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Ideen-Recycling, auf dem Tablet serviert

Tablet-Rechner, Mini-Notebooks, Cloud Computing - die Vorhersagen für die IT-Landschaft 2011 ähneln verblüffend jenen für 2010. Und leider auch jenen für das Jahr 2000. Nur: Diesmal könnten sie wahr werden - glaubt zumindest Google-Chef Eric Schmidt.

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Fast schon entschuldigend klang es, was Eric Schmidt am 7. Dezember anlässlich der Vorstellung von Googles neuem Betriebssystem Chrome OS zu sagen hatte: Diesmal werde es wirklich etwas werden, mit dem schlanken und schnellen Kleincomputer, der ständig am Netz hängt, die Software sicher im Browser laufen lässt und dem Besitzer alle unangenehmen Wartungsarbeiten abnimmt.

Zumindest einen Prototyp des Google-Computers konnte der Konzern vorstellen, der Cr-48 ist im Wesentlichen ein Mini-Notebook mit 12-Zoll-Bildschirm und einem Intel-Prozessor der Atom-Reihe. Nur die Windows-Taste fehlt dem Gerät, eine programmatische Design-Entscheidung, denn auch der konzeptuelle Vorläufer des Google-Notebooks, die JavaStation von Sun, war zu dem Zweck geschaffen worden, Microsoft wenigstens einen kleinen Teil des Geschäfts mit Desktop-PCs abzujagen. Schmidt war damals bei Sun für das Projekt mit verantwortlich, er gibt selbst zu, dass es gescheitert ist.

Langes Warten auf schnellen Systemstart

Ob das Konzept diesmal besser laufen wird, bleibt abzuwarten. Google musste den Start seines Systems um ein halbes Jahr auf Mitte 2011 verschieben - in der IT-Branche eine Ewigkeit - und lässt Microsoft und Apple damit mehr als genug Zeit, um auf das Konzept zu reagieren. Natürlich haben Schmidt und sein Projektleiter Sundar Pichai nicht unrecht, wenn sie sagen, dass die Nutzer die Nase voll haben von PCs, die minutenlang zum Start oder zum Aufwachen brauchen und ihre Besitzer mit Neustartzwang und Pop-up-Meldungen belästigen.

Diese Probleme haben Tablet-Rechner wie Apples iPad oder Samsungs Galaxy Tab nicht. Sie sind auf Knopfdruck sofort einsatzbereit, eine Eigenschaft, die Steve Jobs auch allen Notebooks aus seinem Hause mit auf den Weg geben möchte. Auch wenn SSD-Speicher vergleichsweise teuer bleibt, wird man 2011 doch mehr Geräte mit Chip-Massenspeicher statt Festplatte sehen. Allein schon deshalb, weil auch Googles Chrome-OS-Notebooks ohne HDs auskommen sollen.

Samsung Galaxy Tab

ORF.at

Kompakter iPad-Konkurrent mit 3G-Anschluss: Samsung Galaxy Tab

Websites als Apps

Chrome OS zeigt auch einen weiteren Trend auf. Es sorgt heute schon dafür, dass die Grenze zwischen Apps und Websites neuester Machart bis zur Unkenntlichkeit verwischt wird. Die Chrome-App der „New York Times“ mit ihren verschiedenen Ansichtsoptionen auf die Inhalte des Blatts ist eigentlich „nur“ eine Website, die auch in anderen Browsern funktioniert, wenn auch eine komplexe - das App-Icon in Chrome ist in diesem Fall nichts weiter als ein Lesezeichen.

Angesichts der Energie, die Google in Chrome OS und dessen Herzstück, den Browser, steckt, könnte 2011 auch zum Schicksalsjahr für die Mozilla Corporation und ihr Flaggschiff-Produkt Firefox werden. Gegenüber Googles schnellem und schlankem Browser, der ebenfalls unter einer freien Lizenz (BSD) steht und auch seit März keine individuelle ID mehr an seinen Hersteller sendet, sieht Firefox 4 alt aus.

Google-Browser im Plus

Laut Statistik von Net Applications ist Chrome auch der einzige Browser, der im Jahresvergleich seinen Weltmarktanteil signifikant steigern konnte - er verdoppelte ihn auf rund zehn Prozent. Firefox hat rund 23 und alle Versionen des Internet Explorers von Microsoft zusammengenommen rund 58 Prozent Marktanteil. Apples Safari, noch im November 2009 mit 4,4 Prozent vor Chrome, konnte im letzten Jahr nur um ein Prozent zulegen.

Firefox und Googles Beitrag

Im November 2011 läuft auch Mozillas Vertrag mit Google aus, der 2008 verlängert worden war. In diesem Vertrag ist vereinbart, dass Google die voreingestellte Suchmaschine in Firefox ist. Ausgehend von bisher veröffentlichten Finanzdaten der Mozilla Foundation ist damit zu rechnen, dass der Google-Deal für mindestens drei Viertel des Umsatzes der Stiftung verantwortlich ist. Als Mozilla die Zahlen für 2009 vorgestellt hat, gab sich die Stiftung optimistisch. Der Umsatz war im Krisenjahr um 34 Prozent auf 104 Millionen US-Dollar gestiegen.

Was Microsoft betrifft, so wird CEO Steve Ballmer am 5. Jänner zur traditionellen Eröffnungsrede auf der wichtigen Unterhaltungselektronikmesse CES in Las Vegas den nächsten Anlauf des Konzerns in Sachen Tablet Computing vorstellen. Bereits Bill Gates hatte im Jahr 2000 einen Tablet-Prototyp gezeigt - damals allerdings mit Stiftbedienung, Ballmer tat es ihm im Jänner 2010 nach, allerdings stellte Microsoft das Touchscreen-Tablet-Projekt „Courier“ nach wenigen Monaten ein und überließ das Feld Apple.

Microsoft-CEO Steve Ballmer bei der CES 2010 mit einem Tablet-PC von HP

AP/Dave Smith

Ballmer präsentiert auf der CES 2010 das Touchscreen-Tablet-Projekt „Courier“.

Rittern um den Tablet-Markt

Laut Schätzung der Unternehmensberatung Gartner vom Oktober wird im kommenden Jahr der weltweite Absatz von Tablet-Rechnern von rund 20 Millionen Exemplaren auf 55 Millionen steigen. Der Preis pro Gerät soll demnach im Lauf der kommenden zwei Jahre auf das Mini-Notebook-Niveau von rund 300 Euro sinken. Zum Vergleich: Der weltweite PC-Markt 2010 wurde von Gartner zuletzt auf einen Umfang von 352 Millionen Rechnern geschätzt, 2011 sollen 409 Millionen PCs verkauft werden. Bis 2014 sollen allerdings Tablet-Rechner in Privathaushalten rund zehn Prozent der Stand-PCs verdrängt haben.

Zu den wichtigsten Websites, die von solchen Rechnern aus angesteuert werden, werden auch 2011 die beliebten Sozialen Netzwerke gehören. Allerdings könnte sich die Nutzung von zentralisierten Plattformen wie MySpace oder Facebook hin zu informellen Netzwerken wie Diaspora verlagern. Das ahnt auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der dem Open-Source-Projekt einer kleinen Gruppe New Yorker Studenten bereits eine Spende für die Weiterentwicklung des Systems hat zukommen lassen.

Günter Hack, ORF.at

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