Situation in Tunesien katastrophal
In Tunesien droht nach Ansicht der Vereinten Nationen und des Roten Kreuzes eine humanitäre Katastrophe, wenn nicht schleunigst versprochene Hilfe eintrifft. In einem dringenden Hilferuf betonte der tunesische Rotkreuz-Manager Mongi Slim: „Bisher gab es nur Versprechungen, aber nichts Konkretes. Die Situation hier ist katastrophal, ich habe noch nie eine solche humanitäre Krise hier erlebt.“
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Auch das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR warnte vor einem drohenden Desaster. Allein am Montag seien 14.000 Menschen aus Libyen über den Grenzort Ras Jadir nach Tunesien gekommen, hieß es auf der Website der Institution. Für Dienstag wurden bis zu 15.000 Flüchtlinge erwartet.
Viele warteten teilweise drei bis vier Tage in der nächtlichen Kälte ohne Nahrung, um die Grenze zu passieren. Es werde täglich schlimmer, erklärte UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming Journalisten in Genf. Schnelle Hilfe sei daher jetzt dringlich.
Afrikaner „besonders verängstigt“
Die Situation an der libysch-tunesischen Grenze habe „den Krisenpunkt erreicht“, sagte Fleming. Zehntausende Menschen warteten nun an der Grenze in Tunesien auf einen Weitertransport. Vor allem Menschen aus Schwarzafrika würden von den Grenzbehörden oft nicht nach Tunesien gelassen. „Wir sind sehr besorgt darüber, dass dabei Rassismus ein Faktor sein könnte“, so die UNHCR-Sprecherin. Das weiterhin geöffnete UNHCR-Büro in Tripolis habe verzweifelte Anrufe von Menschen erhalten, die nicht aus Libyen herauskämen.
Afrikaner seien „besonders verängstigt“. In den vergangenen Tagen hatten sich Berichte gehäuft, wonach sie sowohl von regimetreuen Verbänden schikaniert als auch von Aufständischen angegriffen worden sein sollen, weil sie für Söldner gehalten wurden.
Tunesien „völlig überfordert“
Bisher gebe es trotz der aus Libyen ins Land strömenden Flüchtlinge aus Ägypten, Algerien und anderen Staaten noch immer kaum feste Lager, sagte Slim vom Roten Kreuz am Dienstag dem französischen TV-Sender BFM. Tunesien sei völlig überfordert: „Wir können allenfalls 10.000 Flüchtlinge aufnehmen, aber wir haben hier Zehntausende“, erklärte Slim. Nach Regierungsangaben befinden sich bereits bis zu 75.000 Flüchtlinge in dem kleinen nordafrikanischen Staat.
Die Grenze zu Ägypten überquerten laut UNHCR seit dem 19. Februar unterdessen 69.000 Menschen. Es handle sich vor allem um Ägypter, die als Gastarbeiter in Libyen tätig waren.
Der Generalsekretär der Organisation der Islamischen Konferenz, Ekmeleddin Ihsanoglu, forderte die Regierungen der islamischen Staaten am Dienstag auf, den Tunesiern dabei zu helfen, die an der Grenze gestrandeten Ausländer in ihre Heimatländer zu bringen. Auf beiden Seiten der Grenze drängten sich Tausende von Flüchtlingen, erklärte Ihsanoglu, der ein Erkundungsteam nach Tunesien geschickt hatte.
„Grauenhafte Bilder“ aus Tripolis
Die Vereinten Nationen sind zunehmend besorgt über die humanitäre Lage. In der Hauptstadt Tripolis, die weiter unter Kontrolle von Machthaber Muammar al-Gaddafi sein soll, herrscht nach Einschätzung der Vereinten Nationen inzwischen Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten und Verbandszeug für Verwundete.
Ein genaues Bild vom Geschehen haben die Vereinten Nationen jedoch nicht mehr, weil sie ihre dortigen Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen abgezogen haben. Das sagte die Untergeneralsekretärin für humanitäre Notlagen, Valerie Amos, am Montag in New York. Amos erklärte nach Angaben des arabischen Nachrichtensenders al-Jazeera, es gebe Berichte, dass es in Tripolis bereits 600 bis 2.000 Todesopfer gegeben habe. Es existierten „grauenhafte Bilder“ aus der Hauptstadt.
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