Schimpftiraden gegen Rebellen
Für Libyens angeschlagenen Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi steht ein Rücktritt offenbar weiterhin nicht zur Debatte. Davon zeugt eine Mittwochfrüh übertragene TV-Ansprache, in der sich Al-Gaddafi in gewohnter Manier weiter kämpferisch zeigte.
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In der vom staatlichen Fernsehen übertragenen Rede beschimpfte Al-Gaddafi die in den von den Aufständischen kontrollierten Gebieten eingesetzte Übergangsregierung als Bande von „Verrätern“. Ziel seiner Schimpftiraden waren zudem die USA, Frankreich und Großbritannien. Diese hätten sich laut Al-Gaddafi gegen Libyen verschworen, um die Ölfelder unter ihre Kontrolle zu bringen.
In seiner jüngsten Fernsehansprache wandte sich Al-Gaddafi auch an die jungen Männer in der umkämpften Stadt Sintan. Er forderte sie auf, sich von den Rebellen abzuwenden. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, präsentierte er Angehörige eines in der Stadt beheimateten Stammes, die ihre Treue zum Regime bekundeten.
Größte Raffinerie des Landes geschlossen
Unterdessen kämpfen sich die Regimetruppen weiter vor. Offenbar stehen sie kurz vor der Rückeroberung der Stadt al-Sawija im Westen des Landes. Al-Gaddafi-Truppen kontrollierten die Hauptverkehrsstraße und die Vororte, berichtete ein Kämpfer der Aufständischen am Mittwoch. Scharfschützen der Regierungstruppen seien auf fast allen Häusern postiert. Es werde auf jeden geschossen, der es wage, sein Haus zu verlassen.
Die halbe Stadt sei durch Luftangriffe zerstört worden, sagte der Rebellenkämpfer weiter. „Es gibt viele Tote und sie können nicht einmal beerdigt werden.“ In al-Sawija steht die größte Raffinerie des Landes. Sie musste nach heftigen Gefechten in unmittelbarer Nähe am Mittwoch komplett geschlossen werden.
Front um Al-Gaddafi bröckelt
Auch wenn die Kämpfe offenbar mit unvermittelter Härte weitergehen, dürfte die Loyalität im Umfeld des Langzeitmachthabers weiter bröckeln. Wie am Dienstag bekanntwurde, stellte Al-Gaddafi seinen Verteidigungsminister Abu Bakr Junis und den Altrevolutionär und langjährigen Geheimdienstchef Mustafa al-Charubi unter Hausarrest.
Die beiden Weggefährten des Revolutionsführers aus frühen Jahren hätten die jüngsten Militäroperationen des Regimes abgelehnt, hieß es aus Tripolis. Junis ist einer von 26 Spitzenfunktionären des Regimes, gegen die die Europäische Union (EU) Kontensperren und Einreiseverbote verhängt hat.
Gerüchte über Gespräche „vollkommener Blödsinn“
Ein angebliches Verhandlungsangebot an die Rebellen wurde am Dienstag dementiert. Ein Vertreter des libyschen Außenministeriums bezeichnete Berichte, wonach Al-Gaddafi seinen Gegnern seinen Rückzug angeboten haben soll, als „vollkommenen Blödsinn“. Zuvor hatte der oppositionelle Nationalrat erklärt, dass er Verhandlungen mit Al-Gaddafi ablehne. Al-Gaddafi solle einfach „verschwinden und das Blutbad beenden“, sagte ein Sprecher des Gremiums.
Medien meldeten Verhandlungen
Zuvor hatte der arabische TV-Sender al-Jazeera gemeldet, hinter den Kulissen habe der libysche Machthaber den Rebellen angeblich ein Treffen angeboten, um seinen Rücktritt gegen Garantien zu ermöglichen. Auch die arabische Zeitung „Al-Schark al-Awsat“ hatte berichtet, Al-Gaddafi habe Kontakt zum Nationalrat aufgenommen, angeblich um vorzuschlagen, dass er mit seiner Familie ins Exil geht.
Al-Gaddafi-Sohn warnt vor „neuem Somalia“
Einer von Al-Gaddafis Söhnen sagte hingegen, der Machthaber könne nicht zurücktreten. Denn das würde zu einem Bürgerkrieg führen, so Saadi al-Gaddafi im Interview mit dem Sender al-Arabija. Demnach warnte er auch davor, dass sich Libyen in ein „neues Somalia“ verwandeln könnte, wo die Stämme gegeneinander kämpfen. Außerdem betonte er, dass sein Vater die Armee noch nicht zu vollem Kampf gegen die Rebellen angewiesen habe, um Libyen vor ausländischen Angriffen zu schützen.
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