Unsicherheiten bei Österreichs Behörden
Nach einem Vorstoß der US-Obama-Regierung gibt es auch in Europa erste Ansätze für das Öffnen von Regierungs- und Verwaltungsdaten. Zuletzt startete Berlin mit „Apps4Berlin“ nach amerikanischem Vorbild eine Open-Government-Data-Initiative - ein Umstand, der den Befürwortern hierzulande viel Auftrieb gibt.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Seien doch die Deutschen der österreichischen Mentalität in Behördenbelangen nicht so unähnlich, meinte Peter Parycek. Der Leiter des Zentrums für E-Government der Donau-Universität Krems und E-Government-Projektleiter im Bundeskanzleramt erläuterte beim Future-Network-Treffen von Microsoft in Wien Anfang Dezember die Situation von Open Government Data (OGD) in Österreich.
So seien es neben den technischen vor allem starke kulturelle Faktoren, wie etwa das Amtsgeheimnis aus Zeiten Maria Theresias, die die Behörden hierzulande so zögern ließen. Auch Manfred Gröber von Microsoft Österreich findet, dass „Open Data in Österreich leider noch zu wenig Thema ist“.
Wozu OGD?
Die Frage nach dem Wozu bei OGD werde am häufigsten gestellt. Das Potenzial des Öffnens und Frei-zur-Verfügung-Stellens von öffentlichen Daten liege in der Stärkung des Vertrauens in die Demokratie. Denn offene Daten und Informationen führten zu mehr Transparenz und das wiederum zu mehr Vertrauen, erklärte Parycek. Zudem bringe die Öffnung auch ein riesiges Potenzial an Innovationen mit sich.
Grundvoraussetzung für die Öffnung seien Informationen zu den Nutzungsrechten. „Momentan weiß ein Bürger nicht, ob er Daten von Websites überhaupt verwenden darf“, so Parycek. Der Staat stelle zwar die Informationen zur Verfügung, gebe aber nicht an, was damit erlaubt sei. Vorbildlich sei hier die Stadt Linz, die seit kurzem ihren Content mit CC-Lizenzen auszeichnet. Sollen die Bürger zu Produzenten werden und öffentliche Daten verwenden („re-usen“), dann sei das unbedingt notwendig.
Mash-up:
Bezeichent die Erstellung neuer Medieninhalte durch die nahtlose Kombination bereits bestehender Inhalte.
Starker Datenschutz in Österreich
Ein Hemmschuh sei der „stark ausgeprägte Datenschutz in Österreich“. Hierzulande gelte dieser etwa auch für juristische Personen. Ein Mash-up mit Google Maps und den Ergebnisdaten von Gesundheitsinspektoren von Restaurants sei in den USA kein Problem. Damit lässt sich feststellen, welche Bewertung der „Wirt ums Eck“ bei der letzten Prüfung erhielt und das ergänzt mit Userbewertungen zum Essen. Österreich würde sich hier „sicherlich um einiges schwerer tun“.
Eine der Voraussetzungen für OGD ist, dass die Daten aus einer Primärquelle stammen und nicht interpretiert sind. Teilweise seien diese in Österreich bereits zu finden, jedoch nicht strukturiert, also konzentriert auf einer Plattform, was die Arbeit sehr „mühsam macht“, so Parycek.
Expertenwissen vs. Soziale Netzwerke
Auch der Umstand, dass „die Gesellschaft beginnt, Rohdaten selbst auszuwerten und zu visualisieren, wird bei uns sehr kritisch betrachtet“. Die Angst, dass es zu Fehlinterpretationen käme und der „Expertenstatus etwas zu bröckeln beginnt“, sei zu groß. Zudem gebe es Bedenken über einen „populistischen Missbrauch“ der Daten. Parycek hielt diesen Argumenten entgegen, dass sich die Bürger durch die verschiedenen Interpretationen ein viel besseres Bild machen könnten.
Transparenz führt auch dazu, dass Fehler passieren und sichtbar werden. „Das passt nicht in unsere Verwaltungskultur, denn hierzulande macht die keine Fehler“, so Parycek. Darüber hinaus würde OGD Vergleiche innerhalb der verschiedenen Abteilungen, Ministerien und Länder zulassen, ein Umstand der derzeit kaum der Fall sei. „Transparenz bedeutet teilweise Macht-, Kontroll- und Expertenverlust“, sagte Parycek. Die Verwaltung müsse ihre Rolle neu definieren, was auch Veränderung bedeute, „und das haben wir möglicherweise nicht gern“.
Angst vor sozialen Auswirkungen
Und schließlich wisse niemand, was sichtbar würde, wenn bestimmte Daten veröffentlicht und in Beziehung zueinander gesetzt würden. Der Experte nannte ein Beispiel, wonach das US-Umweltministerium immer schon seine Daten offen zu Verfügung gehalten habe. Ein Mash-up, das es erlaubt habe, diese Daten visuell auf einer Landkarte einfacher abzufragen, habe dazu geführt, dass sich die Grundstückspreise anglichen, je nachdem, welche negativen oder positiven Umweltfaktoren in der Umgebung eingezeichnet waren.
In Österreich gibt es die Daten auch, „sicherheitshalber aber nur in gedruckter Form und nicht elektronisch“, kritisierte Parycek. Nachdem solche Erkenntnisse auch zu Spannungen in der Gesellschaft führen könnten, sei eine Überprüfung der „sozialen Auswirkungen“ sehr wichtig, um zu entscheiden, welche Daten offengelegt würden. Die Kategorisierung und Bewertung sei auch insofern notwendig, als einige Behördendaten, etwa Grundbuchauszüge, momentan teilweise kostenpflichtig seien.
Apps for Democracy:
Das Projekt bezeichnet die OGD-Initiative der USA, die von Vivek Kundra, Chief Information Officer (CIO) der Regierung, ins Leben gerufen wurde. Konkret handelt es sich um einen Wettbewerb mit dem Ziel, die Allgemeinheit zu motivieren, mit den von der Regierung dafür geöffneten Verwaltungsdaten neue Anwendungen zu kreieren.
OGD in Geld ausgedrückt
Der präzise Nutzen und Wert von OGD für die Verwaltung selbst sei schwierig aufzuzeigen. Nach Angaben der USA hätten die nach der Initiative „Apps for Democracy“ eingelangten 47 Apps einen geschätzten Wert von 2,6 Millionen Dollar (1,95 Mio. Euro). Parycek weist hier auch auf Vorschläge aus der Community hin, die meint, die Öffnung mehr als „Infrastrukturmaßnahme“ sehen zu müssen.
Konkrete nächste Schritte stünden derzeit nicht auf der Agenda beim Kompetenzzentrum der Internetgesellschaft, so Parycek gegenüber ORF.at. Große Erwartungen habe der Experte aber aufgrund der neuen rot-grünen Regierung in Wien, die das Thema auch in ihrem Koalitionsabkommen einschließt.
Und schließlich gebe es keine „großen Blockierer“, es bestehe lediglich große Unsicherheit, wie damit umgegangen werden soll. Wichtig sei Parycek vor allem, dass schnell gehandelt und das Thema nicht „zerredet“ werde.
Claudia Glechner, ORF.at