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„Korruptionsoase“ Österreich

Ohne rechtzeitige Neuregelung droht Österreich scharfe Kritik der Antikorruptionsgruppe des Europarats (GRECO), die die hiesige Rechtslage heuer prüfen wird. Ein Expertenteam des Europarats wird von 6. bis 10. Juni nach Österreich kommen, wie GRECO-Exekutivsekretär Wolfgang Rau gegenüber der APA bestätigte.

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Dass es zu einer Reform bis zum Prüfzeitraum kommt, ist mehr als unwahrscheinlich - von einer Regelung auf Länderebene ganz zu schweigen. Der Bericht über das österreichische System der Parteienfinanzierung soll im Dezember vorliegen und wird auch nach Einschätzung des auf Parteienfinanzierung spezialisierten Politikwissenschaftlers Hubert Sickinger äußerst kritisch ausfallen.

Politik „bemerkenswert milde“ mit sich selbst

Sickinger kritisierte, dass in Österreich weder die Offenlegung von Parteispenden noch ein unabhängiges Kontrollorgan vorgesehen seien. Folglich gibt es auch keine Sanktionen bei Verstößen. Außerdem verwies Sickinger darauf, dass der Europarat im Juni auch die strafrechtlichen Bestimmungen zur Korruptionsbekämpfung überprüft. Hier sieht der Politikwissenschaftler ebenfalls Lücken, denn die strafrechtlichen Bestimmungen gegen politische Korruption seien in Österreich „bemerkenswert milde“.

Der für Jahresende zu erwartende Bericht der GRECO-Experten wird nach der Freigabe durch Österreich veröffentlicht. Das kann dauern: Für die Freigabe des letzten GRECO-Berichts (über die allgemeine Korruptionsbekämpfung in Österreich) ließ sich die Regierung ein gutes halbes Jahr Zeit - von Juni bis Dezember 2008.

Konkret stößt sich Sickinger daran, dass es Politikern zwar untersagt ist, Geld für eine „pflichtwidrige“ Amtshandlung anzunehmen (§ 304 Strafgesetzbuch „Bestechlichkeit“, bis zu drei Jahre Haft). Wer für „pflichtgemäße“ Amtshandlungen (§ 305 „Vorteilsannahme“) Geschenke annimmt, ist dagegen nur dann strafbar, wenn das gegen das Dienstrecht des Amtsträgers verstößt. Das führt de facto zur Entkriminalisierung dieser Delikte bei Politikern, denn, so Sickinger: „Dienstrecht gibt es für Politiker keines.“

An Rüffel aus dem Ausland schon gewöhnt

Der Politikwissenschaftler rechnet daher sowohl im Bereich des Strafrechts als auch bei der Parteienfinanzierung mit Kritik der Europaratsexperten an der Regierung. „Auf beiden Seiten werden sie Prügel beziehen“, erwartet Sickinger. Ein negativer GRECO-Bericht wäre allerdings nicht der erste internationale Rüffel für das österreichische Parteiengesetz.

Zuletzt hatten die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nach der Bundespräsidentenwahl 2010 die mangelnde Transparenz der Parteifinanzen kritisiert. „Ein solches unreglementiertes System für Spenden ermöglicht Missbrauch, etwa durch die Annahme von Spenden von illegalen Firmen, und unterschlägt den Wählern wichtige Informationen über die Kandidaten“, kritisierten die Wahlbeobachter.

Einladung zur Korruption?

Schärfer formulierte der Vorsitzende von Transparency International Österreich, Franz Fiedler: Er bezeichnete anonyme Parteispenden im Vorjahr als „Einfallstor für Korruption“. Der Leiter der OECD-Arbeitsgruppe gegen Unternehmenskorruption, der Schweizer Mark Pieth, bezeichnete Österreich wegen seiner milden Rechtslage als „Korruptionsoase“.

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