Heftige Kritik gegen Wehrpflichtreform
Die Auseinandersetzung über die Wehrpflicht hat nun doch personelle Konsequenzen gefordert. Nach der Unterredung zwischen Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) und dem Generalstabschef Edmund Entacher wurde dieser abberufen. Zuvor hatte Darabos ein Köpferollen am Montag noch ausgeschlossen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Er hatte aber festgelegt, dass „Mitarbeiter dieses Hauses (Anm. Verteidigungsministerium) die Linie der politischen Führung mittragen müssen“. Der Generalstab habe die von der politischen Führung vorgegebene Meinung zu vertreten. Am Sonntag ließ Darabos noch damit aufhorchen, dass er vor personellen Konsequenzen nicht zurückschrecken werde.
Kritik via „profil“
Entacher hatte im Nachrichtenmagazin „profil“ Kritik geäußert und sich für die Beibehaltung der Wehrpflicht ausgesprochen: „Wir haben schon jetzt ein Mischsystem aus Berufsheer, Wehrpflichtigen und Milizsoldaten, mit dem wir bisher alle an uns gestellten Aufgaben gut bewältigen konnten.“ Schon Mitte Jänner hatte er gegenüber der APA gewarnt, dass ein Berufsheer eine Schwächung der Streitkräfte bedeuten würde. Zudem befürchtete er ein Problem bei der Rekrutierung von Freiwilligen.
Bei der Präsentation seiner Pläne hatte Darabos seinem der SPÖ nahestehenden Generalstabschef ausgerichtet, das das „Primat der Politik“ gelte. Das stellte Entacher im „profil“-Interview auch nicht in Abrede: „Nach dem Primat der Politik ist das Parlament zuständig für die Festlegung eines Wehrsystems. Also liegt die Verantwortung bei der Politik.“
„Nicht undemokratisch, erzürnt zu sein“
Darabos hatte auf diese Kritik scharf reagiert: „Es ist nicht undemokratisch, hier erzürnt zu sein. Ich verscherze es mir mit niemandem, sondern habe einen klaren Kurs eingeschlagen.“ Es sei daher „absurd“, ihn als „Diktator a la Nordkorea“ zu bezeichnen. Der Präsident der Offiziersgesellschaft, Eduard Paulus, hatte die Reaktion von Darabos als „undemokratisch, verfassungswidrig und geradezu stalinistisch“ bezeichnet. Darabos wiederum beharrte auf „wichtigen und richtigen Reformplänen“ für das Heer. Er könne sich daher auch nicht beirren lassen.
Montagnachmittag kam es zu einem Treffen zwischen Entacher und Darabos. Zunächst gab es von keiner Seite eine Stellungnahme. Es war - laut Entacher - ein „freundschaftliches Gespräch“. Direkt nach der Unterredung hatte er noch für Dienstag eine Dienstreise nach Brüssel geplant gehabt. Dort trafen am Dienstag aber weder Entacher noch der mit der Geschäftsführung beauftragte Stellvertreter, Generalleutnant Othmar Commenda, ein. Entacher war auch am Dienstag für die APA nicht erreichbar.
Modelle nach Schulnoten bewertet
Montagabend erklärte Darabos via Aussendung, die Konzeption und Berechnung der von ihm präsentierten Wehrsystemmodelle seien von ihm beim Generalstabschef in Auftrag gegeben worden. Die Modelle seien von Experten des Bundesheeres bewertet worden. Das von Darabos präferierte System eines Freiwilligenheeres sei dabei im Schulnotensystem auf 1,5 gekommen, das bestehende System mit allgemeiner Wehrpflicht sei nur mit 2,1 benotet worden.
Wie auch die Organisationsstruktur des Verteidigungsministeriums festlegt, ist der Generalstabschef der „oberste Berater“ des Ministeriums, der „im Rahmen der Vorgaben“ des Verteidigungsministers die „Ziele für die Planung, die Bereitstellung und den Einsatz der Streitkräfte“ setzt, die Ressourcenverteilung festlegt und die Prioritäten bestimmt.
Der Präsident der Österreichischen Offiziersgesellschaft, Eduard Paulus, bezeichnete die Aussage, dass Darabos die Konzeption der Wehrsystemmodelle beim Generalstabschef in Auftrag gegeben habe, als „Lüge“. Die Modelle seien von der SPÖ-Parteizentrale ausgearbeitet worden, „sicher nicht von General Entacher“.
Von Aussagen distanziert?
Die Aussagen Entachers könne er „deshalb nur so interpretieren, dass er sich von seinen eigenen Berechnungen distanziert“, so Darabos. „Durch diese öffentlichen Aussagen und den dadurch entstandenen Vertrauensverlust sah ich mich heute im dienstlichen Interesse veranlasst, den Generalstabschef abzuberufen.“
Neue Verwendung oder Ruhestand
Nach einer stundenlangen Nachrichtensperre aus dem Ministerium sagte Darabos-Sprecher Stefan Hirsch, dass Entacher aufgrund von Vertrauensverlusten nach Paragraph 40 des Beamtendienstrechtsgesetzes abberufen worden sei. Der Dienstgeber habe nun zwei Monate Zeit, Entacher einer „neuen Verwendung zuzuweisen“. Er hätte aber auch die Möglichkeit, sein Ruhestandsansuchen einzureichen. Keine Aussagen machte Hirsch zu Inhalten der Unterredung von Darabos und Entacher. Es habe mehrere Aussprachen gegeben, der Minister habe „stundenlang versucht“, eine gemeinsame Lösung herbeizuführen.
Wie SC Kroatisch Minihof
Rücktrittsaufforderungen an seine Person nahm Darabos nicht wirklich ernst. Die Offiziersgesellschaft etwa hatte seinen Rücktritt gefordert. Auch ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger hielt an seiner Kritik am Verteidigungsminister fest. Auch führende SPÖ-Abgeordnete sind gegen die Abschaffung der Wehrpflicht - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Darabos hingegen sieht sich im Heer gestärkt: „Die Offiziersgesellschaft und die Milizgemeinschaft sind private Vereinigungen wie der SC Kroatisch Minihof. Das ist nicht die Meinung im Bundesheer.“ Seine Reform sei daher „kein Alleingang“, sondern mit der eigenen Partei und Experten abgesprochen. Rückendeckung bekam Darabos auch von Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), der die Abschaffung der Wehrpflicht vor wenigen Monaten zur Diskussion gestellt hatte - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Links: