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„Werden nicht morgen Bagger schicken“

Seit Jahrzehnten sorgen in Südtirol aus der Zeit des Faschismus stammende Bauten und Denkmäler nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch zwischen den Volksgruppen für einen schwelenden Streit über den weiteren Umgang mit den historisch belasteten Relikten.

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Erneut ins Rampenlicht gerückt wurde das für Südtirol nach wie vor heikle Thema durch ein Schreiben von Kulturminister Sandro Bondi. Aus diesem gehe laut Angaben der Landesregierung eindeutig hervor, dass nun das Land selbst für die weitere Vorgangsweise verantwortlich sei.

Luftaufnahme des Siegesdenkmals in Bozen

Corbis/Vittoriano Rastelli

Das 1928 von den Faschisten errichtete Siegesdenkmal in Bozen

„Mussolini-Deal“ dank Stimmenthaltung

Das Abkommen zwischen Bondi und der Südtiroler Volkspartei (SVP) kam offenbar unmittelbar nach einem Misstrauensantrag zustande, bei dem der Kulturminister nur knapp im Amt bestätigt wurde und sich die beiden SVP-Abgeordneten Siegfried Brugger und Karl Zeller - entgegen früheren Ankündigungen - der Stimme enthielten.

Auch wenn man den „Mussolini-Deal“ aus diesem Grund als „elenden Kuhhandel“ bezeichnen könne, solle man nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Francesco Palermo nun die Gunst der Stunde nutzen. „Da hat jemand die Kastanien aus dem Feuer geholt und jene Drecksarbeit erledigt, vor der sich hier bei uns alle gedrückt haben“, wie Palermo laut dem Südtiroler Wochenmagazin „ff“ betonte.

„Abriss nicht realistisch“

Landeshauptmann Luis Durnwalder (SVP) machte bei Bekanntgabe des Abkommens mit Rom in einer ersten Reaktion deutlich, nun „sicher nicht morgen die Bagger schicken“ zu wollen. Vielmehr seien etwa für das von den Faschisten im Zentrum der Landeshauptstadt errichtete Siegesdenkmal und für die nahe den Landesgrenzen befindlichen Beinhäuser den historischen Kontext erklärende Tafeln im Gespräch. Ein Abriss sei „heute nicht realistisch“.

Sehr wohl entfernt werden sollten der ersten Stellungnahme zufolge aber das über dem Eingangsportal des Bozner Finanzamtes angebrachte Faschistenrelief, auf dem nicht zuletzt auch Mussolini selbst auf hohem Ross abgebildet ist. Dasselbe gelte auch für das im Land als „Kapuziner Wastl“ bekannte 1938 in Bruneck errichtete Soldatendenkmal, das zu Ehren der in Italiens Kolonialkriegen kämpfenden Soldaten errichtet wurde.

Lob für Faschismus von Ex-Bürgermeister

Auf die Ankündigung folgte prompt ein Sturm der Entrüstung von Südtirols italienischer Opposition. Michaela Biancofiore von der Regierungspartei von Silvio Berlusconi, Popolo della Liberta (PdL), sprach von einer „verletzten italienischen Volksseele“ und warf Parteikollegen Bondi laut der Onlineausgabe der Tageszeitung „Dolomiten“ (Stol) eine „voreilige“ Vorgangsweise vor.

Über ein Dutzend PdL-Politiker legten zudem aus Protest ihre Parteifunktionen zurück. Man wolle Rom damit zeigen, dass „das Bondi-Abkommen“ ein großer Fehler sei, so der Parlamentsabgeordnete Giorgio Holzmann, der sich seine politischen Sporen einst in der postfaschistischen Partei MSI verdiente.

Aufhorchen ließ zudem Bozens Kurzzeit-Bürgermeister Giovanni Benussi, der dem Lager von Gianfranco Fini zugerechnet wird. Laut der italienischen Tageszeitung „Alto Adige“ fand der Rechtspolitiker nicht nur lobende Worte für den Faschismus. Da dieser auch Südtirol Positives gebracht habe, empfahl er der Bevölkerung sogar, vor dem Mussolini-Fries „Rosen niederzulegen“.

Umstrittener Totenkult

Zu den aus der Zeit des Faschismus stammenden Denkmälern zählen auch die drei in Grenznähe errichten Beinhäuser bei Mals, Gossensass und Innichen. Diese stellen laut Südtiroler Landesregierung einen Sonderfall dar: Obwohl aus „rein politischen Zwecken errichtet“, wird ein Abriss abgelehnt, da es sich auch um Grabstätten handelt. Vielmehr wolle man mit Tafeln auf den historischen Kontext und auf die Herkunft der dort bestatteten Soldaten verweisen.

„Makabrer Missbrauch von Toten“

Unterdessen erscheint die Entfernung des umstrittenen Duce-Bildnisses selbst laut Durnwalder wieder alles andere als ausgemachte Sache. Statt das Relief aufwendig abzutragen, könnte man dieses mit „Brettern“ verdecken bzw. „einfach zumauern“, wie Durnwalder in der Mittwoch-Ausgabe der Tageszeitung „Dolomiten“ zitiert wurde.

Die Landtagsabgeordneten der deutschsprachigen Rechtsbewegung Süd-Tiroler Freiheit, Eva Klotz und Sven Knoll, sprachen im Anschluss von „Wortbruch“. Es gebe „kein Recht auf Beibehaltung und Verherrlichung des Faschismus“. Aus diesem Grund bestehe man weiterhin auf eine Entfernung des 1939 vom Südtiroler Bildhauer Hans Piffrader für das „Haus des Faschismus“ geschaffene Reliefs. Dasselbe gelte auch für die Beinhäuser, bei denen es sich den Oppositionspolitikern zufolge um einen „makabren Missbrauch von Toten handle“.

Italienisches Beinhaus in Mals in Südtirol

HaTe unter cc-by-sa

Das Beinhaus auf der Malser Haide in der Nähe vom Reschenpass

Hoffen auf Christo

Angesichts eines 2012 in Bozen anstehenden Treffens der italienischen Gebirgsjäger (Alpini) orten die Oppositionspolitiker zudem Tatendrang in Sachen Siegesdenkmal. Nach Angaben der „Tiroler Tageszeitung“ („TT“) wolle man den bis zu 400.000 in der Stadt erwarteten Soldaten zumindest den Blick auf das erst kürzlich um mehr als zwei Millionen Euro renovierte Denkmal verwehren.

Aus diesem Grund habe man den Angaben zufolge bereits im Vorjahr den Kontakt zum Verpackungskünstler Christo gesucht. Auf die Macht der Kunst setzt man mittlerweile aber auch in den Reihen der SVP: Mehrere SVP-Politiker, darunter auch die beiden Vertreter im römischen Parlament, Brugger und Zeller, regten jedenfalls bereits einen Künstlerwettbewerb an, um dem Mussolini-Relief in Bozen „seine faschistische Symbolkraft zu nehmen“.

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