Der Spagat zwischen Print und Web
Eine richtige „Revolution“ will der neue Direktor bei „Le Monde“, Erik Izraelewicz, auslösen. Mehr Web im Print lautet eine seiner Losungen. Aber auch, dass die Printausgaben wieder dicker werden soll. Alte Zöpfe will man bei der Erscheinungsform des Traditionsblatt abschneiden.
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Mit 74,25 Prozent der Redakteursstimmen wurde Izraelewicz am Donnerstagabend „Direktor“ und damit eine Mischung aus Herausgeber und Chefredakteur bei Frankreichs liberalem Aushängeschild. Er löste damit Eric Fotorino ab, der erst 2007 inmitten der schweren Krise beim französischen Traditionsblatt installiert wurde.
Der 56-jährige Izraelewicz, selbst seit 14 Jahren bei „Le Monde“ tätig, hat eine wahre „Revolution“ angekündigt. Künftig soll die Zeitung erst am Morgen erscheinen. Im Moment kommt „Le Monde“ in Paris am Nachmittag heraus und grundsätzlich am Abend. Im Rest von Frankreich liegt die Printausgabe erst am nächsten Tag in den Trafiken - und sieht damit außerhalb von Paris nicht immer sehr frisch aus.

AP/Remy de la Mauviniere
Bisher erscheint „Le Monde“ in Paris schon am Nachmittag, im Rest des Landes aber erst am nächsten Morgen.
Alle wollen dickere Zeitungen
Izraelewicz, der früher die Wirtschaftstageszeitungen „La Tribune“ und „Les Echos“ geleitet hatte und vor allem als China-Spezialist gilt, will die Seitenanzahl des Blattes anheben und mehr Beilagen am Wochenende anbieten. Vor allem schwebt ihm aber eine Verbindung von Print- und Onlineredaktion vor. Es soll mehr Web im Print stattfinden, und möglicherweise ist das die eigentliche Revolution bei dem Medium am Boulevard Auguste Blanqui.
Im Internet ist „Le Monde“ Frankreichs Nachrichtenseite Nummer eins. Nur die Sportzeitung „L’Equipe“ liegt im Web noch vor ihr. Im Alexa.com-Ranking rangiert „Le Monde“ klar unter den Top-1.000-Sites weltweit. Doch Medien haben es in Frankreich im Web schwer. Nichtmediale Plattformen von YouTube bis eBay dominieren hier die Internetnutzung. Mitte Februar stand „Le Monde“ bei Alexa auf Platz 34 in der Länderwertung, „L’Equipe“ auf Platz 25.
Projekte wie Rue89.com, gegründet von früheren „Monde“- und „Liberation“-Redakteuren, zeigen allerdings, dass Nachrichtenseiten (begonnen in ähnlichem Blogstil wie die Huffington Post) in Frankreich durchaus Potenzial für eine Stammleserschaft haben. Mit Spannung wird zu betrachten sein, was aus dem Web in den Print wandert - und wie man das Netz als Themenlabor verwendet.
Eigentümerwechsel
Bis zum Juni 2010 gehörte „Le Monde“ zu 53 Prozent den Angestellten und Mitarbeitern. 47 Prozent teilten sich der Lebensmittelkonzern Danone, die Bank BNP Paribas und der Milliardär Francois Pinault. Am 25. Juni erteilte die Redaktionskonferenz der Bietergruppe des der Sozialistischen Partei (PS) nahestehenden Unternehmers Pierre Berge, des Bankiers Mathieu Pigasse und des Internetunternehmers Xavier Niel den Zuschlag für den Kauf der wirtschaftlich angeschlagenen Tageszeitung.
Joffrin von „Liberation“ zum „Observateur“
Auch zwei anderen französischen Printmedien steht dieser Tage ein Führungswechsel ins Haus. Sowohl die Tageszeitung „Liberation“ als auch das Wochenmagazin „Le Nouvel Observateur“ werden einen neuen Chefredakteur erhalten. Der bisherige Chefredakteur der links-unabhängigen „Liberation“, Laurent Joffrin, wird die Führung des ebenfalls linksgerichteten „Nouvel Observateur“ übernehmen.
Umstritten und in der Redaktion eher unbeliebt ist allerdings der designierte Nachfolger Joffrins bei der „Liberation“, Nicolas Demorand. Der 39-Jährige ist in der Öffentlichkeit sehr bekannt, weil er bei der Radiostation Europe 1 als Moderator tätig ist und im TV-Sender France 5 eine politische Talkshow moderiert. Nach einer Aussprache mit Redakteuren betonte er, den Posten unter der Bedingung angenommen zu haben, dass er zusätzliches Personal einstellen könne.
„Ratschlag“ von Sarkozy?
Hauptaktionär der „Liberation“ ist der Geschäftsmann Edouard de Rothschild, der das Blatt vor dem Bankrott gerettet hatte. Er versprach auch eine Anhebung der Seitenzahl und eine zumindest teilweise gebührenpflichtige Webausgabe.
Weniger Widerstand gab es bei der Abstimmung über die redaktionelle Führung des „Nouvel Observateur“: Hier erhielt Joffrin über 93 Prozent der Redakteursstimmen, eine erwartete Kampfabstimmung blieb aus. Jetzt müssen aber alle Medien zeigen, ob sie sich tatsächlich fit für die Zukunft machen können. Im Zweifelsfall hätte immer Präsident Nicolas Sarkozy einen „Ratschlag“ parat: das Kapital des Medien- und Rüstungskonzerns Lagardere.
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