Enthüllungen im Stil von WikiLeaks
In der Nacht von Sonntag auf Montag hat der TV-Sender al-Jazeera begonnen, Geheimdokumente über die Friedensverhandlungen zwischen Palästinensern und Israel im Stile von WikiLeaks im Internet zu veröffentlichen. Die Enthüllungen sorgten unter Palästinensern für Empörung und erhöhten den Druck auf Palästinenserpräsident Mahmud Abbas massiv.
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Abbas selbst bezeichnete die angeblichen weitreichenden Zugeständnisse, zu denen er und seine Chefverhandler gegenüber dem damaligen israelischen Regierungschef Ehud Olmert bereit gewesen sein sollen, als „Lügen“.
Chefunterhändler Saeb Erekat sah in der Veröffentlichung der Dokumente eine gegen die im Westjordanland regierende Fatah-Bewegung gerichtete Kampagne mit dem Ziel, den Sturz der palästinensischen Führung herbeizuführen. Erekat beschuldigte den in Katar ansässigen Sender, „die Palästinenser zur Revolution gegen ihre Führer aufzuwiegeln, um das palästinensische politische System zu Fall zu bringen“.
Proteste und Gewalt
In den Tagen seit den Enthüllungen kam es zu Demonstrationen gegen Abbas und seine Fatah - in den Palästinensergebieten wie auch in Flüchtlingslagern etwa in Syrien und dem Libanon. Im Gegenzug gingen im Westjordanland Tausende Fatah-Anhänger gegen al-Jazeera auf die Straße, dem sie Lügen und Verrat vorwarfen. Aus dem gesamten Westjordanland versammelten sich Anhänger Abbas’, um dem unter Druck geratenen Politiker euphorisch ihre Unterstützung zuzusichern. Gleichzeitig übten die mehr als 3.000 Teilnehmer der Kundgebung heftige Kritik an dem Golfemirat Katar und dessen Fernsehsender al-Jazeera.
Bewaffnete Palästinenser stürmten zudem am Mittwoch ein Fernsehstudio, das mit al-Jazeera kooperiert, in Nablus im Westjordanland, und verwüsteten es. Nach unbestätigten Berichten gehörten die Angreifer zur Sicherheitstruppe der palästinensischen Behörden.
Große Zugeständnisse
Nach den von al-Jazeera bisher veröffentlichten Dokumenten sollen die Palästinenser Israel in Friedensverhandlungen 2008 angeboten haben, abgesehen von einer Ausnahme alle jüdischen Siedlungskomplexe in Ostjerusalem dem eigenen Staatsgebiet zuschlagen zu dürfen. Das würde eine massive Abkehr von der offiziellen Haltung der Palästinenser bedeuten und im krassen Widerspruch zu öffentlichen Äußerungen der gesamten Führungsspitze stehen.
Auch in der Frage eines Rückkehrrechts für Palästinenser, die mit der Staatsgründung Israels vertrieben wurden, gab es den Dokumenten zufolge ein bisher nicht bekanntes weitreichendes Entgegenkommen der Palästinenser. Analysten betonen jedoch, dass in den Dokumenten völlig ausgeblendet werde, was Israel im Gegenzug angeboten habe.
Mittlerweile brachte die Veröffentlichung weiterer Dokumente Abbas weiter unter Druck. Demnach soll Chefverhandler Erekat die Verabschiedung einer UNO-Resolution zum Israel-kritischen Goldstone-Bericht über den Gaza-Krieg auf Druck der USA verzögert haben, um neue Friedensverhandlungen mit Israel führen zu können.
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