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„Es kostet ja keine Mühe“

Der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat nach mehreren Bundeswehr-Affären ein neues Problem: Er soll bei seiner Doktorarbeit ganze Passagen abgeschrieben haben. Die Schweizer Journalistin Klara Obermüller, bei der Guttenberg in seiner Doktorarbeit abgeschrieben haben soll, findet dieses Verhalten „nicht sehr ehrenhaft und eigentlich auch nicht sehr klug“.

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So etwas komme immer irgendwann heraus, sagte die Autorin am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Es kostet ja keine Mühe, Anführungszeichen zu machen - vorne eins, hinten eins, die Quelle angeben und schon ist man schön raus und hat den Gedanken trotzdem drin.“ Laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ hat Guttenberg in seiner Doktorarbeit eine ganze Passage aus einem mehrere Jahre zuvor in der „Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag“ erschienenen Artikel Obermüllers übernommen, ohne sie mit Anführungszeichen zu markieren oder mit einer Fußnote zu versehen.

„Fühle mich nicht geschmeichelt“

Obermüller sagte, sie habe dadurch zwar das Gefühl, „offenbar etwas nicht ganz Dummes“ geschrieben zu haben. „Geschmeichelt fühlen sollte man sich eigentlich nicht von so etwas“, fügte sie aber hinzu. Den Stab wollte Obermüller aber nicht über Guttenberg brechen. Es komme nun darauf an, wie viel Guttenberg tatsächlich ungekennzeichnet aus anderen Arbeiten übernommen habe.

„Ich scheine ja auch nicht die Einzige zu sein, der diese Ehre widerfährt“, sagte sie. „Wenn es sich im Rahmen hält, würde ich sagen: Schwamm drüber.“ Wenn die kopierten Teile ein gewisses Maß überschreiten würden, „muss man sich natürlich auch auf akademischer Seite schon fragen, ob das dann noch einen Doktortitel wert ist“.

„Plagiatsjäger“: Schon im Vorwort abgeschrieben

Der österreichische Medienforscher Stefan Weber weitete die Plagiatsvorwürfe gegen Guttenberg am Mittwoch noch aus. Dieser habe nicht nur mehrere Stellen seiner Arbeit von anderen Autoren kopiert. „Guttenberg hat sogar bereits die allerersten Zeilen seiner Dissertation unzitiert abgeschrieben“, verweist er in einer Aussendung auf den Kommentar eines Lesers seines „Blogs für wissenschaftliche Redlichkeit“.

Demnach soll der Minister für seine Einleitung einen Artikel der Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) aus dem Jahr 1997 abgekupfert haben. „Es handelt sich hierbei um eine unglaubliche Entdeckung, die den Fall in einem völlig anderen Licht erscheinen lässt“, so Webers Kommentar.

Summa cum laude

Der heute 39-jährige Guttenberg hatte seine Doktorarbeit 2006 an der Uni Bayreuth abgegeben. 2007 wurde er mit der Bestnote „Summa cum laude“ zum Dr. jur. promoviert. Die Dissertation trägt den Titel „Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“.

„Vorwurf abstrus“

Guttenberg ließ mögliche Fehler offen. „Ich bin gerne bereit zu prüfen, ob bei über 1.200 Fußnoten und 475 Seiten vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten, und würde dies bei einer Neuauflage berücksichtigen“, teilte der Verteidigungsminister mit. Er wehrte sich aber zugleich: „Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus.“ Guttenberg betonte, dass an der Dissertation keine Mitarbeiter mitgewirkt hätten. „Die Anfertigung dieser Arbeit war meine eigene Leistung.“

Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle nahm den CSU-Politiker in Schutz. „Der Vorwurf ist absurd, die Arbeit ist kein Plagiat“, so Häberle zur „Bild“-Zeitung. „Sie wurde von mir in zahlreichen Beratungsgesprächen eingehend kontrolliert.“ Gleichzeitig betonte der inzwischen emeritierte Wissenschaftler: „Herr zu Guttenberg war einer meiner besten Seminaristen und Doktoranden.“

„Da steckt Kampagne dahinter“

Der deutsche Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt wies die Plagiatsvorwürfe gegen Guttenberg als „ungehörig“ zurück. „Da steckt eine Kampagne dahinter“, sagte er am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa. Der CSU-Politiker verwies darauf, dass der Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano, der die Vorwürfe erhoben hat, dem linken Spektrum zuzuordnen sei.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht derzeit keinen Grund, aus den Vorwürfen gegen Guttenberg Konsequenzen zu ziehen. Auf die Frage, ob Merkel die Vorwürfe in Zusammenhang mit dessen Doktorarbeit ernst nehme, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert aber: „Die Bundeskanzlerin hat davon wie der Rest der Republik gerade erst erfahren und interessiert sich dafür.“

Verlag wartet Prüfung ab

Der Berliner Verlag Duncker & Humblot, der die umstrittene Dissertation Guttenbergs verlegt hat, will zunächst die Prüfung abwarten, betonte jedoch: „Eine Arbeit wird an einer renommierten Universität wie Bayreuth nicht zweimal mit ‚Summa cum laude‘ bewertet, wenn Zweifel an der wissenschaftlichen Exzellenz bestehen.“

„Kann Verantwortung nicht abschieben“

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierte: „Egal ob vorsätzliches Plagiat oder einfache Schlamperei: Guttenberg hat zum ersten Mal das Problem, dass er die Verantwortung auf keinen anderen abschieben kann.“ Der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis nahm Guttenberg in der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) in Schutz. „Er wird von allen Seiten angegriffen, weil er ein so hohes Ansehen in der Bevölkerung hat.“ Bayerns SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher legte Guttenberg nahe, bis zur Klärung der Vorwürfe auf seinen Doktortitel zu verzichten.

Auf seiner Website wirbt Guttenberg mit Werten wie Verantwortung und Vertrauen für sich. Der Verteidigungsminister war bereits unter Druck geraten, weil auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“ chaotische Zustände nach dem Tod einer Kadettin geherrscht haben sollen. Dazu kamen ein mysteriöser Schießunfall in Afghanistan und geöffnete Feldpost. Auch in den eigenen Reihen gab es Kritik am gemeinsamen Besuch von Guttenberg und seiner Frau in Afghanistan im Dezember, wo Moderator Johannes B. Kerner zudem eine Sendung aufzeichnete.

Uni prüft Vorwürfe

Die Universität Bayreuth will den Plagiatsvorwürfen auf den Grund gehen. „Wir prüfen jetzt, ob dieser Vorwurf berechtigt ist“, sagte der Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Markus Möstl. Die Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft an der Universität Bayreuth wollte sich bei einem regulären Treffen am Mittwoch auch mit den Vorwürfen gegen Guttenberg befassen.

Vor einigen Jahren waren ähnliche Vorwürfe gegen den heutigen EU-Kommissar und damaligen Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) laut geworden. Medienforscher Weber hatte Hahn nur wenige Monate nach dessen Amtsantritt 2007 eine der schwersten Krisen von dessen Amtszeit beschert, indem er ihm vorwarf, in seiner Dissertation „absolut schlampig gearbeitet“ und „seitenweise abgeschrieben“ zu haben. Die Universität Wien ging den Vorwürfen nach, verzichtete letztlich aber auf die Einleitung eines Plagiatsprüfungsverfahrens, weil Hahn nie fremdes geistiges Eigentum als sein eigenes ausgegeben habe.

Guttenberg in Afghanistan

Ungeachtet der Vorwürfe gegen ihn traf Guttenberg Mittwochabend überraschend zu einem Besuch in Afghanistan ein. Es ist seine neunte Afghanistan-Reise seit seinem Amtsantritt im Herbst 2009. Zuletzt war der CSU-Politiker Mitte Dezember innerhalb weniger Tage zuerst mit seiner Frau Stephanie und dann mit Merkel am Hindukusch. Guttenberg hat sich vorgenommen, die deutschen Soldaten in Afghanistan alle zwei Monate zu besuchen.

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