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Jahrelanger Raubbau am Ökosystem

Mit dem Zyklon „Yasi“ ist Australien in der Nacht auf Donnerstag bereits von der zweiten Naturkatastrophe in diesem Jahr heimgesucht worden. Der Sturm zog mit Windspitzen von bis zu 300 km/h über den Nordosten des Landes und verwüstete ganze Landstriche. Alles höhere Gewalt oder – zumindest zum Teil – vom Menschen gemacht?

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Schon vor dem Wirbelsturm hatten Umweltschutzverbände und Wissenschaftler Kritik an einem aus ihrer Sicht rücksichtslosen Raubbau an der Natur geübt: Ganze Landstriche würden gerodet, um Platz für Plantagen und Bergbauprojekte zu machen. Warnungen vor möglichen Folgen seien in den Wind geschlagen, auf Schutzmaßnahmen „vergessen“ worden.

“Land clearing“ und seine Folgen

Aus der Luft, hieß es zuletzt in einem Artikel im britischen „New Statesman“ (Onlineausgabe), zeigten sich „Narben“ in der Landschaft, so groß wie ganze europäische Staaten, wo früher eine üppige Vegetation gedieh, schimmerten heute Salzpfannen. „Das ist kaum noch rückgängig zu machen.“

Laut der Umweltschutzorganisation International Union for Conservation of Nature (IUCN) ist die Umweltzerstörung in Australien für das Aussterben von mehr Tierarten verantwortlich als in jedem anderen Land der Welt. Nach Einschätzung des World Wide Fund for Nature (WWF) fallen dem „land clearing“ jährlich rund 100 Millionen Vögel, Säugetiere und Reptilien zum Opfer.

Das Land wird mit Bulldozern oder durch Brände gerodet, um anschließend Plantagen oder Minen anzulegen. Im Mai des Vorjahres hatte die Regierung von Queensland riesige Flächen an Hancock Queensland Plantations, eine Tochter des US-amerikanischen Holzgiganten Hancock Timber Resource Group, verkauft, so der „New Statesman“.

Wärmere Ozeane, stärkere Stürme?

Als der grüne Politiker und Senator für die Insel Tasmanien, Robert James Brown sagte, dass die Überschwemmungen in Queensland zumindest teilweise Folge des selbst verschuldeten Klimawandels gewesen seien, sei von ihm verlangt worden, sich bei der Bergbauindustrie zu entschuldigen. Brown hatte gemeint, „das Verbrennen fossiler Treibstoffe führt dazu, dass wir heute das wärmste Meer vor der Küste aller Zeiten haben“.

Inwieweit der Treibhauseffekt direkte Ursache für Naturkatastrophen ist, ist unter Experten nicht unumstritten. Der Leiter der Abteilung für Georisikoforschung beim deutschen Rückversicherer Munich Re (Münchener Rück), Peter Höppe, stellte einen solchen Zusammenhang zuletzt her. Der langfristige Trend zeige, dass durch ein Steigen der Wassertemperatur das Entstehen von Stürmen begünstigt werde. Die höheren Meerestemperaturen seien „nicht mehr allein mit natürlichen Klimaschwankungen zu erklären“, so Höppe im Jänner. Vielmehr trage offenbar der Klimawandel zu der Erwärmung der Weltmeere bei.

In Australien, zitiert der „New Statesman“ die Umweltschutzorganisation The Wilderness Society, habe die Landrodung zwischen 1995 und 2005 annähernd so viel Treibhausgase produziert wie der gesamte Pkw- und Schwerverkehr im Land.

Kritik an Katastrophenmanagement

Vorwürfe musste sich die australische Regierung auch wegen ihres Katastrophenmanagements gefallen lassen. Australien sei ein hoch entwickeltes Land mit einer entsprechenden Kommunikationsinfrastruktur, und trotzdem hätten „Zehntausende Menschen keine Katastrophenwarnung erhalten“.

Kritik daran und am Raubbau der Natur wird der Zeitung zufolge kaum laut, befindet sich die Presse doch zu einem guten Teil in der Hand des Medienmagnaten Rupert Murdoch mit guten Kontakten zur Politik. Getroffen hätten die Überschwemmungen in Queensland vor allem ärmere Australier, die sich keine Versicherung leisten könnten oder aber wegen undurchsichtiger Versicherungspolizzen am Ende leer ausgingen.

Mehr als „Zorn der Natur“

Der Direktor des Institute for Marine & Coastal Studies an der Universität von Sydney, Andrew Short, verglich die Folgen der Überschwemmungskatastrophe in Nordostaustralien mit denen nach dem Hurrikan „Katrina“ im US-Bundesstaat Louisiana 2005. „Das ist etwas, auf das wir gewartet haben“, zitiert ihn der „New Statesman“. „Wieso gab es keine Dämme, um die tiefer gelegenen Städte zu schützen? (...) Wieso liegen die wichtigsten Autobahn- und Eisenbahnverbindungen noch immer unter Überschwemmungsniveau?“

Premierministerin Julia Gillard und die Regierungschefin von Queensland, Anna Bligh, hätten nach der Überschwemmungskatastrophe im Jänner vom „Zorn von Mutter Natur“ gesprochen, in Wirklichkeit aber jahrelang Warnungen von Experten in den Wind geschlagen. In der Stadt Brisbane etwa, die vom letzten Hochwasser massiv betroffen war, habe bereits 1999 ein Bericht des Stadtrats vor einem „signifikant höheren“ Hochwasserrisiko gewarnt. Passiert sei allerdings nichts.

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