„Besser, Familien bleiben zu Hause“
In vielen koptischen Gemeinden in ganz Europa wird das diesjährige Weihnachtsfest - wenn überhaupt - nur unter strengem Polizeischutz stattfinden. Hintergrund ist nicht so sehr der Anschlag in Ägypten, sondern eine veröffentlichte islamistische Todesliste. 150 Namen finden sich darauf - darunter auch 15 Kopten, die in Österreich leben.
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Kurz nach dem verheerenden Anschlag am Neujahrstag auf eine koptische Kirche in Alexandria, Ägypten, sind im Internet weitere Drohungen gegen Kopten in anderen Ländern aufgetaucht. Auf einer Liste der Terrororganisation „Islamischer Staat Irak“, die in Verbindung mit Al-Kaida gebracht wird, wurden auch in Österreich lebende Kopten genannte. Das Innenministerium hat den Schutz für die rund 6.000 Mitglieder zählende österreichische Koptengemeinschaft verschärft, wie Innenministeriumssprecher Rudolf Gollia mitteilte.

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Weihnachten feiern die Kopten am 29. Tag des koptischen Monats Khoiak.
Trauer und Anteilnahme in Österreich
Welche Maßnahmen genau ergriffen wurden, wollte er jedoch nicht sagen. Erhöhte Alarmbereitschaft wird es aber vor allem rund um das Koptische Weihnachtsfest in der Nacht zum 7. Jänner geben. Die Messe wird auf jeden Fall stattfinden, kündigte der koptische Bischof von Österreich, Anba Gabriel, an. Die Feiern werden jedoch im Zeichen der Trauer und Anteilnahme für die Opfer des Anschlags von Alexandria stehen.
Feiern in Deutschland abgesagt
Doch vielen koptischen Priestern in Deutschland ist das Sicherheitsrisiko zu hoch. „Eigentlich treffen sich an diesem Tag alle Mitglieder in der Kirche, um nach dem Gottesdienst gemeinsam zu essen, zu trinken und zu feiern“, sagte Pater Deuscoros El-Antony der koptischen St.-Mina-Gemeinde in München. In diesem Jahr sagte die Gemeinde die Feierlichkeiten ab. Lediglich der Gottesdienst soll wie gewohnt stattfinden. „Wir halten es für besser, wenn die Familien den Abend zu Hause verbringen.“ In der Gemeinde in Leipzig wird es weder Gottesdienst noch Feier geben.
Muslime helfen, koptische Kirchen zu schützen
Auch Frankreich und die Niederlande verschärfen die Sicherheitsmaßnahmen rund um koptische Einrichtungen. Französische Behörden haben bestätigt, dass auch gegen die koptische Kirche in Chatenay-Malabry bei Paris Drohungen vorliegen. Pater Girguis Lucas wird dort am 6. Jänner besondere Gäste zum Weihnachtsfest begrüßen. „Wir haben uns entschlossen, eine Delegation zu unseren koptischen Brüdern zu entsenden“, sagte der Präsident des französischen Islamrates, Mohammed Moussaoui, am Mittwoch im Rundfunksender Europe1. Auch muslimische Organisationen in den Niederlanden boten den Kopten an, ihre Gotteshäuser schützen zu helfen.

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Interner Machtkampf
In der koptischen Kirche schwelt seit Jahren ein interner Machtkampf um die Nachfolge des inzwischen 87 Jahre alten Patriarchen Papst Schenuda III. Schenuda war immer um Ausgleich bemüht.
Koptische Ägypter misstrauen Regierung
In Ägypten scheiden sich unter den Gläubigen die Geister, ob man zu den Feierlichkeiten gehen solle oder nicht. Während das geistliche Oberhaupt, Papst Schenuda III., dazu aufrief möglichst zahlreich zum Gottesdienst zu erscheinen, sehen vor allem viele jüngere Kopten darin ein Zugeständnis an die Staatsmacht. Sie wollen aus Protest zu Hause blieben, denn ihrer Meinung nach versuche die Regierung nur von dem jahrelang schwelenden Konflikt zwischen Muslimen und Christen in dem Land abzulenken.
Drahtzieher im eigenen Land vermutet
Auch den offiziellen Untersuchungsergebnissen, dass es sich bei dem Attentäter um einen 30-jährigen Mann mit „asiatischem Aussehen“ handelte, wird unter Kopten wenig Glauben geschenkt. Viele vermuten die Drahtzieher des Anschlags, bei dem 23 Menschen ums Leben kamen und Dutzende verletzt wurden, im eigenen Land.
Der Großmufti von Ägypten, Ali Gomaa, erließ am Dienstag ein islamisches Rechtsgutachten (Fatwa), in dem er unter Berufung auf einen Vers aus dem Koran erklärte: „Der Islam verbietet es, Unschuldige zu töten, unabhängig von ihrer Religion, Herkunft oder Nationalität.“ Alle Gebetshäuser müssten einen besonderen Schutz genießen, auch die der Nichtmuslime.
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