Die Eliza Doolittle der Royals
„The King’s Speech“ hat bereits lange vor seinem Kinostart in Europa für Aufsehen gesorgt: Bei praktisch allen wichtigen Filmpreisen steht der britische Film über den stotternden König George VI. ganz oben auf der Liste der Nominierten und Preisträger, und das in Konkurrenz mit riesigen Hollywood-Produktionen.
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Und der Stoff ist tatsächlich dem typisch-amerikanischen Traumfabrik-Strickmuster nicht unähnlich: Ein Mann, dem man nicht viel zutraut, muss seine Ängste und Probleme überwinden, um schließlich zum Helden zu werden. In „The King’s Speech“ ist dieser Held der schüchterne Prinz Albert (Colin Firth), der nach dem Tod seines Vaters und der Abdankung seines Bruders unerwartet zum König wird - obwohl er aufgrund seines Sprachfehlers in der Öffentlichkeit keinen geraden Satz hervorbringt.

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Mit Sprechübungen wie dem häufigen Wiederholen von „Fuck, fuck, fuck“ hilft der Sprachlehrer dem König beim Überwinden seines Problems.
Peinlich berührtes Publikum
Albert verzweifelt an seinem Stottern. Jeder Auftritt vor Publikum ist für ihn eine Höllenqual, für seine Zuhörer ein Moment der peinlichen Berührung. Obwohl er bereits so ziemlich alle Logopäden und Sprachtrainer des Königreichs durchprobiert hat, ist eine Lösung seines Problems nicht in Sicht.
Gleich zu Beginn des Films „The King’s Speech“ zitiert Regisseur eine Szene aus dem Musikfilm-Klassiker „My Fair Lady“: Ein Sprachtrainer stopft seinem Patienten Murmeln in den Mund, um ihm das Stottern auszutreiben. Was beim Blumenmädchen Eliza Doolittle in der Operette ohne Erfolg blieb, half auch dem britischen Prinzen nicht weiter, genauso wenig wie exzessives Rauchen (zur Nervenberuhigung, wie ihm die Ärzte erklärten): Die Sprachstörung blieb.
Freundschaft über alle Standesgrenzen
Erst die letzte Hoffnung seiner Frau Elizabeth (Helena Bonham Carter), ein verschrobener australischer Sprachlehrer (Geoffry Rush), geht der Ursache des Stotterns auf den Grund. Schritt für Schritt gewinnt er die Freundschaft des Prinzen und trotz des Standesunterschieds zählt er bald zu seinen engsten Vertrauten. Doch obwohl sich mit den unkonventionellen Methoden des Logopäden - derbe Flüche, Singen und Gymnastikübungen - eine Besserung einstellt, spitzt sich die Lage für Albert nach dem Tod von König George V. zu.

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Regisseur Tom Hooper mit den Hauptdarstellern am Set von „The King’s Speech“.
Historisch grob an der Realität
Mit einem hochkarätig besetzten Ensemble erzählt der britische Regisseur Tom Hooper die historisch grob an der Realität bleibende Geschichte des Vaters der heutigen Königin Elisabeth II. Der Grund für den Preis- und Nominierungsregen, der auf „The King’s Speech“ niedergeht, ist ohne Frage die Besetzung.
Zwölf Oscar-Nominierungen
„The King’s Speech“ ist in insgesamt zwölf Kategorien bei den Oscars nominiert, darunter als bester Film, für die beste männliche Hauptrolle, die besten Nebendarsteller (männlich und weiblich) sowie für die beste Regie.
Firth brilliert als aristokratisch verklemmter und leidender George VI., Carter als seine sich sorgende Ehefrau. Beide sind für Oscars nominiert, genau wie Rush als gewitzter australischer Sprachtrainer, der in London gerne an seine Schauspielkarriere anknüpfen würde, doch für seine Traumrolle in „Richard III.“ bereits zu alt ist.
Hooper gelingt einerseits die Gratwanderung zwischen Drama und Komik, ohne dabei in billigen Klamauk abzudriften und schafft so einen sympathischen Film, der hauptsächlich durch seine Darsteller lebt. Statt auf pompösen Monarchiekitsch setzte der bisher hauptsächlich für das Fernsehen arbeitende Regisseur auf eine feine Klinge, ungewöhnliche Kameraeinstellungen und altmodisches Schauspielerkino.
Gratwanderung zwischen Drama und Komik
Das Projekt hätte ihn schon vor 30 Jahren interessiert, erklärte der Drehbuchautor David Seidler im Vorfeld der Veröffentlichung, allerdings habe ihn die Witwe von George VI., bekannt als „Queen Mum“, davon abgehalten. Elizabeth II. hingegen gab dem 73-jährigen Autor grünes Licht für „The King’s Speech“ und fand den Film über ihre Familie sogar höchst „bewegend“. Kein Wunder, sparten Hooper und Seidler doch Kritik an der Monarchie und der Königsfamilie geflissentlich aus.
Sophia Felbermair, ORF.at
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