Haltung der Regierung wächst in Italien die Anti-Nuklear-Front. Oppositionsparteien und Umweltbewegungen appellieren an das Mitte-rechts-Kabinett, auf seinen Plan, bis 2020 vier Atomkraftwerke in Italien zu bauen, zu verzichten.
Die Regierung von Premier Silvio Berlusconi hatte 2009 ein Gesetz verabschiedet, mit dem nach 23 Jahren die Rückkehr zur Atomenergie besiegelt wurde. Gegen das Gesetz haben die Oppositionsparteien in den vergangenen Monaten über eine halbe Million Unterschriften für ein Referendum gesammelt, das voraussichtlich im Juni stattfinden wird.
„Mit der Atomkatastrophe in Japan ist die Geschichte der sicheren Atomenergie für niemanden mehr glaubwürdig“, so der Vorsitzende der Linkspartei SEL, Niki Vendola. Ähnliche Positionen vertritt die Oppositionspartei Italia dei Valori (Italien der Werte, IDV). „Die Atomenergie ist veraltet und gefährlich für die Umwelt und die Gesundheit der Bürger, wie die Katastrophe in Japan bezeugt“, so IDV-Sprecher Leoluca Orlando.
Abkommen für AKW-Bau unterzeichnet
Die Regierung Berlusconi will bis 2030 13 Atomkraftwerke errichten, die 25 Prozent des italienischen Strombedarfs decken sollen. Die französische Energiegesellschaft EDF und der italienische Partner ENI haben ein Abkommen für den Bau von vier Atomkraftwerken unterzeichnet.
Die Italiener hatten sich bereits 1987 - ein Jahr nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl - in einem Referendum für den Ausstieg aus der Atomenergie ausgesprochen. Berlusconi hatte sich jedoch lange für eine Aufhebung dieser Entscheidung starkgemacht und dabei vor allem auf die extrem hohen Strompreise in Italien verwiesen.
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